Niki-Pleite: 1000 Jobs verloren, 40.000 Passagiere betroffen

FILE PHOTO: An aircraft operated by German carrier Niki and Air Berlin sits on the tarmac of Berlin's Tegel
FILE PHOTO: An aircraft operated by German carrier Niki and Air Berlin sits on the tarmac of Berlin's TegelREUTERS
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Nach dem Nein der EU lässt die Lufthansa die Air-Berlin-Tochter fallen. Niki ist jetzt auch pleite, der Flugbetrieb wird ab 14. Dezember eingestellt. Die Regierung kündigt schnelle Hilfe für gestrandete Passagiere an.

Wien. Es wurden schon Tickets für nächstes Jahr verkauft. Daraus wird nun nichts mehr werden, nicht einmal aus den Flügen ab Wien am heutigen Donnerstag: Die wurden Mittwochnachmittag gestrichen, nachdem sich die Ereignisse bei Niki, der Österreich-Tochter der insolventen Air Berlin, überschlagen haben. Nachdem die EU der Lufthansa die Genehmigung für die Übernahme von weiten Teilen der Air Berlin und der bisher nicht insolventen Niki verweigert hatte, zog die AUA-Mutter umgehend das Übernahmeangebot zurück. Und stellte sofort die Zwischenfinanzierung von monatlich 40 Millionen Euro ein. Die Folge: Die österreichische Air-Berlin-Tochter Niki ist zahlungsunfähig und hat den Flugbetrieb mit sofortiger Wirkung eingestellt. Weitere Flüge sind nicht mehr buchbar. Die Flugzeuge bleiben ab dem 14. Dezember am Boden.

Von der Pleite der österreichischen Fluggesellschaft Niki könnten bis Weihnachten insgesamt rund 40.000 Passagiere, davon 5000 in Österreich, betroffen sein. Das sagte der Sprecher des Verkehrsministeriums in Wien. Es gebe "Schätzungen, dass es in den nächsten zwei Wochen fast an die 10.000 sein können". Diese Zahl müsse allerdings noch verifiziert werden.

"Das wichtigste ist jetzt einmal, dass diese Passagierinnen und Passagiere, wo's nicht anders geht, auch nach Hause geholt werden", so Verkehrsminister Jörg Leichtfried. Es habe schon mehrere Gespräche auf Regierungsebene gegeben. "Ich bin der Meinung, das muss geschehen und ist insbesonders jetzt knapp vor Weihnachten natürlich unbedingt notwendig." Es werde mit der AUA gesprochen, "inwieweit das möglich ist". Die Umstände müssten noch geklärt werden.

Der Mutterkonzern Air Berlin bestätigte am Mittwochabend, dass ein Insolvenzantrag für die österreichische Tochter gestellt worden sei. Auch ein anderer Käufer sei kurzfristig nicht gefunden werden. Der Flugbetrieb von Niki werde eingestellt. Laut Niki-Chef Lackmann verlieren somit 1000 Mitarbeiter ihre Arbeitsplätze.

Zuvor hatte bereits eine Sprecherin der Berliner-Justiz zu Reuters gesagt, beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg sei ein Eigenantrag auf die Eröffnung eines Insolvenzantrags für Niki eingegangen sei. Das Gericht prüfe dies nun.

1 Warum hat die EU-Kommission die Übernahme von Niki nicht genehmigt?

Die EU-Kartellbehörde hat aus Wettbewerbsgründen schwere Bedenken. Sie hat „klar signalisiert“, dass eine Übernahme und Integration von Niki in die Lufthansa-Tochter Eurowings „aktuell nicht genehmigungsfähig ist“. Die Lufthansa hat zwar zuletzt weitere Zugeständnisse gemacht, indem sie anbot, Start- und Landerechte (sogenannte Slots) an Konkurrenten abzugeben. Doch das hat Brüssel offenbar nicht gereicht. Die Lufthansa bildet mit Swiss, AUA und Brussels die größte europäische Luftfahrtgruppe. Luftfahrt-Experten geben zu bedenken, dass die Lufthansa möglicherweise zu hoch gepokert habe. Möglicherweise habe sich auch die Aussage des Air-Berlin-Generalbevollmächtigten Frank Kebekus, die Lufthansa sei und bleibe der einzig zuverlässige Kaufinteressent, als Schuss ins Knie erwiesen. Brüssel habe das möglicherweise als Drohung interpretiert.

