Ins Reich der Träume – auf zwei Schlittschuhen

Wiener Eisrevue 1945
Wiener Eisrevue 1945© Wienbibliothek im Rathaus
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Eine Ausstellung in der Stadthalle erinnert an Österreichs erste Botschafter in aller Welt nach 1945. Die Showkünstler auf dem Eis waren Aushängeschilder und „Exportschlager“ wie Toni Sailer oder Herbert von Karajan.

Die Wiener Eisrevue – ein Zauberbegriff der Nachkriegszeit. In der Wiener Stadthalle wird zurzeit eine nostalgische Ausstellung gezeigt, die an die große Zeit dieses österreichischen Show-Imperiums erinnert, das erst 1973 an die US-Firma Holiday on Ice verkauft wurde.

Die Wiener Eisrevue, seit 1945 Nachfolgerin des Unternehmens, das der Eiskunstläufer Karl Schäfer aufgebaut hatte, war eine erste Botschafterin des kleinen und noch armen Österreich in Europa und in aller Welt. Nach dem Konzept von Edith und Will (Wilhelm) Petter schuf Robert Stolz ab der Saison 1952/53 Jahr für Jahr eigene Eis-Operetten.

Nicht zuletzt dieser letzte echte Walzerkönig, der nach seiner freiwilligen Emigration aus den USA zurückgekehrt war, half mit, im Ausland Ressentiments gegen Österreich abzubauen. Die Wiener Eisrevue leistete ihren Beitrag, die Marke Österreich nach 1945 wieder positiv zu besetzen. Sie vertiefte das Image Wiens als Stadt des Tanzes und der Musik und warb für den Tourismus. Für Subventionen war damals kein Geld da.

Am 23. Dezember stand alljährlich Wien auf dem Tourneekalender. Eine Tradition, die bis heute eingehalten wird. Zunächst gastierte man auf dem Platz des Wiener Eislaufvereins, dann übersiedelte die Show in den Messepalast und 1958 schließlich in die Wiener Stadthalle Roland Rainers.

Es war ein hartes Geschäft: Für die Geschäftsführer, die täglich die riesige Halle zu verkaufen hatten, aber auch für die Mitwirkenden, wie Ingrid Wendl am Mittwochabend bei der Eröffnung der Ausstellung erzählte. Ein ganzes „Sündenregister“ war im Tourneevertrag verzeichnet. Und kleinste Verfehlungen gegen diese Betriebsvereinbarung wurden mit drakonischen Strafen belegt: Kürzungen auf ein Viertel der Saisongage, die allerdings für die Nachkriegsjahre äußerst verlockend ausfiel. Die größte Schwierigkeit für die Damen des Balletts ebenso wie für die großen Eislaufstars war das Gewicht. Ihre Schlankheit, die im Vertrag auf Dekagramm festgehalten war, mussten sie eine ganze Saison lang beibehalten ...

Die Eisrevue (in Wahrheit zwei Shows, die rund um die Welt tingelten) war so populär, dass sich der Regisseur Geza von Cziffra 1961 über einen Film wagte: „Kauf dir einen bunten Luftballon“ mit dem Publikumsmagneten und Skiweltmeister Toni Sailer, wie der Kurator der Ausstellung, Bernhard Hachleitner von der Wienbibliothek, der „Presse“ schildert.

Eine Showläuferin von Weltrang gab es, die von 1945 an dabei war: Emmy Puzinger. Erst im „hohen Alter“ weit über vierzig trat sie ab. Dreißig Jahre lang ernährte sich die Dame auf ihre Weise: Ein ausgiebiges Frühstück, dann tagsüber gar nichts mehr. Denn jeden Abend schleuderte sie ihr Partner im Kreis, da empfahl es sich, nichts im Magen zu haben.

1958 konnte Wiens Eisrevue neben Emmy Puzinger und Fernand Leemans gleich drei Wiener Europameisterinnen präsentieren: Eva Pawlik (die auch mit ihrem Mann Rudi Seeliger als Paarläuferin brillierte), Hanna Eigel und Ingrid Wendl. Ein solches Staraufgebot konnte das Konkurrenzunternehmen Holiday on Ice zu diesem Zeitpunkt nicht engagieren.

Dann kamen neue Attraktionen und Sensationen. Wer erinnert sich nicht gern an die deutschen Weltmeister Marika Kilius und Hans-Jürgen Bäumler in den Sechzigerjahren? Ab 1968 war dann der letzte österreichische Weltmeister im Eiskunstlauf, Emmerich Danzer, der Topstar.

Reich wurde man als normales Mitglied der Revue nicht, erzählt der Historiker und Kurator Hachleitner. Aber doch wohlhabend. Rund hundert Personen umfassten das Ensemble und der Technikerstab. Die Stars freilich wurden gehandelt wie heutzutage Fußballkönner. Eine Million Schilling pro Saison schätzt man für Emmerich Danzer.

Doch Holiday on Ice rückte der Wiener Konkurrenz immer näher. Und zwar unangenehm. Sie engagierte den österreichischen Olympiasieger von 1968, Wolfgang Schwarz, und dann Trixi Schuba, Olympiasiegerin von 1972. Nur für ein paar Gastauftritte kam Schwarz in die Wiener Eisrevue.

Die letzten zwei eigenständigen Jahre standen unter der Regie des Film-Altmeisters Franz Antel. Doch die Personalkosten wuchsen ständig, die Einnahmen stagnierten. Und obwohl die Eisrevue ab 1945 unablässig Werbung für Wien machte, sah sich das Rathaus nicht in der Lage, eine Subvention lockerzumachen. Eine Kurzsichtigkeit von Bund und Land. Das Ende einer Ära war gekommen, 1971 zeigte sich, dass die Konkurrenz, Holiday on Ice, den längeren Atem hatte. Bis 1973 versuchten sich noch neue Eigentümer (immerhin Robert Opratko und die Solotänzerin Susanne Kirnbauer als Assistentin), aber dann wurde verkauft.

Eine Renaissance dieser wienerischen Institution ist undenkbar, selbst wenn sich ein Investor fände: Das Land hat keine Eiskunstläufer von Weltrang mehr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2014)

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