Sitzt der neue Thyssenkrupp-Chef auf einem Schleuderstuhl?

AFP (PATRIK STOLLARZ)
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Der deutsche Paradekonzern Thyssenkrupp hat wegen aktivistischer Aktionäre seinen Aufsichtsratspräsidenten verloren und seinen CEO. Auch der Interimschef möge bald gehen, fordert Investor Elliott.

Der US-Investor Elliott hat sich gegen eine längere Amtszeit von Thyssenkrupp-Vorstandschef Guido Kerkhoff ausgesprochen und auf einen Kurswechsel bei dem kriselnden Mischkonzern gepocht. Kerkhoff könne bis zur Wahl eines neuen Chefs dem Unternehmen zwar eine gewisse Stabilität verleihen, teilte der Thyssenkrupp-Anteilseigner in einem am Donnerstag veröffentlichten Brief an den Aufsichtsrat mit. "Allerdings muss diese Interimszeit kurz gehalten werden, damit Thyssenkrupp schnell wieder auf einen Erfolgs- und Wachstumskurs gebracht werden kann." Der neue Chef müsse von außen kommen. Kerkhoff hatte zuvor gegenüber den Mitarbeitern erste Akzente gesetzt. Er wolle alle bisherigen Geschäfte nach vorne bringen, die Kosten senken und die Sparten auf Rendite trimmen. "Die Forderung unserer Aktionäre nach einer Wertsteigerung ist berechtigt."

Thyssenkrupp steht unter dem Druck renditehungriger Investoren wie dem Großaktionär Cevian, der 18 Prozent der Anteile hält, und Elliott. Der Fonds hält zwar weniger als drei Prozent an Thyssenkrupp, hat aber seit seinem Einstieg für viel Wirbel gesorgt. Der Fonds des US-Milliardärs Paul Singer ist gefürchtet und hat schon vielen Managern Beine gemacht. In dem Brief umschrieb Elliott sein Handeln gegenüber dem zurückgetretenen Vorstandschef Heinrich Hiesinger und dem vor dem Abgang stehenden Aufsichtsratschef Ulrich Lehner als das eines "verantwortlichen, besorgten und engagierten Investors". Entgegen den Andeutungen Lehners habe Elliott nie eine Zerschlagung des Konzerns gefordert. Dennoch sollte das Unternehmen weiterhin jede strukturelle Entwicklung in Betracht ziehen, wenn sie im Interesse aller Interessengruppen sind, wie beispielsweise das Stahl Joint Venture mit Tata Steel.

Der Investor verwahrte sich in dem Schreiben gegen Äußerungen Lehners, der in einem Interview der Wochenzeitung "Die Zeit" das Verhalten "einzelner aktivistischer Investoren" als "Psychoterror" bezeichnet habe. "Jeder vernünftige Leser des Interviews kommt zu dem Schluss, dass er Elliott eines solchen Verhaltens bezichtigt." Diese Anschuldigungen seien kategorisch falsch und verleumderisch. "Da Professor Lehner keine Beweise für solche Anschuldigungen haben kann, gehen wir davon aus, dass er die Anschuldigungen böswillig oder zumindest rücksichtslos gemacht hat", kritisierte Elliott und setzte nach: "Wir halten es daher für angemessen, dass sich das Unternehmen und der Aufsichtsrat von Professor Lehners diffamierenden Äußerungen distanzieren, indem sie öffentlich erklären, dass das Unternehmen diese nicht teilt und sie nicht als wahrheitsgemäß ansieht."

Kerkhoff: Alle Bereiche voranbringen

Thyssenkrupp wollten sich dazu nicht äußern. Ein Sprecher Lehners wies die Vorwürfe zurück: "Herr Lehner hat nie Elliott oder Cevian in Verbindung mit Psychoterror gebracht", sagte ein Sprecher des früheren Henkel-Chefs, der Ende des Monat sein Amt im Kontrollgremium von Thyssenkrupp niederlegen will.

Thyssenkrupp-Chef Kerkhoff hatte sich am Abend zuvor in einer Videobotschaft an die Mitarbeiter gewandt. Der Aufsichtsrat habe das klare Mandat erteilt, den bisherigen Weg bis auf weiteres mit allen Geschäften fortzusetzen, sagte der Manager in der Botschaft, die in Textform der Nachrichtenagentur Reuters vorlag. Cevian und Elliott haben sich dafür ausgesprochen, alle Sparten unter die Lupe zu nehmen, die Rendite zu steigern oder die Geschäfte abzustoßen. Diese umfassen neben dem Stahl auch den Anlagenbau, Autoteile, Aufzüge oder U-Boote.

Kerkhoff bereitete die 158.000 Mitarbeitern auf Veränderungen und weitere Kostensenkungen vor. "Wir müssen aber auch ehrlich sein: Trotz aller Anstrengungen und Veränderungen haben wir noch nicht alles erreicht, was wir uns vorgenommen haben." Thyssenkrupp müsse endlich wieder genügend Geld verdienen. Der 50-Jährige machte allerdings deutlich, dass er den Konzern nicht um jeden Preis auf Rendite trimmen werde. "Wichtig ist uns dabei aber der nachhaltige Erfolg. Dafür brauchen wir immer eine gute Balance, die die Interessen von Kunden, Mitarbeitern und Aktionären ausgewogen berücksichtigt", betonte der Manager. "Kurzfristige Renditemaximierung auf Kosten der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens ist nicht unser Ziel." 

(Reuters)

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