2 Was bedeutet die Insolvenz für Mitarbeiter und Passagiere?

Air Berlin kündigte nun zwar an, einen alternativen Käufer zu finden. Niki Lauda, der die Airline übrigens ebenfalls aus der insolventen Aero Lloyd gegründet hatte, zeigt zwar nach wie vor Interesse – aber die Uhr ist vorerst abgelaufen. Laut dem Insolvenzexperten Alexander Klikovits vom Kreditschutzverband (KSV) war rasches Handeln gefordert. Wenn die Finanzierung wegfalle, "ist das Insolvenzrecht eindeutig, wo es heißt, dass ohne schuldhaftes Zögern Insolvenz zu beantragen ist", so Klikovits. Dass die Niki Luftfahrt GmbH als im österreichischen Firmenbuch eingetragene Gesellschaft in Deutschland und nicht in Österreich Insolvenz beantragt, ist laut Experten nach Regeln für internationale Insolvenzverfahren möglich, aber in der Praxis sehr selten.
Die Insolvenz bedeutet, die 28 Flugzeuge müssen am Boden bleiben. Der Flugplan hat seine Wirksamkeit verloren, teilte Niki mit. Damit sitzen rund 60.000 Passagiere täglich fest und rund 800.000 Tickets wären wertlos. Bei Niki verlieren rund 1000 Beschäftigte den Job. Auch die Slots von Niki gehen verloren.

3 Wie könnte das Chaos in der Reisezeit um Weihnachten noch verhindert werden?

Die noch amtierende österreichische Regierung hat rasch reagiert: Die Minister Jörg Leichtfried, Hans Jörg Schelling und Thomas Drozda haben noch am Mittwochnachmittag beschlossen, dass gestrandete Niki-Passagiere zurückgeholt werden. Ersten Schätzungen zufolge sind das bis zu 10.000 Reisende in den nächsten zwei Wochen. Dazu soll die AUA mit Charterflügen beauftragt werden, sagte Leichtfried-Sprecher Andreas Strobl zur „Presse“.

Laut Niki organisieren mehrere Fluggesellschaften derzeit eine Rückholaktion auf Standby-Basis gegen ein geringes Entgelt aus dem Ausland nach Deutschland, Österreich und die Schweiz. Der Ferienflieger TUIfly "wird sich zu unserem Bedauern nicht an dieser Lösung beteiligen", schrieb Niki.

4 Gibt es überhaupt ernsthafte Kaufinteressenten?

„Mein Interesse ist aufrecht“, sagt Niki Lauda im Gespräch mit der „Presse“. Der Formel-1-Weltmeister und Airline-Unternehmer (Lauda Air und Niki) hatte mit der Thomas-Cook-Tochter Condor für Niki geboten. Er ist jedoch der Lufthansa und der britischen Billig-Airline EasyJet unterlegen. Letztere übernimmt einen kleinen Teil der Air-Berlin-Flotte – der Deal wurde von der EU ohne Auflagen genehmigt. Er werde „die Sache“ beobachten und gegebenenfalls die Airline aus der Pleite kaufen, sagte Lauda.

5 Hat eine kleine Fluglinie wie Niki überhaupt eine Chance?

Die Antwort gibt der Markt – und der ist vom extremen Wettbewerb und Preiskampf geprägt. Europas Luftfahrt ist äußerst zersplittert: Während in den USA – mit etwa gleich viel Bewohnern – vier große Fluglinien dominieren, tummeln sich in Europa abgesehen von Lufthansa, British Airways, Air France/KLM und Ryanair noch 150 kleinere Anbieter. Deshalb war das Geschäftsmodell von Lauda, Niki an die Air Berlin und deren Vertrieb, Ticketverkauf, Netzplanung und Marketingzu koppeln, richtig. Allein hat Niki kaum Chancen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2017/APA)

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