Schloss Ambras: Die Ungeheuer in Ferdinands Wunderkammer

Erzherzog Ferdinand II. um 1556 in der sogenannten Adlergarnitur, mit böhmischem Hut.
Erzherzog Ferdinand II. um 1556 in der sogenannten Adlergarnitur, mit böhmischem Hut.(c) KHM-Museumsverband
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Er war cholerisch, Lieblingssohn des Kaisers, heiratete eine Bürgerliche. Und er gründete eines der ältesten Museen der Welt: Eine große Ausstellung zeigt den Habsburger Erzherzog Ferdinand II., der das Land Tirol prägte.

Was macht ein Erzherzog, dem der Kaiser die Herrschaft über Tirol zugedacht hatte, wenn er dann genug von der Bürokratie in Innsbruck, den Intrigen bei Hofe und Glaubensstreitigkeiten oder gar vom Krieg gegen die Osmanen hat? Er lässt sich ein Jagdschloss zu einem Refugium samt Lustgarten ausbauen, das selbst Salzburgs Jedermann vor Neid erblassen ließe. Dort kann er auch seinem Sammeltrieb, Wissenschaften, Künsten und Gelagen frönen. Schloss Ambras, leicht erhöht im Südosten der Tiroler Landeshauptstadt, war für Erzherzog Ferdinand II. (1529 bis 1595) der liebste Rückzugsort.

Das Lustschloss war auch praktisch und diskret für seine Frau Philippine Welser, der er es zum Eigentum gab. Mit dieser Bürgerlichen war der Habsburger bereits als Statthalter Böhmens 1557 heimlich eine morganatische Ehe eingegangen – zum Entsetzen seiner Familie. Skandal! Der Kaiser zwang den Sohn zur Geheimhaltung, dessen Söhne schieden in der Nachfolge aus. Zwar war Welser die Tochter einer reichen Familie aus Augsburg, doch all die ehrgeizigen Heiratspläne Ferdinands I. für sein Lieblingskind zur Mehrung der Hausmacht in Europa waren nun dahin. Immerhin stand Ferdinand junior auf Rang zwei in der Thronfolge nach seinem älteren Bruder Maximilian, der 1564 wie geplant Kaiser wurde.#

Beute aus Kriegen gegen die Osmanen

Jahre zuvor hatte Ferdinand I. beschlossen, die österreichischen Erblande unter seinen drei Söhnen aufzuteilen. Erzherzog Ferdinand erhielt Tirol und Vorderösterreich – ein Glücksfall für Innsbruck, in dem eine rege Bautätigkeit einsetzte. Am 17. Jänner 1567 zog er in seine künftige Residenzstadt ein, in der er bis zu seinem Tod herrschte – streng, aber innovativ, mit Sinn für moderne Verwaltung, die er bereits in Prag gepflegt hatte, und mit Hang zu prunkvollen Festen.

Auf Schloss Ambras, einer Zweigstelle des Kunsthistorischen Museums, wird nun diese prägende Figur für Tirol in einer großen Ausstellung präsentiert. Es ist ein Crashkurs in der Geschichte der frühen Neuzeit, der Schlaglichter auf Humanismus und Reformation, Glaubens- und Türkenkriege sowie die erstaunliche Erfolgsgeschichte einer Dynastie von der Renaissance zum Barock zeigt. Am besten lustwandelt man zur Einstimmung im weitläufigen Park, von dem aus man auf Innsbruck sieht. Beim Eintritt wird man zur Sonderausstellung über einen Umweg durch Dauerausstellungen geführt. In der Rüstkammer dominieren glänzende Harnische und riesige Schwerter, die zu Ferdinands Zeiten nur noch Zierde waren oder bei nostalgischen Turnieren zum Einsatz kamen. Längst dominierten Landsknechte.

In diesen Räumen ist auch Beute ausgestellt, aus dem Reich der Osmanen, gegen die Ferdinand ins Feld zog. Man ahnt: Der hat einen Tick! Dieser Verdacht bestätigt sich in der Kunst- und Wunderkammer, deren ursprünglicher Zustand in der Dritten Rüstkammer visualisiert wurde. Tausende teure Objekte und Kuriosa, die für wertvoll erachtet wurden, ließ der Landesfürst in hohen Vitrinen ausstellen: Schmuck, Porzellan aus Asien, Korallen, Muscheln, eine gigantische Seychellennuss, die mit Gold und Silber zur Kanne verarbeitet wurde, Bücher, Instrumente, Gemälde – eines zeigt einen Adeligen, dem eine Lanze durchs Auge gestoßen wurde. Aus dem Hinterkopf ragt sie heraus. Er habe noch längere Zeit überlebt, heißt es. Wunderliche Tiere, Hofzwerge und Riesen sind abgebildet. Und man sieht auch ausgestopfte Ungeheuer – ein Krokodil und Haie hängen von der Decke. Diese Wunderkammer brachte Prestige. Man kann sie als frühestes Universalmuseum bezeichnen. Der Landesherr ließ seine Schätze sogar katalogisieren – auch das war eine Novität.

Die Badekammer der schönen Welserin

Weiter geht es durch den Spanischen Saal mit Kaiserporträts, die Kapelle und Privatgemächer der Welserin – inklusive eines für damals exklusiven Bades! In der Sonderschau gibt es schließlich einen Überblick über diese Brückenzeit. Gemälde und Dokumente illustrieren Machtverhältnisse, Bücher und Landkarten den Wissensstand des späten 16. Jahrhunderts. Das KHM sowie insbesondere die Tschechische Nationalgalerie als Partner haben Ausstellungsobjekte beigesteuert. Die dynastischen Verflechtungen werden zu Beginn durch eine Fülle von Habsburger-Porträts deutlich. Schon als Kind und als junger Mann zeigt Ferdinand trotzige Entschlossenheit. Die steigert sich in den Bildern aus reifen Jahren. Er wird von Zeitgenossen als cholerisch beschrieben.
Ferdinand II. hat konsequent und dennoch maßvoll die Gegenreformation betrieben. Das steht in Ambras aber nicht im Zentrum. Viel Raum erhält die erste Ehe. Blass wirkt dagegen die zweite Ehefrau, Anna Caterina Gonzaga, eine blutjunge Nichte, die er nach dem Tod Philippines 1582 in reifen Jahren ehelichte. Die europäische Geschichte mit all den religiösen Verwerfungen erschließt sich besonders durch die zwei Jahrzehnte Ferdinands als Statthalter in Böhmen. Die Tiroler Zeit, eine Blütezeit, ist im Vergleich ein beinahe idyllisches Nachspiel.

450 Jahre Tiroler Landesfürst

Bis 8. Oktober 2017 ist auf Schloss Ambras in Innsbruck die Sonderschau „Ferdinand II.“ zu sehen. Täglich von 10 bis 17 Uhr, Eintritt 10 €, ermäßigt 7 €. Der Katalog ist im Haymon Verlag erschienen: Hrsg. Sabine Haag, Veronika Sandbichler, 368 S., 29,95 €. Zum 450. Jubiläum hat der Historiker Michael Forcher eine fundierte, doch leicht lesbare Biografie veröffentlicht: „Erzherzog Ferdinand II. Landesfürst von Tirol“, Hamyon Verlag, 320 S., 22,90 €.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2017)

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