Seltsame Wesen, die man Unternehmer nennt

Businesswoman giving presentation at meeting PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright SigridxOlss
Businesswoman giving presentation at meeting PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright SigridxOlssimago/PhotoAlto
  • Drucken

Sie arbeiten auf Dauer 60 Stunden pro Woche, haben kaum Freizeit und nur 15 Tage Urlaub, sie gehen nicht in Pension und sind trotzdem zufrieden. Gallup hat diese ungewöhnliche Spezies für die Volksbank Wien befragt.

Wien. Normal ist das nicht: Es gibt unter den Österreichern eine Untergruppe, die eine auffällig andere Einstellung zum Berufsleben hat als die meisten anderen. Man nennt sie Unternehmer. Wir glauben auch zu wissen, wie sie ticken, weil sie ständig befragt werden – über Politik (wirtschaftsfeindlich), Bürokratie (zu viel) und Steuern (zu hoch). Die Volksbank Wien wollte sie nun aber etwas persönlicher kennenlernen und gab bei Gallup eine repräsentative Befragung von 1000 Selbstständigen in Auftrag (auch Freiberufler und Bauern waren anteilig dabei).

Die Ergebnisse sind bestürzend: Diese Menschen arbeiten im Schnitt 58 Stunden wöchentlich, haben also praktisch eine 60-Stunden-Woche. Und zwar nicht als Ausnahme, sondern dauerhaft, wie in den schlimmsten Schreckensszenarien der Gewerkschaft. Sie schuften zudem samstags, im Tourismus oder als Landwirte auch am Sonntag. Freizeit genießen sie kaum, geben sechs von zehn unumwunden zu. Sie haben auch nur drei Wochen Urlaub – also 15 Arbeitstage, weit weniger als alle anderen. Das besonders Irritierende daran ist aber: Sie machen das freiwillig und beklagen sich nicht.

Im Gegenteil: 93 Prozent, also fast alle, sind mit ihrem Leben als Unternehmer „sehr oder eher“ zufrieden. Vier von fünf behaupten, sie würden sich heute nicht anders entscheiden (immerhin: 27 Prozent der Männer und 43 Prozent der Frauen geben zu, dass sie in diese Situation hineingeschlittert sind – durch Familie, Ehe oder Erbe). Dass sie nun aus ihrer Tretmühle kaum rauskommen, stört sie nicht. Paradoxerweise halten sie das für ein Mehr an Freiheit und erklären diese zur wichtigsten Quelle ihrer Motivation.

Glückliche Kunden statt Geld?

Einzig das gewünschte Antrittsalter für die Pension lässt sich vom Mainstream aus nachvollziehen: 64 Jahre. Aber das gilt nur bei den Jüngeren. Wer als Unternehmer den Sechziger hinter sich hat, kann sich von seiner seltsamen Leidenschaft nicht trennen: Der geplante Lebensabend verschiebt sich auf jenseits von 71. Die Älteren nehmen auch noch weniger Urlaub – weil die Kinder, die sie früher dazu drängten, schon außer Haus sind.

Bis dahin lauter harte Fakten, die wir gerne für bare Münze nehmen. Dazu würde freilich auch gehören, dass diese Menschen in der Regel weit mehr verdienen als der durchschnittliche Angestellte und ein hohes Maß an Anerkennung genießen – in der Öffentlichkeit, bei ihren Untergebenen und nicht zuletzt bei der weniger erfolgreichen Konkurrenz. Wir können nicht ganz glauben, dass diese Umstände als Motivationsfaktoren für die unsäglichen Mühen unter „ferner liefen“ rangieren. Glücklich sollen die Unternehmer angeblich vor allem glückliche Kunden machen. Da, so fürchten wir, sind ihre Antworten ein wenig von der sozialen Wünschbarkeit gefärbt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Businessman at cargo harbour wearing safety helmet using smartphone model released Symbolfoto PUBL
Unternehmen

Wie viele Stunden heimische Unternehmer pro Woche arbeiten

Selbständige schuften in Gastronomie, Tourismus und Landwirtschaft am meisten. Im Durchschnitt müssen sie mit nur 21 Urlaubstagen im Jahr auskommen. Dennoch sind sie zufrieden.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.