Der Kampf um die österreichische Identität geht weiter

Katholiken gegen Protestanten, Deutschnationale gegen Habsburger, Rote gegen Schwarze: Inspiriert von Friedrich Heer beleuchtet Walter Hämmerle den „Bürgerkrieg“ der ideologischen Lager Österreichs. Auch im Internetzeitalter setzt sich dieser leicht verändert, aber unvermindert fort.

Angelehnt an Friedrich Heers Monumentalwerk „Der Kampf um die österreichische Identität“ hat sich Walter Hämmerle, Chefredakteur der „Wiener Zeitung“, an eine Art Fortsetzung gewagt. In „Der neue Kampf um Österreich“ (Edition A) schildert er eben diesen. Auch im Internetzeitalter hält der „Bürgerkrieg“, wie Hämmerle ihn nennt, unvermindert mit neuen Worten an. Von den Taten ist man aufgrund der historischen Erfahrungen glücklicherweise abgekommen.

Die ideologischen Pole haben weiter Bestand – heute gebildet von den im Nationalrat zwar nicht mehr vorhandenen, dafür aber im öffentlichen Diskurs umso lauteren Grünen und deren Anhängern auf der einen und den Freiheitlichen auf der anderen Seite. Das, worum sich fast alles dreht, ist das Thema Zuwanderung. „Im besten Fall geht es um die Bekehrung der Ungläubigen, und wenn das nicht gelingt, dann eben um deren Überwältigung.“ In dieses Links-rechts-Schema reihen sich dann auch die Anhänger von SPÖ und ÖVP ein. Schauplatz sind die (sozialen) Medien. „Es sind die vielen kleinen Kämpfer im Glauben, die alles am Laufen halten. Wer neben der Teilnahme am Bürgerkrieg kein anderes Leben zu führen hat, der erlebt eine Gesellschaft im ständigen medialen Ausnahmezustand. Sobald es um die Themen des Bürgerkriegs geht, scheuen sich auch nominell kluge und belesene Köpfe nicht, die krudesten Hypothesen in die Welt zu setzen. Der einzige Maßstab dabei ist: Schadet beziehungsweise nützt es der richtigen Seite im Lagerkampf“, schreibt Hämmerle im zweiten Teil des Buches.

Der erste Teil ist eine Reise durch die österreichische Zeitgeschichte. Mit dieser Bewanderte werden alte Bekannte wiedertreffen, aber auch das eine oder andere Neue – oder Neugedachte – entdecken. Für die Übrigen, die die österreichische Geschichte nur auszugsweise kennen, bietet der Autor einen stringenten, mit eigenen Thesen versehenen Überblick. Von der Gegenreformation über den Bürgerkrieg der Zwischenkriegszeit bis zum Heute.

Stets stehen sich zwei Lager gegenüber: erst die Katholiken den Protestanten, dann die Habsburgtreuen den Deutschnationalen, dann die Christlich-Sozialen den Sozialdemokraten, heute die urbanen Linksliberalen den Traditionsbürgern vom Land – um es plakativ darzustellen.

Nur in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg sei von dieser Polarisierung teilweise abgegangen worden, mit der Zusammenarbeit von SPÖ und ÖVP, mit der Sozialpartnerschaft – mit all den negativen Seiten freilich, die Hämmerle nicht zu erwähnen vergisst. Sonst gilt: „In Österreich tobt der Machtkampf der Parteien ohne Rückkoppelung an die Interessen der Allgemeinheit.“

Der Autor beschäftigt sich auch mit den Paradoxien dieses Landes: Ausgerechnet die Sozialdemokraten, die eigentlich für die Revolution waren, am besten in einem Deutschland, das auch Österreich umfasst, sorgten für das Grundgerüst dieser Republik, dem Nachfolgestaat des Habsburgerreiches. Der Kampf um das Land habe sich danach zwischen zwei Machtzentren, dem roten Wiener Rathaus und dem schwarzen Kanzleramt am Ballhausplatz, abgespielt. Auch das sei Österreich: „Größtmögliche weltanschauliche Distanz auf der geringstmöglichen räumlichen Fläche.“

Hämmerles Gegengift: Diskurs, Auseinandersetzung mit dem Gegenüber, das Geltenlassen verschiedener Ansichten, ob nun links oder rechts.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2018)

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