VW treibt Börsenpläne für Lastwagen-Sparte voran

Der künftige VW-Chef Herbert Diess soll die neue Führungsstruktur am Freitag im Aufsichtsrat erläutern
Der künftige VW-Chef Herbert Diess soll die neue Führungsstruktur am Freitag im Aufsichtsrat erläuternAPA/dpa/Philipp von Ditfurth
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Bringt der VW-Konzern sein Nutzfahrzeuge-Geschäft an die Börse? Schon nächstes Jahr könnte es so weit sein, heißt es. Der neue Konzern soll international führend werden und Schwergewichten wie Daimler Paroli bieten können.

Überschattet von einer anstehenden Rochade an der Konzernspitze treibt Volkswagen den Börsengang seines Nutzfahrzeuggeschäfts voran. Die Erstnotiz sei für das erste Quartal 2019 geplant, wie mehrere mit der Situation vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters sagten. Zur VW-Sparte Truck & Bus zählen die Lkw-Hersteller MAN und Scania, das Nutzfahrzeuggeschäft in Brasilien, die Digitalfirma Rio und Beteiligungen an internationalen Lastwagenbauern. Bestehende Zusagen an Arbeitnehmer wie eine Jobgarantie blieben erhalten, sagten die Insider weiter. Der Sitz des neuen Nutzfahrzeug-Konzerns soll demnach von Braunschweig nach München verlegt werden. VW Truck & Bus wollte sich nicht zu Details äußern.

Eine Unternehmenssprecherin bekräftigte zu einen möglichen Börsengang lediglich: "Wir haben immer gesagt: Wir halten uns alle Optionen offen. Noch ist gar nichts entschieden." Der VW-Aufsichtsrat tagt am Freitag. Unklar ist den Insidern zufolge, ob angesichts des bevorstehenden Chefwechsels Zeit für Beratungen über den Börsengang der Sparte bleibt. Erwartet wird, dass rund um die Ablösung von Konzernchef Matthias Müller ein größeres Stühlerücken im Vorstand beschlossen wird. Der künftige VW-Chef Herbert Diess soll die neue Führungsstruktur  im Aufsichtsrat erläutern, wie mit den Vorgängen vertraute Personen sagten.

Für die Sitzung des Kontrollgremiums war Insidern zufolge bislang geplant, dass die VW Truck & Bus GmbH in eine kapitalmarktfähige AG umgewandelt wird. Weitere Schritte auf dem Weg an die Börse sollten danach folgen. Intern wird den Kennern zufolge ein großer Wurf vorbereitet, das neue Truck-Unternehmen als Kandidat für den Leitindex DAX gesehen. Der Börsengang könne einer der größten in Deutschlands werden, glauben Insider. Der neue Nutzfahrzeugkonzern soll international führend werden und Schwergewichten wie Daimler Paroli bieten können. VW-Truck-Chef Andreas Renschler war lange Jahre bei dem Stuttgarter Rivalen.

Um die Betriebsräte von VW, MAN und Scania für die Börsenpläne zu gewinnen, sollen den Insidern zufolge bestehende Zusagen an die Beschäftigten erhalten bleiben. Dazu gehören Jobgarantien - bei MAN etwa mindestens bis zum Jahr 2025 - und auch Zusagen für Standorte und Investitionen. "Dieses Projekt ist natürlich an gewisse Zusagen gebunden, die wir den Arbeitnehmern gegeben haben", hieß es in Konzernkreisen. Der Sitz des neuen Nutzfahrzeugriesen wird den Insidern zufolge in München sein, wo MAN Truck & Bus angesiedelt ist. Bei Scania in Södertälje soll den Angaben zufolge künftig unter anderem die Federführung für Entwicklung liegen. Der Standort Braunschweig, seinerzeit aus politischen Gründen gewählt, werde aufgelöst. Das Land Niedersachsen ist Anteilseigner von VW.

Im künftigen Truck-Konzern verlören die Großaktionäre an Einfluss, berichtete das "Handelsblatt" am Mittwoch vorab unter Berufung auf Konzernkreise. Im Aufsichtsrat sollten keine Vertreter der VW-Eigentümerfamilien Porsche und Piech, des Landes Niedersachsen oder Katars sitzen. 

