US-Bürgerkrieg: Die Hinrichtung der "deutschen Laus"

Die Hinrichtung von Henry Wirz am 10. November 1865.
Die Hinrichtung von Henry Wirz am 10. November 1865.(c) Alex Gardner
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Am 10. November 1865 wurde der gebürtige Schweizer Henry Wirz als einziger Offizier der Südstaaten wegen Kriegsverbrechen hingerichtet.

Am 9. April 1865 endete mit der Kapitulation der Südstaatenarmee nach vier Jahren der amerikanische Sezessionskrieg. Um die Versöhnung der Nation voranzutreiben, verzichtete man auf groß angelegte Kriegsverbrecherprozesse. Abraham Lincoln wollte nicht zu sehr den Eindruck des militärischen Siegers hervorkehren, sondern stattdessen die Südstaaten wie „verlorene Kinder“ in die Union zurückführen. Einer jedoch, der für seine Grausamkeiten im Südstaatengefangenenlager Camp Sumter in Andersonville berüchtigt war, wurde vor Gericht gestellt und zum Tode verurteilt: Henry Wirz, ein Schweizer, der 1849 wie Zehntausende seiner Landsleute in die USA emigriert war und als Captain der konföderierten Armee im Bürgerkrieg kämpfte.

Er dilettierte auch als Assistenzarzt, obwohl seine Medizinkenntnisse nur autodidaktisch erworben waren. Als Plantagenverwalter in Louisiana wird er Teil des unmenschlichen Systems der Sklaverei. Er wurde in der Schlacht von Seven Pines mehrfach verwundet, ein Granatsplitter zerfetzte seinen rechten Arm.

"Hölle von Andersonville"

Da er nicht mehr an der Front kämpfen kann, wird er zur Bewachung von Abertausenden von Kriegsgefangenen aus dem Norden eingeteilt. Im tiefsten Süden, in Georgia in dem kleinen Ort Andersonville, kommandiert er eines der größten Internierungslager für gefangene Unionssoldaten, der Ort wird berüchtigt als die „Hölle von Andersonville.“ Das Camp war ursprünglich für 10.000 Gefangene geplant, doch im August 1864 finden sich hier 33.000 Männer. Bald stapeln sich in den improvisierten Unterständen die Leichenberge.

30 Gefangene sterben pro Tag: „Ich bringe mehr Yankees um als 20 Regimenter in Lees Armee“, prahlt Wirz' Vorgesetzter General John Henry Winder. Die meisten Gefangenen erkranken in dem heißen Klima nach wenigen Wochen, sie werden von Ungeziefer geplagt, erhalten verdorbene Nahrung, das Trinkwasser stammt aus einem Bach, der auch als Latrine und Kanalisation dient. Flüchtige werden von Wirz mit Hunden gejagt und in Ketten gelegt. 13.000 Männer sterben hier, ihr Todfeind ist Wirz.

Nach dem Krieg versucht Wirz gar nicht, sich zu verstecken, er ist überzeugt, als einer, der nur seine Pflicht erfüllt habe, davonzukommen. Die Überlebenden stillen ihren Rachedurst nach Kriegsende, die „deutsche Laus“, wie die Presse den Schweizer nennt, gerät in Gefahr, auf offener Straße gelyncht zu werden, als die Zeitungen die Verbrechen von Andersonville enthüllen.

Hinrichtungen im Amerikanischen Bürgerkrieg

Henry Wirz war nicht der einzige Mann, der wegen Geschehnissen im Zuge des Amerikanischen Bürgerkriegs (1861-1865) hingerichtet wurde.

Bereits 1862 wurden mehr als 300 rebellische Sioux-Indianer von einem Militärgericht zum Tod verurteilt - 38 von ihnen wurden am 26. Dezember des Jahres tatsächlich aufgehängt. Diese hatten allerdings keine Kriegsverbrechen begangen.

Als zweiter Mann wegen Kriegsverbrechen wurde der mit den Konföderierten kämpfende Champ Ferguson hingerichtet. Als Rebell gehörte er allerdings nicht den regulären Truppen an. Ferguson tötete mindestens 53 Soldaten der Union, ehe er am 20. Oktober 1865 gehängt wurde.

