Ein Kindertraum darf vorerst weiterleben

1961 brachte Kettler das erste Kettcar auf den Markt. Die Inspiration dazu fand Gründer Heinz bei einer Reise in die USA.
1961 brachte Kettler das erste Kettcar auf den Markt. Die Inspiration dazu fand Gründer Heinz bei einer Reise in die USA.(c) Archiv
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Der Kettcar-Hersteller Kettler kämpft ums Überleben. Die jüngste Zeit war von Krisen geprägt.

Christina hatte, wovon viele einst nur träumen konnten: ein Kettcar, ein Tretauto für Kinder. Denkt sie an dieses zurück, gerät sie ins Schwärmen. Auf dem Gutshof ihrer Tagesmutter sei sie einst damit herumgefahren. Sie und eine Handvoll Buben. „Alle haben die ganze Zeit auf dem Kettcar verbracht“, sagt sie. Es war eine schöne Zeit.

Doch das ist Vergangenheit. Die Kettcar-Mutter Kettler kämpft ums Überleben. 57 Jahre nachdem das millionenfach verkaufte Gefährt seine ersten Abnehmer fand. Die letzte Zeit war für den deutschen Hersteller aus Ense-Parsit im Bundesland Nordrhein-Westfalen äußerst turbulent. Der Niedergang kam schleichend. Da half auch die Eintragung im „Duden“ nichts.

Heinz Kettler gründete das Unternehmen im Jahr 1949. Campingstühle hatte man ebenso im Programm wie Tischtennisplatten, Heimtrainer oder Gartenmöbel. Das Nachkriegsdeutschland war von Wachstum geprägt, und Kettler schwamm auf der Erfolgswelle mit. Noch in den 1980er- und 1990er-Jahren erfreuten sich die Produkte, allen voran das Kettcar, großer Beliebtheit, wenngleich es damals schon zum ersten harten Einschnitt kam. Kettlers Sohn, Heinz junior, verunglückte bei einem Autounfall. Immer wieder lautete der Vorwurf, dass der Vater es verabsäumt habe, einen Nachfolger aufzubauen. Als dann auch Kettler senior, der bis zum Schluss im Unternehmen aktiv war, im Jahr 2005 starb, gingen Unternehmen und Vermögen auf Tochter Karin, eine Biologin, über. Karin Kettler war zwar Erbin, aber – so unkte man – keine Unternehmerin. Ihr fehle die Strategie und den teuer hergestellten Produkten die Innovation.

Schon bald nachdem die Firma an Karin Kettler gegangen war, machten Meldungen die Runde, dass sich das Unternehmen in einer Absatzkrise befinde und man versuchen müsse, mit Maßnahmen zur Kostensenkung gegenzusteuern.

Eine Insolvenz jagt die nächste. Immer wieder soll deshalb Geld aus dem Privatvermögen der Erbin geflossen sein. Die Strukturen seien verwachsen, man hätte sie schon vor Jahren ändern müssen, kritisierte damals ein leitender Mitarbeiter. Dann kam 2015: Karin Kettler schickte das Unternehmen ihres Vaters in die Insolvenz, um „die unabgestimmte Übernahme durch einen Finanzinvestor zu vermeiden und das Unternehmen neu auszurichten“.

Der Hersteller von Freizeitgeräten hatte zuvor intensive Gespräche mit einer US-Beteiligungsfirma geführt, die bereit war, die Restrukturierung des Betriebs in Angriff zu nehmen. Eine Einigung scheiterte. Der Finanzinvestor entschied sich stattdessen dafür, Kettlers Schulden von den Banken und somit auch die Kontrolle über den Betrieb zu übernehmen – weshalb man die Insolvenz in Eigenverwaltung als einzigen Ausweg sah. Man stieß die Fahrradsparte ab, versuchte, ein neues Kapitel aufzuschlagen, ohne Frau Kettler an der Firmenspitze. Rund ein Jahr später folgte die nächste Tragödie: Karin Kettler verunglückte, wie ihr Bruder, bei einem Autounfall.

Im heurigen Sommer meldete Kettler erneut Insolvenz in Eigenverwaltung an. Gespräche mit einem Investor platzten, weil die Heinz-Kettler-Stiftung sich nicht bereit zeigte, auf dessen Forderungen einzugehen. Sogar die nordrhein-westfälische Landesregierung fühlte sich bemüßigt zu intervenieren. Eine Brückenfinanzierung verschaffte Kettler und seinen rund 720 Mitarbeitern in der Vorwoche nun Luft, und das in letzter Minute. Die Stiftung schoss Geld ein. Nun will man ein neues Kapitel aufschlagen. Damit die Geschichte noch nicht zu Ende ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2018)

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