Als "ein Riese" die USA verpflichtete, sich einzumischen

Harry S. Truman
Harry S. Truman(c) imago/United Archives International
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Am 12. März 1947 rief der amerikanische Präsident sein Land zum politischen Widerstand gegen das Vordringen der Sowjetunion auf. Er formte damit den Wegweiser in den Kalten Krieg: die Truman-Doktrin.

Mitte der 1940er Jahre. Das Klima zwischen den USA und der Sowjetunion verschlechterte sich. Und auch in Großbritannien wuchs der Unmut über das kommunistische Regime im Osten. Der Kontinent war aufgeteilt, der Eiserne Vorhang gefallen. Doch von Stillstand war keine Rede. Vielmehr fürchtete der Westen ein Sich-Ausdehnen des Ostens und beobachtete jede Bewegung mit Argwohn. "Der Weltkommunismus ist ein bösartiger Parasit, der sich nur noch von krankem Gewebe ernährt", skizzierte etwa der US-Diplomat George F. Kennani im Februar 1946 die ausufernde sowjetische Einflusszone. Konkret nannte er die Türkei, den Iran und die Mandschurei als von "kommunistischer Verseuchung infiziert", Saudiarabien, Ägypten, Afghanistan und Indien seien "gefährdet", mahnte er und ermutigte seine Regierung mit militärischer Stärke und Wirtschaftshilfe zu reagieren.

Ähnliches hatte der kurz zuvor abgewählte britische Premierminister Winston Churchill im März 1946 im Sinn, als er im US-Bundesstaat Missouri eine Ansprache hielt. Er war über den Atlantik gereist, um vom brutalen Vorgehen der Sowjets zu berichten und für einen "Bruderbund" zu werben. Denn: "Alle Hauptstädte der alten Staaten Zentral- und Osteuropas (...) liegen in der Sowjetsphäre, und alle sind sie in dieser oder jener Form nicht nur dem sowjetischen Einfluss ausgesetzt, sondern auch in ständig zunehmendem Maße der Moskauer Kontrolle unterworfen", bedauerte er. Nur wenige Tage darauf folgte die ungehaltene Antwort Josef Stalins: "Dem Wesen der Sache nach stellten Mr. Churchill und seine Freunde in England und in den Vereinigten Staaten den nicht Englisch sprechenden Nationen eine Art Ultimatum: Erkennt ihr unsere Herrschaft freiwillig an, so wird alles in Ordnung sein, im entgegengesetzten Fall ist der Krieg unvermeidlich."

Der Schlagabtausch spielte dem amtierenden US-Präsidenten Harry S. Truman regelrecht in die Hände. Die Sorgen der anderen konnten als Legitimation für seinen zunehmend antisowjetischen Kurs herangezogen werden.

"Fast jede Nation muss zwischen alternativen Lebensformen wählen"

In Worte fassen sollte der "Riese des 20. Jahrhunderts", wie Truman später von Lyndon B. Johnson bezeichnet werden sollte, seine Absichten erst im Folgejahr. Die passende Gelegenheit bot ihm der in Griechenland brodelnde Bürgerkrieg – und die drohende Finanzkrise an der Ägäis. So konnte Großbritannien seine Unterstützung der griechischen Regierung und Armee im März 1947 nicht mehr aufrechterhalten und bat die USA um Unterstützung. Truman entschied sich, diese in Form von Finanzmitteln, Waffen und wirtschaftlicher Unterstützung zu leisten. Am 12. März 1947 hielt er deswegen eine Ansprache vor beiden Häusern des US-Kongresses:

"Zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Weltgeschichte muss fast jede Nation zwischen alternativen Lebensformen wählen. Nur zu oft ist diese Wahl nicht frei", sagte Truman. Und er fügte hinzu: "Ich glaube, es muss die Politik der Vereinigten Staaten sein, freien Völkern beizustehen, die sich der angestrebten Unterwerfung durch bewaffnete Minderheiten oder durch äußeren Druck widersetzen. Ich glaube, wir müssen allen freien Völkern helfen, damit sie ihre Geschicke auf ihre Weise selbst bestimmen können." Dass es sich dabei nicht um ein Gedankenspiel, sondern einen Auftrag handelte, daran ließ Truman keine Zweifel aufkommen: "Die freien Völker der Welt rechnen auf unsere Unterstützung in ihrem Kampf um die Freiheit. Wenn wir in unserer Führungsrolle zaudern, gefährden wir den Frieden der Welt – und wir schaden mit Sicherheit der Wohlfahrt unserer eigenen Nation."

Die "Truman-Doktrin" war ausgegeben und damit der Wegweiser in den Kalten Krieg aufgestellt: Die Eindämmung des Kommunismus sollte unter US-amerikanischer Federführung stattfinden – beginnend in Griechenland und der Türkei, um ein Vorrücken Moskauer Truppen ans Mittelmeer zu verhindern. Später sollte auch die US-Unterstützung Südkoreas im Krieg gegen den kommunistischen Norden und Frankreichs im Indochinakrieg mit Verweis auf Truman gerechtfertigt werden. Als wichtiger Bestandteil der "Containment-Politik" erwies sich der "Marshallplan" (offiziell "European Recovery Program"), benannt nach Außenminister George C. Marshall. Er diente dem Zweck, die europäischen Länder finanziell handlungsfähiger (und zugleich den USA gewogener) zu machen. In den Jahren 1948 bis 1952 flossen rund 13,12 Milliarden Dollar an bedürftige Staaten.

Von der einen Doktrin zur nächsten

Das Ende der "Eindämmungspolitik" läutete schließlich eine weitere Doktrin ein. Diesmal jedoch nicht von Truman, sondern von Dwight D. Eisenhower ausgegeben. Und diesmal weit aggressiver in Ton und Taten ausgeformt. Tatsächlich befürwortete Eisenhower in seinem Erlass vom 5. Januar 1957 (eine Reaktion auf die Suezkrise) nämlich ein offensives Vorgehen: Die Vereinigten Staaten von Amerika sollten überall und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln (also durchaus auch mit Atomwaffen) pro-westliche Regimes vor kommunistischer Unterwanderung schützen.

(hell)

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