Stahlfusion mit Tata wird für Thyssenkrupp zur Zerreißprobe

Thyssenkrupp-Mitarbeiter wehren sich gegen die Pläne von Konzernchef Heinrich Hiesinger
Thyssenkrupp-Mitarbeiter wehren sich gegen die Pläne von Konzernchef Heinrich HiesingerAFP (ROLF VENNENBERND)
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ThyssenKrupp-Chef Heinrich Hiesinger stellt den Konzern vor eine Zerreißprobe. Arbeitnehmervertreter gehen gegen die Pläne einer Fusion der europäischen Stahlgeschäfte auf die Barrikaden.

Heinrich Hiesinger war noch gar nicht als Thyssenkrupp-Chef im Amt, da machte er den Beschäftigten schon klar, wohin die Reise unter seiner Führung gehen wird: "Ich verspreche Ihnen, dass wir gemeinsam mit Besonnenheit, aber auch mit großer Beharrlichkeit all das umsetzen, was für unser Unternehmen wichtig ist", schrieb der Manager nach seiner Nominierung im Mai 2010 an die Mitarbeiter. Stahl sei ein Standbein des Konzerns, versicherte er zu dieser Zeit noch. Gut sieben Jahre später will Hiesinger das Geschäft in ein Joint Venture mit Tata Steel ausgliedern. Der Thyssen-Chef stellt den Konzern damit vor eine Zerreißprobe. Arbeitnehmervertreter gehen gegen die Pläne auf die Barrikaden.

Denn Stahl ist das Herz des Konzerns aus dem Ruhrgebiet mit seiner über 200-jährigen Geschichte. Hiesinger lege mit seinen Plänen die Axt an die Wurzeln des Unternehmens, sagen Kritiker. Doch der im baden-württembergischen Bopfingen geborene Bauernsohn ist überzeugt, dass Thyssenkrupp ohne das konjunkturanfällige Stahlgeschäft besser dasteht. Er will einen robusten Technologiekonzern formen. Für Stahlbetriebsratschef Günter Back zieht das Argument nicht. Er hat Hiesinger davor gewarnt, den Stahl auf das Abstellgleis zu stellen. "Dann ist das nicht mehr unser Mann."

Scheitert der Deal, scheitert Hiesinger

Hiesinger richtet den Konzern seit Jahren stärker auf das Geschäft mit Aufzügen, Anlagen, Autoteilen oder U-Booten aus. Das Stahlgeschäft kämpft mit Überkapazitäten, Preisdruck, Billigimporten aus China und immer strengeren Klimaschutzauflagen. Die Arbeitnehmervertreter befürchten aber, dass bei einer Fusion mit Tata in Deutschland zahlreiche Jobs gestrichen und Standorte geschlossen werden. Die Fusion könne der Beginn für eine Zerschlagung des Konzerns sein, argumentieren sie. Am 22. September wollen die Stahlkocher in Bochum gegen die Pläne protestieren. Am darauf folgenden Wochenende soll der Aufsichtsrat des Konzerns über das Vorhaben beraten. Sollten die Arbeitnehmervertreter geschlossen Nein sagen und es zum Patt mit der Kapitalseite kommen, könnte Aufsichtsratschef Ulrich Lehner sein Doppelstimmrecht ziehen. Aber wichtige Entscheidungen sind bislang immer einvernehmlich getroffen worden - und darauf ist man bei Thyssenkrupp stolz.

Die ersten Großaktionäre werden bereits ungeduldig. "Bisher ist der große Paukenschlag bei Thyssenkrupp ausgeblieben, was die Restrukturierung und die Transformation hin zum Technologiekonzern betrifft", sagt Ingo Speich von der Fondsgesellschaft Union Investment, die mit einem Anteil von 0,3 Prozent zu den Top-20-Anlegern des Konzerns gehört. "Das ist ein zwingender Schritt, den wir jetzt sehen müssen." Auch für Hiesinger persönlich stehe viel auf dem Spiel, schiebt Speich hinterher. "Ein Scheitern wäre für Hiesinger sehr negativ. Er hat an dem Deal lange gearbeitet."

Sorge um die Arbeitsplätze

Gewerkschaften und Arbeitnehmervertreter befürchten hingegen, dass das Management einen großen Fehler machen könnte, wie vor Jahren mit dem Aufbau des amerikanischen Stahlgeschäfts. Der Ausflug endete nach Pleiten, Pech und Pannen für den Konzern unter dem Strich mit einem Verlust von acht Milliarden Euro. Das entspricht gut der Hälfte des Börsenwerts von Thyssenkrupp.

In Sachen Tata fordern die Arbeitnehmervertreter vom Management nun zuallererst einmal Klarheit über die Fusionspläne. "Wir wollen wissen, was der Vorstand vorhat. Das werden wir bewerten und dann entscheiden", sagt der stellvertretende Aufsichtsratschef von Thyssenkrupp Steel Europe und frühere IG Metall-Chef Detlef Wetzel. Maßstab sei, dass es für die Beschäftigten eine Zukunft bei Thyssenkrupp gebe.

Details nennen die Arbeitnehmervertreter nicht. Eine Rolle dürfte für sie jedoch neben der Beschäftigungs- und Standortssicherung spielen, wie hoch die Beteiligung von Thyssenkrupp an dem Joint Venture ist. Je höher, desto größer ist der Einfluss der Deutschen auf den Kurs des Gemeinschaftsunternehmens - und desto umfangreicher sind die Mitbestimmungsrechte. Je länger dies garantiert wird, umso besser. Fondsmanager Speich geht zunächst von einer Beteiligung der Firmen im Verhältnis 50:50 aus. Branchenanalyst Björn Voss von Warburg Research meint: "Ich gehe davon aus, dass Arbeitsplatzgarantien und Investitionszusagen gemacht werden; ähnlich wie sie Tata für das Werk in Port Talbot bis 2020 gegeben hat."

Hiesinger muss bei der Stahlfusion noch um das Vertrauen der Mitarbeiter kämpfen. Immerhin versprach er ihnen schon im Schreiben vom Mai 2010: "Ich werde dafür sorgen, dass unsere Zusammenarbeit weltweit auf offener und ehrlicher Kommunikation sowie gegenseitigem Vertrauen basieren wird." 

(Reuters)

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