Ausstellung: „Goldene Zeiten“, Goldene Bullen

Grammatiklehrbuch („Donat“) für Maximilian I., in Wien ca. 1465/66 hergestellt.
Grammatiklehrbuch („Donat“) für Maximilian I., in Wien ca. 1465/66 hergestellt.(c) Österreichische Nationalbibliothek
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Die Österreichische Nationalbibliothek zeigt „Meisterwerke der Buchkunst von der Gotik bis zur Renaissance“. Sie erhellen auf prächtige Art eine Periode des Umbruchs.

Die Mühen der Konjugation blieben selbst Habsburger Prinzen wie dem späteren Kaiser Maximilian I. nicht erspart: „Amo, amas, amat . . .“ muss züchtig memoriert werden, bis es sitzt. Zumindest aber hatte ein so hoher junger Herr das Privileg, den Stoff in exklusiven Handschriften präsentiert zu bekommen. In einer davon, der „Doctrinale puerorum“ (1467/69) ist z. B. das Kapitel „De verbis anormalis et defectivis“ mit einem herzigen Initialbild versehen: Der Lehrer hält dem kleinen Max ein offnes Buch mit den lateinischen Formen von lieben entgegen. Später, als Kaiser, hatte Maximilian offenbar Sehnsucht nach seiner Kindheit. Er ließ sich Lehrbücher wie den „Donat“ kommen. Vielleicht hat er darin vor allem die schönen Ranken und Drolerien betrachtet – eine Eule, die eine Maus umkrallt, einen Knaben, der mit einem Bären kämpft, Bilder, die etwas von dem trockenen Stoff ablenken. Jedenfalls war dieser Kaiser einer der ersten Bibliophilen, er regte viele Buchprojekte an. Unter ihm wuchs der Vorläufer der Nationalbibliothek beträchtlich.

Evangeliar des Johannes von Troppau

Benutzt wurden diese Lehrbücher allerdings selten. Es seien kaum Gebrauchsspuren zu erkennen, weiß Andreas Fingernagel, Kurator von „Goldene Zeiten“, der aktuellen Schau im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek. Präsentiert werden hier „Meisterwerke der Buchkunst von der Gotik bis zur Renaissance“ – als Auftakt für eine Serie von Ausstellungen in elf weiteren bedeutenden Bibliotheken, wie ÖNB-Generaldirektorin Johanna Rachinger ankündigt. Unter anderem beteiligt sich auch das Stift Klosterneuburg daran. Die 80 Objekte, die nun in Wien zu sehen sind, zählen jedenfalls zu den bedeutendsten schriftlichen Zeugnissen aus dem Herbst des Mittelalters, aus einer radikalen Umbruchszeit. Die Wiener Universität wurde gegründet, der Buchdruck erfunden, Amerika lockte die Entdecker aus Europa.

Gleich zu Beginn, thematisch geordnet in 16 Vitrinen, wird eine Rarität präsentiert: Das Evangeliar des Johannes von Troppau wurde von Herzog Albrecht III. in Auftrag gegeben, vielleicht sogar bereits von seinem 1365 verstorbenen Bruder Rudolf IV. angeregt und 1368 vollendet. Diese gänzlich in Goldschrift verfasste Handschrift ist nicht nur eine der ältesten des Hauses, sondern sozusagen der Gründungskodex der Hofbibliothek, die damals von den Herrschern noch in Truhen verwahrt wurde. Auch der in Gold und Silber gefertigte Einband des Evangeliars mit seinem Strahlenkranz und fünf Löwenköpfen dürfte original sein – eine Seltenheit, denn oft wurde solches Edelmetall in Notzeiten eingeschmolzen. Maximilians Vater, Friedrich III., fügte sein Eigentümerzeichen hinzu: A. E. I. O. U. Dieses unschätzbare Evangeliar ist nur bis Anfang Dezember zu sehen, dann wird es in der Ausstellung durch ein Faksimile ersetzt.

Dürer, Cranach und Altdorfer

An seltenen Originalen mangelt es dennoch nicht: Ein Gebetbuch Albrechts VI. von 1458 ist Ausdruck der Vollendung spätmittelalterlicher Handschriften. Er lässt sich darin auf dem Thron mit Erzherzogshut und Rosenkranz darstellen. Zu den wichtigsten Reichsdokumenten zählt die 1356 von Kaiser Karl IV. initiierte Goldene Bulle. Hier ist ein reich bebildertes Prachtexemplar ausgestellt. Das von König Wenzel I. in Auftrag gegebene, um 1400 verfertigte Buch steht seit 2013 auf der Unesco-Liste des Weltdokumenterbes.

Vieles dreht sich um Maximilian, den ersten Habsburger, der den Buchdruck intensiv nutzte, der um die Wirkung von Propaganda genau Bescheid wusste. Zu seinen Illustratoren zählten Dürer, Cranach, Altdorfer. Am Ende der Schau herrscht dann auch nach all den Handschriften bereits der revolutionäre Buchdruck. Im „Heiltumsbuch“ von 1502, das auf 260 Holzschnitten vor allem Reliquien zeigt, ist eine der ältesten Abbildungen des Stephansdomes zu sehen. Dort wird noch gebaut. Zumindest am Nordturm.

Bis 21. Februar 2016: „Goldene Zeiten“ im Prunksaal der ÖNB, Josefsplatz 1, 1015 Wien. Begleitbuch: „Quaternio“, Hg. Andreas Fingernagel, Verlag Luzern, 152 S., 29,80 €.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2015)

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