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Lego: Der Boom der bunten Steine endet

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Nach der Fast-Pleite im Jahr 2003 durchlebte der dänische Spielzeughersteller Lego eine unerwartete Erfolgsära. Diese ist nun zu Ende. 1400 Mitarbeiter müssen die Firma verlassen.

Wien. Die ersten Anzeichen hatte es bereits im März gegeben. Damals präsentierte der dänische Spielzeughersteller Lego seine Bilanz für das Jahr 2016. Sowohl Umsatz als auch Gewinn waren gewachsen. Wieder einmal. Allerdings fiel das Plus wesentlich geringer aus, als man im dänischen Billund mittlerweile gewohnt war. Der Umsatz legte zwar noch von 35,8 auf 37,9 Mrd. dänische Kronen (5,1 Mrd. Euro) zu. Der Gewinn erhöhte sich aber nur mehr ganz leicht von 9,2 auf 9,4 Mrd. Kronen – das geringste Wachstum seit dem Jahr 2007.

Die Folge war schon damals ein kleiner Mitarbeiterabbau. 176 von rund 18.200 Angestellten mussten gehen. Das war allerdings nur das Vorbeben. Die Haupt-Eruption setzte es erst gestern, Dienstag. Da gab der größte Spielzeughersteller Europas bekannt, dass erstmals seit mehr als zehn Jahren der Umsatz wieder gesunken ist. Zudem sei nicht klar, ob innerhalb der kommenden zwei Jahre eine Rückkehr in die Wachstumszone geschafft werde. Als Reaktion darauf streicht Lego 1400 Stellen – rund acht Prozent seiner weltweiten Mitarbeiter.

„Drücken den Reset-Knopf“

„Wir drücken nun den Reset-Knopf für den gesamten Konzern“, erklärte Lego-Aufsichtsratschef Jorgen Vig Knudstorp am Dienstag. Das Unternehmen sei durch das rasante Wachstum in den vergangen Jahren nämlich zu kompliziert und träge geworden. Dadurch könne das Wachstumspotenzial derzeit nicht mehr ausgeschöpft werden.

Um diese Aussagen richtig einordnen zu können, muss man den Blick in das Jahr 2003 zurückwerfen. Das 1932 gegründete und immer noch im Besitz der Gründerfamilie Kristiansen befindliche Unternehmen hatte sich damals mit Themenparks und anderen Spielzeug-Angeboten verzettelt. Lego schrieb zwei Jahre hindurch rote Zahlen und musste in Summe einen Verlust von mehreren hundert Millionen Euro hinnehmen. Der Konzern stand kurz vor der Pleite.

2004 trat schließlich der damals 35-jährige Knudstorp den Job an der Lego-Spitze an und verpasste dem Unternehmen eine radikale Restrukturierung, im Rahmen derer die Zahl der Mitarbeiter von zuvor 8300 auf 3000 gesenkt wurde. Anstatt in Dänemark und der Schweiz werden die Bausteine aus Plastik seither in Werken in Tschechien und Ungarn für den europäischen und in Mexiko für den amerikanischen Markt gefertigt. In jüngster Zeit kamen dann auch Werke in China hinzu.

Den größten Effekt hatte jedoch die volle Konzentration auf die Kernkompetenz: die Bausteine. Durch die Einführung neuer Serien – etwa für Mädchen – und wohl auch eine Prise Glück erlebte Lego bereits in den Jahren 2005 und 2006 eine Wiedergeburt. Diese mündete in den Jahren darauf in einen regelrechten Boom mit regelmäßig ausverkauften Produkten rund um die Weihnachtszeit und zweistelligen Zuwachsraten bei Umsatz und Gewinn.

Dadurch gelang den Dänen sogar das Kunststück, in den Jahren nach der Finanzkrise von 2008, anders als die Spielwaren-Konkurrenz wie beispielsweise Barbie-Hersteller Mattel, nicht erneut in Probleme zu schlittern. Beigetragen zum Erfolg hat dabei auch eine Verbreiterung der Kundenbasis. Zwar sieht sich Lego nach wie vor als Hersteller von Spielzeug für Kinder. Viele der Bausteine-Sets, wie etwa das erst heuer vorgestellte Star-Wars-Raumschiff „Millenium Falke“ mit mehr als 7500 Teilen und einem Preis von fast 800 Euro, werden inzwischen aber vor allem von erwachsenen Sammlern gekauft.

Lego wurde böser

Hinzu kam, dass Lego, um im Wettkampf mit Konsolen- und Computerspielen bestehen zu können, auch zunehmend seine einstige „Friedfertigkeit“ abstreifte. Wie neuseeländische Forscher in einer Studie im Vorjahr festgestellt haben, wächst der Anteil jener Baukasten-Sets, die Waffen enthalten stetig an und beträgt inzwischen bereits 30 Prozent. Grund dafür ist nicht zuletzt die erfolgreiche Kooperation mit Filmstudios und die Einführung von speziellen Herr der Ringe-, Batman- oder Harry Potter-Sets. Gleichzeitig schaffte Lego auch den Eintritt in die digitale Welt mit – meist harmlosen – Spielen für Smartphones und Tablets.

Der Erfolg der vergangenen zehn Jahre machte sich jedoch auch in den Strukturen des Unternehmens bemerkbar. So versechsfachte sich die Zahl der Lego-Mitarbeiter seit dem Kahlschlag im Jahr 2003 wieder. Allein zwischen 2012 und 2016 wurden von den Dänen 7000 neue Jobs geschaffen. Nun ist es für das Unternehmen, dessen Namen eine Abkürzung des dänischen „leg godt“ („spiel gut“) ist, ein zweites Mal innerhalb von eineinhalb Jahrzehnten an der Zeit, sich neu zu erfinden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2017)

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