Neuer VW-Chef aus Österreich

Bei Volkswagen soll der Aufsichtsrat bereits heute, Donnerstag, einen grundlegenden Personal- und Konzernumbau beschließen. Dabei soll der bisherige VW-Markenchef, der Österreicher Herbert Diess, zum Nachfolger des amtierenden Vorstandsvorsitzenden Matthias Müller bestimmt werden.

Die einzelnen Marken des Konzerns wie VW, Audi, Seat und Skoda sollen dem Vernehmen nach in mehrere Gruppen aufgeteilt werden. So soll die Arbeit in dem großen Konzern effizienter werden.

Die Aufseher zogen ihre Beratungen um einen Tag vor, wie die Deutsche Presse-Agentur am Mittwochabend erfuhr. Ursprünglich war das Treffen am Freitag geplant. Ein Sprecher des VW-Aufsichtsrates wollte sich dazu nicht äußern.

Zudem wird mit weiteren Personalentscheidungen gerechnet. So soll Gunnar Kilian, bisher Generalsekretär im Betriebsrat, neuer Personalchef werden und damit auf Karlheinz Blessing folgen. Möglich ist auch, dass Vorstandschef Müller im Konzern bleibt und eine neue Funktion erhält. Der reguläre Vertrag des 64-Jährigen läuft noch bis 2020.

Auch eine Neufassung wichtiger Strukturen sei angedacht, bekräftigten am Mittwoch Quellen aus dem Umfeld des Konzerns. Wie konkret diese Pläne bereits auf der Aufsichtsratssitzung diskutiert oder gar beschlossen werden könnten, blieb jedoch zunächst unklar.

Nach "Spiegel"-Informationen sollen die einzelnen Marken in vier Gruppen aufgeteilt werden - für Volumenmodelle (Kernmarke VW, Skoda, Seat), Oberklasse-Autos (Audi, Bentley), Sportwagen (Porsche, Bugatti, Lamborghini) und Nutzfahrzeuge (MAN, Scania, leichte Nutzfahrzeuge).

Am Dienstag hatte VW überraschend einen Umbau der Führungsetage angekündigt, die Angaben waren mit Blick auf weitere Details aber noch sehr vage geblieben.

Aus Aufsichtsratskreisen hieß es, dem seit Herbst 2015 amtierenden Vorstandschef Müller werde intern Entscheidungsschwäche vorgeworfen. Der geplante Umbau soll demnach einen "Aufbruch" beim weltgrößten Autokonzern ermöglichen. Dies gehe unter Müller nicht schnell genug, hieß es mit Blick auf den grundlegenden Branchenwandel.

Der 59-jährige Diess galt bereits länger als "Kronprinz" Müllers. In seiner Zeit als Chef der Marke VW mit Modellen wie Golf oder Passat hat er die Effizienz beim ertragsschwachen Autobauer bereits verbessert. Er scheut auch Konflikte mit dem Betriebsrat nicht, gilt in Teilen der Belegschaft aber auch als umstritten.

Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer lobte die Berufung von Diess als gute Wahl. Zugleich warnte er vor einer Personalunion als Vorstandsvorsitzender und VW-Markenchef. "Unter (den früheren Vorstandschefs Martin) Winterkorn und (Ferdinand) Piëch hat man gesehen, dass die Gefahr des Besserwissers und Alleinentscheiders an der Spitze sehr groß ist", sagte Dudenhöffer der "Passauer Neuen Presse" (Donnerstag).

Den letzten tiefgreifenden Umbau hatte Volkswagen 2012 vollzogen. Damals hatte der Konzern unter anderem die Allianz seiner Nutzfahrzeug-Geschäfte vertieft, die Aktivitäten in China ausgebaut und Dutzende Management-Positionen neu besetzt - bei VW selbst, Audi, den leichten Nutzfahrzeugen, Bentley und in anderen Bereichen.

Auch "Dieselgate" erhöhte dann den Druck, Kosten einzusparen. 2015 wurde eine Trennung von Konzern- und Markenfunktionen angeschoben. Die Verantwortung der Vertriebsregionen wurde ebenfalls gestärkt. So schuf VW eine eigene Marktregion Nordamerika, wo die Kernmarke lange der Konkurrenz hinterherfuhr. Später rief Müller die "Strategie 2025" aus - ein Ziel war der Abbau des Zentralismus im VW-Reich. "Es ist jetzt auch möglich, die Dinge zu delegieren", sagte er 2016.

(Reuters)

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