Wie sich Neuburger leise neu erfand

Auch auf der Firmenfassade prangt der erfolgreiche Anti-Leberkäse-Slogan.
Auch auf der Firmenfassade prangt der erfolgreiche Anti-Leberkäse-Slogan. (c) Neuburger
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Wenige Unternehmer haben ihre Marke so klar ausgerichtet wie Hermann Neuburger. Jetzt will er den Trick im hart umkämpften Lebensmittelhandel mit fleischlosen Produkten wiederholen.

Wien. Als Hermann Neuburger 1977 in die väterliche Fleischerei eintrat, war ihm bewusst: In seinem Heimatdorf Ulrichsberg im nördlichen Mühlviertel nahe der tschechischen Grenze hat ein kleiner Fleischer wie er keine Überlebenschance. Auch die vom Vater entwickelte Leberkäsespezialität würde über den mangelnden Absatzmarkt nicht hinweghelfen. „Was ich brauche, ist Aufmerksamkeit, sonst sterbe ich in Schönheit“, sagte er sich. Und fasste 1986 einen radikalen Entschluss: Er ließ alle Produkte bis auf ein einziges auf.

Um dieses herum sollte von nun an eine Marke aufgebaut werden, die über die Grenzen des Mühlviertels hinweg strahlen würde. Heute wissen die meisten Österreicher mit ziemlicher Sicherheit nicht, wo Ulrichsberg liegt. Zu welchem Produkt sie besser nicht Leberkäse sagen, aber sehr wohl.

Eine Familie mit Risikoaffinität

Das Spiel auf Risiko liegt der Fleischhauerfamilie im Blut. Etwa, als sich die Firma 1995 auf der grünen Wiese komplett neu erfand, weil die alte Betriebshalle zu klein geworden war. Oder 2004, als sich der Wursterzeuger mit Billa anlegte. Der Handelriese Rewe stieg auf seine Preiserhöhung nicht ein, listete ihn aus den Billa-Regalen aus – und kam nach zwei Jahren reumütig zurück.

„Wir sind nicht austauschbar“, sagt Hermann Neuburger. Das sei im hoch konzentrierten österreichischen Lebensmittelhandel die einzige Art zu überleben. „Der Händler spielt das Spiel des Todes mit möglichst vielen Lieferanten“, so Neuburger. Auch in der Fleischereibranche herrsche angesichts der niedrigen Preise zurzeit ein „Kampf ums Messer“. Das jüngste Opfer war die Kette Trünkel. Bei Umsätzen hält sich der Familienbetrieb zwar bedeckt. Gern gibt man aber preis, dass sich die Ertragszahlen in Ulrichsberg konstant halten, während sie rundherum fallen.

Ein gutes Drittel des Markts überlässt Neuburger dennoch anstandslos der Konkurrenz. Seit Jahren schlägt der Firmenchef Kooperationsangebote mit österreichischen und deutschen Diskontern aus. So sichere er sich eine bessere Verhandlungsposition bei den Supermärkten. Auch will das Unternehmen naturgemäß nicht an dem Brett sägen, auf dem es komfortabel steht: „Wir sehen im qualitativen Lebensmittelhandel unsere Bühne, die wir stärken müssen.“

Als der heimische Markt langsam eng zu werden drohte und man sicher sein konnte, dass der Werbeslogan bundesweit in den Köpfen der Österreicher haftete, suchte man sich 2009 einen Zweitmarkt. Heute macht Neuburger mit seinen rund 70 Mitarbeitern bereits zwanzig Prozent des Umsatzes in Deutschland.

Doch schon vor diesem Expansionsschritt hatte Hermann Neuburger einen für einen Fleischer atypischen Entschluss gefasst. Er wollte fleischlose Produkte herstellen. Die Erinnerung an das ungute Gefühl, das er beim Schlachten seines ersten Schweins gehabt hatte, hat ihn seit den 1970er-Jahren nicht losgelassen. Damals war der Spielraum bei der Berufswahl begrenzt. Heute, mit der erfolgreichen Marke im Rücken, sieht es anders aus.
Sein Sinneswandel hat zur rechten Zeit die Marktreife erreicht. Große Händler wie Spar haben den Kundenwunsch nach fleischlosen Lebensmitteln mittlerweile auch erkannt und Eigenmarken lanciert. „Der riesige Preiskampf, der beim Fleisch schon herrscht, geht hier gerade erst los“, sagt Neuburger.

Gleiche Strategie – mit Pilz

Gemeinsam mit seinem Sohn Thomas verfolgt Hermann Neuburger eine Strategie, die sich schon beim Leberkäse bewährt hat: Die beiden fokussieren sich unter dem Namen Hermann Fleischlos auf betont hochwertige Bio-Produkte aus Kräuterseitlingen. Aktuell läuft ihr Testvertrieb in einigen Supermärkten in städtischen Räumen. Wenn alles gut geht, soll ab 2019 die Vollproduktion anlaufen. Dazu wollen die Neuburgers 40 Mio. Euro für eine Betriebshalle und eine eigene Pilzzucht in die Hand nehmen.

Auf ikonische Fernsehspots, in denen kühle Blondinen Pilze statt Leberkäse verspeisen, werden die Österreicher aber warten müssen. Das werde laut Hermann Neuburger erst interessant, wenn man ganz Österreich beliefere.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2016)

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