"Eines der scheußlichsten Ungeheuer"

Zum Prozessbeginn schreibt "Die Presse" am 7. September 1865:

Wenn von den gegen den früheren südstaatlichen Capitän Henry Wirz gerichteten Anklagen sich auch nur ein geringer Bruchteil beweisen lässt, so würde es hinreichen, ihn als eines der scheußlichsten Ungeheuer zu brandmarken, die je ein Krieg erzeugt hat. Die ersten Punkte der Anklage lauten darauf, dass in dem unter des Capitäns Commando stehenden Gefängnisse in Andersonville zehntausend nordstaatliche Kriegsgefangene wegen unzureichender Nahrung, verpesteten Trinkwassers, Mangels an ärztlicher Pflege, furchtbarer Bestrafungen für geringfügige oder erdichtete Vergehen, umgekommen seien; dass dreihundert derselben von den Schildwachen erschossen worden seien, weil sie eine ungenügend bezeichnete und an vielen Stellen imaginäre Grenzlinie überschritten hätten; dass Wirz wilde Bluthunde auf solche Gefangene gehetzt habe, die einen Fluchtversuch machen wollten, wodurch fünfzig zerrissen oder zu Tode verstümmelt worden seien; dass Wirz weiterhin unter dem Vorwande der Vaccinirung (gemeint ist: Impfung) viele Gefangene mit giftiger Materie habe impfen lassen, in Folge dessen ungefähr hundert den Arm und zweihundert das Leben verloren hätten. Trotz alledem finden sich in Newyork Stimmen, und leider sogar in deutschen Journalen, die diesen Mann zu entschuldigen suchen.

"Heldin von Andersonville" gründet Rotes Kreuz

Die Anklage lautet auf Mord und Verschwörung, am 10. November 1865 wird er öffentlich gehängt. „Ich zweifle, dass ich der Captain Wirz bin, von dem in dem Prozess gesprochen wird“, schreibt er in seinem Gnadengesuch an Präsident Johnson. Er war der einzige Offizier der Südstaaten, der für Verbrechen die Todesstrafe erhielt. Seine Schuld an der Unterernährung ist umstritten, sein Vorgesetzter Winder, der Oberkommandierende aller Gefangenenlager östlich des Mississippi, starb bereits im Februar 1865 und konnte nicht mehr belangt werden.

Camp Sumter ist heute rekonstruiert und eine historische Gedenkstätte. Die Ereignisse in dem Lager führten in der Folge zur Gründung des Amerikanischen Roten Kreuzes durch Clara Barton, sie wurde als „Heldin von Andersonville“ bezeichnet.

Das Gnadengesuch vom 6. November 1865

To the President of the United States. Mr. President: With a trembling hand, with a heart filled with the most conflicting emotions, and with a spirit hopeful one moment and despairing the next, I have taken the liberty of addressing you. When I consider your exalted position; when I think for a moment that in your hands rests the weal and woe of millions - yea, the peace of the world - well may I pause to call to my aid courage enough to lay before you my humble petition. I have heard you spoken of as a man ready and willing at all times and under all circumstances to do justice, and that no man, however humble he may be, need fear to approach you: and, therefore, have come to the conclusion that you will allow me the same privilege as extended to hundreds and thousands of others. It is not my desire to enter into an argument as to the merits of my case. In your hands, if I am rightfully informed, are all the records and evidences bearing upon this point, and it would be presumption on my part to say one word about it. There is only one thing that I ask, and it is expressed in few words: Pass your sentence.

For six weary months I have been a prisoner; for six months my name has been in the mouth of every one; by thousands I am considered a monster of cruelty, a wretch that ought not to pollute the earth any longer. Truly, when I pass in my mind over the testimony given, I sometimes almost doubt my own existence. I doubt that I am the Captain Wirz spoken of. I am inclined to call on the mountains to fall upon and bury me and my shame. But oh, sir, while I wring my hands in mute and hopeless dispair, there speaks a small but unmistakable voice within me that says: 'Console thyself, thou knowest thy innocence. Fear not; if men hold thee guilty, God does not, and a new life will pervade your being.' Such has been the state of my mind for weeks and months, and no punishment that human ingenuity can inflict could increases my distress.

The pangs of death are short, and therefore I humbly pray that you will pass your sentence without delay. Give me death of liberty. The one I do not fear; the other I crave. If you believe me guilty of the terrible charges that have been heaped upon me, deliver me to the executioner. If not guilty, in your estimation, restore me to liberty and life. A life such as I am now living is no life. I breathe, sleep, eat, but it is only the mechanical functions I perform, and nothing more. Whatever you decide I shall accept. If restored to liberty, I will thank and bless you for it.

I would not convey the idea to your mind, Mr. President, that I court death. Life is sweet; however lowly or humble man's station may be, he clings to life. His soul is filled with awe when he contemplates the future, the unknown land which the judgment is before which he will have to give an account of his words, thought, and deeds. Well may I remember, too, that I have erred like all other human beings. But of those things for which I may perhaps suffer a violent death, I am not guilty; and God judge me. I have said all that I wished to say. Excuse my boldness in addressing you, but I could not help it. I cannot bear this suspense much longer. May God bless you, and be with you; your task is a great and fearful one. In life or death I shall pray for you, and for the prosperity of the country in which I have passed some of my happiest as well as darkest days.

Respectfully, H. Wirz.

(G.H.)

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