Taxify: Ein Zwerg verfolgt den Riesen Uber

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Zwei estnische Brüder überziehen Europa mit ihrem Fahrdienst Taxify – jetzt auch Wien. Fahrer sollen mehr verdienen, Gäste weniger zahlen. Beim Spagat hilft Geld aus China.

Wien. Markus Villig hat große Pläne. Der 23-jährige estnische Programmierer und Universitätsabbrecher macht in Interviews kein Geheimnis daraus: Sein Fahrdienstvermittler Taxify soll die Nummer eins in Europa und Afrika werden. Zu Jahresende könnte das bereits in zehn Ländern gelungen sein, versprach er im Sommer. Jetzt ist einmal Wien dran.

Taxify? Was ist das? Das Selbstbild ist klar. Taxify sei ein „sympathisches Unternehmen aus Europa“, heißt es schlicht. Heißt: Wir sind die Guten aus dem pulsierenden estnischen IT-Milieu. Und wir haben sicher nichts mit dem Giganten Uber aus dem Silicon Valley gemein, der mit unschönen Skandalen rund um sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, rechtlichen Rückschlägen und Protesten von Mitarbeitern und Gewerkschaften rund um die Welt in den Schlagzeilen steht.

Dabei sind die Modelle fast ident. Uber wie Taxify vernetzen auf ihrer Plattform Fahrer mit Kunden und zweigen für den Dienst Provision ab. Die Esten wollen aber das gewissenhafte Uber sein. Sie verlangen 15 statt der dort üblichen 25 Prozent von ihren Fahrern, bieten ihnen Schulungen, Loyalitätsprämien und Bargeldzahlungen an. Und dabei soll der Kunde dennoch zehn Prozent günstiger aussteigen als bei der Konkurrenz, bei deren unregulierten Tarifen Taxiinnungen bereits Bauchweh bekommen.

Stellvertreterkriege

Das Unternehmen erklärt die Win-win-Situation mit einem schlanken Geschäftsmodell. Und so habe sich Taxify in den vergangenen vier Jahren langsam vom Baltikum nach Zentral- und Osteuropa, Afrika und in den Mittleren Osten vorgetastet, um nun in rasanter Geschwindigkeit mit London, Paris und Wien eine umkämpfte Stadt nach der anderen zu entern.

Doch da steckt natürlich mehr dahinter. Beispielsweise Didi Chuxing. Der chinesische Fahrdienstvermittler mit 400 Millionen Nutzern und einer Bewertung von 42,5 Mrd. Euro gibt den Esten Rückendeckung. Didi hält seit August 13 Prozent der Firma mit Sitz in Tallinn, dafür sollen mehrere zehn Millionen Euro geflossen sein. Die Akquisition passt in das Muster der Chinesen: Nachdem sie Uber 2016 aus ihrem Heimmarkt verdrängt haben und in Südostasien, Indien und den USA die jeweils stärksten Konkurrenten sponsern, beginnt der Kampf um die Vorherrschaft in Europa. Als Stellvertreter schickt man die sympathischen Esten, die im Wettbewerb um die Fahrgastgunst und die Marktanteile ethisch korrekt die Preise unterbieten sollen.

Markus Villig, der das Unternehmen gemeinsam mit seinem Bruder und einem Freund 2013 gründete, aber meistens allein auftritt, beschrieb den Anteilseigner in Interviews als zurückhaltend. Didi würde sich zurzeit nicht in die Strategie oder Unternehmensführung einmischen. Seine Firma bleibe natürlich estnisch.

Der Kampf ist trotz des Geldpolsters aus China ein ungleicher: Taxify ist nach dem Start in Wien in 29 Städten vertreten, Uber in fast 600. Andererseits müssen sich beide denselben rechtlichen Gegebenheiten beugen. Den Esten, die je nach Stadt Taxis oder private Mietwagenfirmen einsetzen, wurde kurz nach dem Start in London wieder die Lizenz entzogen, die sie ihren Vorgängern abgekauft hatten. Bisher sind sie – wie auch Uber – noch nicht wieder zurück im Rennen. In Paris wollen die Taxifahrer Taxify wegen des irreführenden Namens klagen. Und in Wien hat die Innung gegenüber der „Presse“ bereits erklärt, man werde den Esten das Leben nicht leichter machen als den US-Amerikanern. „Sympathisches Unternehmen aus Europa“ hin oder her. (loan)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2017)

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