Michael Chalupka

Der Dauerläufer für die Nächstenliebe

Michael Chalupka.
Michael Chalupka. (c) Luiza Puiu
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Seit fast einem Vierteljahrhundert ist Michael Chalupka Chef des evangelischen Hilfswerks Diakonie.

Sozialminister, Innenminister und Bundeskanzler kommen und gehen. Michael Chalupka bleibt. Der Theologe steht seit dem Jahr 1994 an der Spitze der Diakonie, des Hilfswerks der evangelischen Kirchen. Obwohl einschränkend gesagt werden muss: Nächstes Jahr will sich der gebürtige Grazer aus dieser Funktion zurückziehen, wie er erst kürzlich öffentlich angekündigt hat. Nicht in die Pension, dafür ist die Zeit noch nicht reif, aber jedenfalls aus der ersten Reihe.

Ob er müde in seiner Arbeit für die Diakonie geworden ist, die unter den fünf großen Hilfsorganisationen Österreichs rangiert? „Nein, gar nicht“, lautet die eindeutige Antwort Chalupkas ohne lange nachdenken zu müssen. Die konkrete Arbeit, die Begleitung von, die Hilfe für Menschen gebe ihm eher Kraft, weil er sehe, dass etwas weitergehe. Dennoch räumt Chalupka ein – er ist in der Kategorie Humanitäres Engagement einer der Kandidaten für die Wahl zum Österreicher des Jahres: „Ermüdend ist, dass sich die Bedingungen, unter denen wir versuchen, jedem Menschen über manchmal eine sehr lange Periode seine Würde, seinen Wert zukommen zu lassen, ständig ändern. Ich habe zehn Sozialminister und Innenminister erlebt, die immer andere Vorstellungen haben. In der Politik ist immer alles sehr kurzatmig. Das ist mühsam.“


Schmerzliche Entwicklung. Was sich in dem fast Vierteljahrhundert, in dem er als Direktor die Diakonie führt, politisch oder gesellschaftlich geändert hat? Chalupka antwortet so: „Als Theologe ist es für mich schmerzlich, wenn der Grundkonsens einer Gesellschaft, dass der Wert und die Würde eines Menschen unabhängig von seiner Leistung besteht, in Frage gestellt ist.“ Damit bezieht er sich direkt auf die besonders im Wahlkampf debattierte Mindestsicherung, und ob diese nur jenen in vollem Umfang zustehen solle, die in das Sozialsystem schon etwas einbezahlt hätten. „Da bewegen wir uns auf einem sehr schmalen Grat“, mahnt der ausgebildete Religionslehrer und Pfarrer. Den Leistungsbegriff findet er per se nicht schlecht. Nur, wie er anfügt: „Er passt für ganz viele Gruppen nicht. Für kleine Kinder passt er nicht, für alte Menschen passt er genauso wenig.“


Immer wieder Migration. Gleichzeitig vergisst er nicht, das Positive zu erwähnen, das sich in den vergangenen fast 25 Jahren verändert hat. Chalupka: „In vielen Bereichen ist sehr viel weitergegangen. Inklusion von Menschen mit Behinderung ist sehr viel mehr ins Bewusstsein gerückt. Auch in der Betreuung für Menschen im Alter ist sehr viel weitergegangen.“

„Schwieriger“ geworden sei hingegen, so der Direktor der Diakonie, deren Mitarbeiterzahl sich während seiner Amtszeit verdoppelt hat, dass die Themen Migration und Ausländer vieles überformten und dass sie vielfach überhaupt zum einzigen Thema der öffentlichen Diskussion geworden seien. Chalupkas erhebt einen Einwand: „95 Prozent der Mitarbeiter bei uns arbeiten in anderen Bereichen. Da kreist in der Öffentlichkeit viel zu viel Aufmerksamkeit um dieses Thema.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2017)

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