Günther Helm trieb Hofer den letzten Diskontmief aus und die Supermärkte vor sich her. Jetzt tritt der 39-jährige Chef überraschend ab.
Wien. Günther Helm verbringt viel Zeit im Flugzeug. 900 Filialen und 20.000 Mitarbeiter in Österreich, der Schweiz, Slowenien, Ungarn und Italien wollen gemanagt werden. Wäre Helm nur für Österreich zuständig, wäre die Sache einfach. Aber da er aus seiner Zentrale diese – und ein paar nicht unwichtige Märkte wie die USA, China und Australien – für den Mutterkonzern Aldi Süd dirigiert, sieht man ihn dort im oberösterreichischen Sattledt selten.
Und ab dem ersten Dezember gar nicht mehr. Da gibt Helm das österreichische und das internationale Geschäft der Aldi-Gruppe nach acht Jahren als Vorstand an seinen Nachfolger, Horst Leitner, ab. Das erfuhren Mitarbeiter und Öffentlichkeit gestern, Mittwoch, recht kurzfristig.
Leitner ist ein Konzernurgestein mit 26 Jahren Erfahrung und seit 2016 einer der US-Vorstände, die Helm manche Flugreise nach Kalifornien erspart haben. Die Konzernmutter, Aldi, soll dennoch sehr traurig gewesen sein, Helm zu verlieren. Es sei Helms „sehr persönliche Entscheidung“, heißt es in einer Aussendung. Konkreter hört man: Dem 39-Jährigen winkt ein Posten im neuen Jahr, der so verlockend ist, dass ihn auch die Aldi-Führung nicht mehr davon abbringen konnte.
Die Eroberung Italiens
Wieso sie den Mann, der es in sieben Jahren vom Regionalverkaufsleiter zum Vorstand brachte, ungern hergibt, erklärt das jüngste Beispiel aus Italien: Seit Frühling exerzierte Helm für die Deutschen eine generalstabsmäßig vorbereitete Eroberung des norditalienischen Markts durch. 30 Filialen waren es im Sommer, „ein paar Hundert“ könne er sich vorstellen. So systematisch-kühl trieb er auch in anderen Ländern die Konkurrenz vor sich her.
Das beste Beispiel ist Österreich selbst, wo Hofer den zwei Großen Spar und Rewe (Billa, Merkur) mittlerweile 21 Prozent Marktanteil abgerungen hat und 4,1 Mrd. Euro umsetzt. Der letzte Diskontmief musste dafür Bioprodukten, frischem Brot, schickem Ladendesign und Regionalität weichen. „Smarter statt harter Diskont“ lautete Helms Devise.
Und er gab den Österreichern, was sie wollten: ein gutes Gewissen zum guten Preis. In den vergangenen Jahren kümmerte sich Hofer um fast alle Sorgenkinder: Bienen, Tierhaltung, Umweltschutz. Man ist gegen Plastiksackerln und Palmöl und für autark produzierten CO2-freien Strom. „Wir wollen ein guter Nachbar, ein Good Citizen, die Sympathischen sein“, sagte Helm im Sommer zur „Presse“.
Schweigsamer Manager
Wie es jetzt ohne ihn weitergeht? Leitner spreche dieselbe Sprache wie Helm, heißt es. Für Kontinuität in den Expansionsplänen sei gesorgt, der Übergang soll Ende des Monats harmonisch vonstattengehen. Und der „offene Kurs in der Kommunikation“ werde beibehalten. Wobei man hier wissen muss: Die Österreicher sind zwar offener als ihre deutschen Kollegen. Pressetermine waren bei Helm aber Seltenheit, und auf Nachfragen nach Investitionen oder Gewinn antwortete er zugeknöpft: „Mit Zahlen haben wir es nicht so.“
Ähnliches trifft auf das Reizthema Onlinehandel zu. Amazon hat Ambitionen, Lebensmittel in Österreich auszuliefern? Helm lakonisch: Er beobachte die Konkurrenz. Das muss reichen.
Günther Helm hat es nicht so mit großspurigen, medienwirksamen Ankündigungen. Diskret ließ er bei der Zustellung im Ausland Testballons steigen. Und meinte dazu bloß: „Das passiert alles nicht zufällig.“ Bleibt abzuwarten, ob Leitner mehr ins Detail geht.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2018)