Marmeladehersteller Darbo: Im Wettlauf mit Wetter, Händlern - und Hausfrauen

Fällt die Erdbeerernte gut aus, friert der Tiroler Hersteller Darbo Massen ein. Sie müssen für schlechtere Jahre vorhalten.
Fällt die Erdbeerernte gut aus, friert der Tiroler Hersteller Darbo Massen ein. Sie müssen für schlechtere Jahre vorhalten.(c) Bernhard Kux
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Der Klimawandel macht Marmeladehersteller Darbo das Leben schwer. Früchte werden teurer. Preise gebe er an Kunden weiter. Sie sind wie sein Obst großteils aus dem Ausland.

Früher hatten es Marmeladehersteller leichter. Sie kauften die Marillen und Erdbeeren, kochten sie ein – und im nächsten Jahr ging alles schön planbar von vorn los. „Das Klima war regelmäßiger“, sagt Martin Darbo. „Heute kaufen wir in guten Jahren viel mehr auf Vorrat, weil wir nicht wissen, was die Zukunft bringt.“

Martin Darbo sitzt im obersten Stock eines großen Industriegebäudes an der Inntalautobahn. Hier oben hört man den Verkehr nicht, man sieht nur die hohen Berge zu beiden Seiten vor dem blauen Himmel aufsteigen. Von außen erkennt man auch nicht, was hier produziert wird – würde nicht ein kleines Schild an der Einfahrt darauf hinweisen: Hier sitzt das 1879 gegründete Familienunternehmen Darbo, bekannt für Marmelade, Sirup, Honig.

Österreich ist schon satt

Dreht Vorstand Martin Darbo den Kopf etwas nach links, sieht er auf ein raumfüllendes Baugerüst. Nicht besonders schön. Aber die Lagerhallen sind zu klein geworden. Die Fläche wird bis Jahresende mehr als verdoppelt. Darbo wächst. Das verdankt man nicht dem österreichischen Markt. Der ist gesättigt. „Wir haben um die 60 Prozent im Marmeladeregal. Wir arbeiten hart, um das zu halten“, so Darbo. In guten Jahren kommt noch ein Prozent dazu, etwa durch Neueinführungen wie jüngst das Fruchtmousse „Tagtraum“.

Der Name passt zum künstlerischen Werbeauftritt der Firma. Den hat Ex-Chef Klaus Darbo in den Achtzigern persönlich miterfunden. 2009 zog er sich zurück. Seine vier Söhne teilten den Betrieb unter sich auf. Aber darüber redet Martin Darbo nicht gern. Das Produkt und die Werbung sollen im Vordergrund stehen, nicht die Familie. Also zurück zum Wachstum: „Die großen Zuwächse und Investitionen verdanken wir dem Export“, sagt er. Mit den gut gehenden Hauptmärkten Deutschland und Italien und 53 weiteren Absatzländern wuchs die Firma in der 2000-Seelen-Gemeinde Stans in den vergangenen Jahren verlässlich einstellig. Die Exportquote liegt bei 51 Prozent. Werden im Juni die Zahlen für 2017 präsentiert, wird sie wieder höher sein.

Irgendwann mussten die Tiroler wählen: Füllen sie für Eigenmarken ab oder bleiben sie reiner Markenproduzent? Man entschied sich schon aus Kapazitätsgründen für Letzteres. Dass seine Händler mit ihren Linien zu Konkurrenten mutieren, kommentiert Darbo knapp: „Es muss mir egal sein, unter welchem Namen der Mitbewerber läuft.“ Die größte Konkurrenz, das betonte schon der Vater gern, seien die Hausfrauen. „In starken – oder für uns schwachen – Jahren kochen sie nach wie vor mehr Marmelade ein als sie im Supermarkt einkaufen.“

Für alle, die lieber zukaufen, werden 15.000 Tonnen Obst pro Jahr verarbeitet. Sie kommen großteils „aus der erweiterten Nachbarschaft Österreichs“: Italien, der Schweiz, Serbien, Ungarn, Skandinavien. In Österreich habe sich keine Industrie herausgebildet. Liegt das am Lohnniveau? Nein, er kaufe ja auch in der Schweiz, sagt Darbo. Und der Anbieter im Niedriglohnland wisse sehr wohl, was die internationale Konkurrenz verlangt.

Das russische Risiko

Billiger werden die Rohstoffe nicht. Klimabedingte Preisschwankungen sind eine Herausforderung. „Aber als Darbo habe ich keine Wahl. Ich brauche genau die Erdbeere. Ich kann nicht auf eine schlechtere ausweichen.“ Davor gibt er die Preise – so weit möglich – an die Kunden weiter. Die will er in den nächsten Jahren hauptsächlich in Europa dazugewinnen. „Je weiter man weggeht, desto mehr unterliegt man Währungsschwankungen.“ Darbo spricht aus Erfahrung: In Russland holte er sich durch den Rubelverfall ein paar blaue Flecken. Ihm seien berechenbare Märkte lieber.

Generell ist Martin Darbo kein Risikospieler. Seine Philosophie: „Neues einbringen ist nicht verboten. Aber was funktioniert, soll man nicht ändern.“ So steht er auch zur Frage einer Produktionsverlagerung weg aus Tirol: Hier habe man zwar eine behäbige Bürokratie und den allgegenwärtigen Fachkräftemangel, aber eben auch Kaufkraft, Stabilität und alle Abteilungen in Rufweite. „Es wäre illusorisch zu glauben, dass wir die Infrastruktur und Innovation einfach woanders hin transplantieren und im Billiglohnland die gleiche Qualität bei der Rampe herauskommt.“

Apropos Fachkräfte: Heute muss Darbo die Stelle des Marmeladekochs oft dreimal ausschreiben. Aber akut sei das Problem noch nicht, sagt er. Schließlich habe man noch keinem sein Marmeladeglas vorenthalten müssen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2018)

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