70 Jahre Israel: Freudentag oder Katastrophe?

(c) imago/United Archives International (imago stock&people)
  • Drucken

Laut dem jüdischen Kalender rief David Ben Gurion heute vor 70 Jahren den Staat Israel aus. Während für Juden damit der Traum eines eigenen Staates in Erfüllung ging, bedeutete die Staatsgründung für viele Palästinenser der Verlust ihrer Heimat.

Nach dem Grauen des Holocaust ging 1948 für Juden aus aller Welt der uralte Traum von einer eigenen Heimstätte in Erfüllung: "Gleich allen anderen Völkern, ist es das natürliche Recht des jüdischen Volkes, seine Geschichte unter eigener Hoheit selbst zu bestimmen", verkündete der israelische Ministerpräsident David Ben Gurion vor 70 Jahren, am 14. Mai 1948, die Gründung des Staates Israel. Laut jüdischem Kalender heuer der 19. April.

Trunken vor Freude tanzten Tausende auf den Straßen, um das "Wunder" zu feiern. "Wir waren völlig aus dem Häuschen vor Freude", erinnert sich der Holocaust-Überlebende Chaim Kozienicki an den Moment.

Gurion berief sich mit der Staatsgründung auf den Beschluss der UNO-Vollversammlung. Diese hatte am 29. November 1947 nach langen, turbulenten Verhandlungen die Resolution 181 zur Teilung Palästinas angenommen. Das Gebiet stand zu diesem Zeitpunkt unter britischer Mandatsverwaltung. Die Resolution sah die Gründung eines jüdischen und eines arabischen Staates vor. Jerusalem sollte einen internationalen Status erhalten.

Theodor Herzl und der "Judenstaat"

Der Beschluss sollte den seit Jahrzehnten anhaltenden Konflikt zwischen arabischen und jüdischen Bewohnern sowie der britischen Mandatsmacht in Palästina lösen: Er sah eine Wirtschaftsunion und demokratische Verfassungen für die beiden Staaten vor. Doch mehrere Faktoren verhinderten, dass dieser Teilungsplan seither zu einer friedlichen und demokratischen Lösung für Palästina führte.

Die arabischen Regierungen und die Palästinenser lehnten den Teilungsplan ab.  Mit ihrer Zustimmung wäre der Staat Palästina größer geworden, als es in derzeitigen Friedensplänen theoretisch möglich wäre.

Die jüdischen Bewohner beriefen sich bei der Forderung nach einem eigenen Staat unter anderem auf die Deklaration des britischen Außenministers Arthur Balfour vom 2. November 1917. Darin sicherte Großbritannien - das im Ersten Weltkrieg das unter osmanischer Herrschaft stehende Palästina besetzt hatte - zu, die Schaffung eines nationalen Heims für die Juden in Palästina zu unterstützen.

Grundlage für die Idee eines jüdischen Staates war die Bewegung des Zionismus. Einer seiner führenden Vertreter war der in der Habsburger-Monarchie geborene Theodor Herzl (1860-1904). Unter dem Eindruck des Antisemismus in Europa und dem Komplott gegen den jüdischen Hauptmann Albert Dreyfus in Frankreich veröffentlichte er 1896 das Buch "Der Judenstaat". Er war der Überzeugung, dass Juden eine Nation seien und deswegen ein jüdischer Staat gegründet werden müsse.

Palästina als Hoffnungsort für verfolgte Juden

Während der Naziherrschaft flohen zehntausende europäische Juden vor dem Holocaust nach Palästina. Die Briten wollten aber nur eine begrenzte Zahl von ihnen in Palästina aufnehmen, auch der Gründung eines jüdischen Staates standen sie damals ablehnend gegenüber. Militante zionistische Gruppen versuchten, die britische Mandatsverwaltung mit Waffengewalt von einem eigenen Judenstaat zu überzeugen: Sie verübten Terrorakte.

