Neue Freie Presse am 19. Februar 1919
Das Wörtchen „los“ haben wir nachgerade beinahe in ebenso vielen Verbindungen und Spielarten zu kosten bekommen, als während der Wahlzeit das Wort demokratisch. Brotlos und alkohollos, mehllos und kartoffellos. Die neueste Vorschrift unseres Unterernährungsamtes lautet: Fleischlos.
An die Lesebucherinnerung unserer Kinderjahre, die davon fabelten, daß der Mensch ein fleischfressendes Tier sei, wollen wir lieber nicht gemahnt werden. Das klingt uns heute wie verletzende Ironie, wie bitterer Hohn. Wenn der „Wolljäger“ noch einmal auf der Wiener Erde wandeln könnte, so würde es ihm zwar unendlich schwer fallen, sich ein Wollhemd zu verschaffen, aber ein anderer Lebenstraum wäre ihm dafür in restlose Erfüllung gegangen. Wo man hinschaut, nichts als Vegetarianer, und zwar Vegetarianer der strengsten Observanz, der allerstrengst sogar; denn sie essen nicht einmal rohes Obst, aus dem naheliegenden Grunde, weil sie es nirgendwo bekommen.