Ein Jahrhundert im Rückspiegel mal drei

Heimische Zeitgeschichte in ganz verschiedener Ausprägung.

Ein Jahrhundert, noch dazu das österreichische, in ein Buch packen! Wie soll das gelingen? Hubert Nowak geht die Sache klug an, indem er uns Zeitgeschichte nicht chronologisch erzählt, sondern Schwerpunkte setzt. Ein Beispiel: Der Föderalismus dient als Blaupause für die Absetzbewegungen der westlichen Bundesländer nach 1918. Oder das Lagerdenken: Längst obsolet, feiert es stets neue Urständ. Unterbrochen wird die Erzählung durch Interviews mit Franz Fiedler, Karl Habsburg oder Christoph Schönborn. Ein interessantes Detail hat Nowak zur Causa Südtirol ausgegraben. Außenminister Bruno Kreisky hatte 1960 den UN 121 österreichische Soldaten für die Befriedungsmission im Kongo angeboten. Dafür half ihm Generalsekretär Dag Hammarskjöld, das Südtirolproblem vor die UN-Vollversammlung zu bringen.

Ahnenprobenexaminator

Im März 1918 plagt den kaiserlichen Hof in Wien ein wahrlich schwerwiegendes Problem: 15 adelige Frauen sollen zu neuen Palastdamen ernannt werden. Der höfische „Ahnenprobenexaminator“ hatte die Aufgabe, Stammbaum und Frömmigkeit der Bewerberinnen zu prüfen. Bei den Namen Zichy, Lobkowitz, Herberstein, Palffy oder Trauttmansdorff wohl keine allzu schwierige Herausforderung. Der Chronist Edgard Haider beschreibt minutiös anhand zeitgenössischer Zeitungsberichte den Alltag in Wien im letzten Jahr des Ersten Weltkriegs bis zur Auflösung des riesigen Reiches. Streiks und Meutereien häufen sich, der junge friedenswillige Kaiser Karl sieht sich ohnmächtig gegenüber der allgemeinen Erschöpfung und Kriegsmüdigkeit von Armee und Zivilbevölkerung. Im Herbst kommt der Spuk schließlich zu einem Ende.

Die Schanze der Türken

Am Nachmittag des 12. September 1683 rollte über den kleinen Wiener Vorort Währing zum ersten und einzigen Mal die Weltgeschichte. Vom nahen Kahlenberg stürmten die Truppen des polnischen Königs Jan Sobieski gegen die bei Gersthof und Weinhaus verschanzten türkischen Belagerer. In einem Nahkampf, der von 14 bis 18 Uhr dauerte, behielt das Entsatzheer, das Wien aus der osmanischen Umklammerung befreien konnte, die Oberhand. Die gefallenen türkischen Krieger wurden an Ort und Stelle, der sogenannten Türkenschanze, verscharrt. Herbert Bichl, ein engagierter Lokalhistoriker und Bezirkspolitiker, hat die Geschichte des heutigen 18. Wiener Gemeindebezirks prächtig illustriert nacherzählt. Das Buch kann sich auf Quellen aus dem Bezirksmuseum stützen, dessen Chef Bichl lange Zeit war.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.03.2018)

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