Auch zwischen Juden und Palästinensern kam es zu blutigen Auseinandersetzungen. Durch die wachsenden Einwanderungswellen fühlten sich die Palästinenser schon seit den 1920er Jahren bedroht. Als in den 1930er Jahren immer mehr Juden nach Palästina strömten, kam es schließlich zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen zwischen den Bevölkerungsgruppen, die sich auch nach dem Zweiten Weltkrieg fortsetzten.

Die Staatsgründung Israels, der jüdische Freudentag, bedeutete für die Palästinenser eine Katastrophe. Sie nennen dieses Ereignis "Al-Nakba". Nur 24 Stunden später erklärten der Irak, der Libanon, Syrien, Ägypten und Jordanien Israel den Krieg. Dabei mussten die Palästinenser herbe Verluste hinnehmen. Israel eroberte weitaus größere Gebiete als im UN-Teilungsplan von 1947 vorgesehen waren, darunter auch West-Jerusalem.

Bis zu 900.000 Palästinenser flohen aus dem Kernland in das unter jordanischer Verwaltung stehende Westjordanland, in den zu Ägypten gehörenden Gazastreifen und in andere benachbarte arabische Gebiete.

Ein tödlicher Konflikt ohne absehbares Ende

Die Zahl der palästinensischen Flüchtlinge und ihrer Nachfahren ist heute auf mehr als fünf Millionen angewachsen. Denn sie können als einzige ihren Flüchtlingsstatus an die nächste Generation "vererben". Auch Nachfahren, die in Flüchtlingslagern in den Palästinensergebieten oder umliegenden arabischen Staaten leben, fordern daher ein "Recht auf Rückkehr" auf israelisches Staatsgebiet. Israel lehnt dies ab, weil es aus seiner Sicht die Zerstörung des jüdischen Staates bedeuten würde.

Die Zahl von Juden und Arabern im Bereich des historischen Palästina zwischen Mittelmeer und Jordan ist heute etwa gleich, wie die israelische Cogat-Behörde jüngst mitteilte - jeweils etwa 6,5 Millionen.

Der Konflikt zwischen den beiden Seiten ist bis heute ungelöst - immer neue Anläufe zu einer endgültigen Friedensregelung in der Region liefen ins Leere. Die innere Spaltung der Palästinenser macht das Problem noch komplizierter. Binnen eines Jahrzehnts hat Israel sich mit der im Gazastreifen herrschenden radikalislamischen Hamas drei Kriege geliefert.

Seit 1860 sind mehr als 23.500 israelische Soldaten, Zivilisten und jüdische Untergrundkämpfer im Konflikt um den Landstrich am Mittelmeer getötet worden. Sechs Nahostkriege tobten seit 1948 in der Region, zwei Palästinenseraufstände forderten auch Tausende von Todesopfern auf der anderen Seite.

(APA/dpa)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Außenpolitik

81 Schläge und die Asche Adolf Eichmanns

Nach den Grauen des Holocaust in Israel angekommen, musste Michael Goldmann-Gilad herbe Enttäuschungen erfahren: Niemand wollte ihm glauben, was er in den Konzentrationslagern erlebt hatte.
Außenpolitik

Internationale Kritik an israelischem Vorgehen gegen Demonstranten

Bei Zusammenstößen zwischen Palästinensern und der israelischen Armee an der Grenze des Gazastreifens waren am Montag 60 Palästinenser getötet und mehr als 2700 verletzt worden.
Außenpolitik

Gaza Proteste: Erdogan lädt zu OIC-Sondergipfel

Der türkische Staatspräsident kündigte in London ein außerordentliche Treffen der Organisation für Islamische Kooperation (OIC) am Freitag in Istanbul an.
Leitartikel

Gefangen in einer Dauerschleife sinnloser Gewalt

Die palästinensische Bevölkerung wird zum Spielball von immer mehr Akteuren – von Israel über die Hamas bis Ankara und Teheran.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu.
Außenpolitik

Merkel und Macron telefonierten nach Gaza-Protesten mit Netanyahu

Die deutsche Kanzlerin äußerte ihre "Sorge über die Eskalation der Gewalt", der französische Staatschef betonte das Recht auf friedliche Demonstrationen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.