Der erste Mormone, der US-Präsident werden wollte

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Am 27. Juni 1844 wurde Joseph Smith als bisher einziger US-amerikanischer Präsidentschaftskandidat während eines Wahlkampfs getötet. Bekannt ist er aber wegen etwas anderem: Er ist Gründer der Religion der Mormonen und wird von ihnen als Prophet verehrt.

Wenn ein Amerikaner das Amt des Präsidenten anstrebt, kommt er an Gott nicht vorbei. Spätestens beim Amtseid muss er auf die Bibel schwören, üblicherweise wird ein „So wahr mir Gott helfe“ an den Schwur angehängt. Dennoch, formal sind in den USA Religion und Staat strikt getrennt.

Joseph Smith Jr. wollte das ändern. Der 39-Jährige, der 1844 als unabhängiger Kandidat bei der Präsidentschaftswahl in den USA antrat, wollte eine „Theo-Demokratie“ aufbauen, „in der Gott und das Volk die Macht haben.“ Er war der Gründer der Religionsgemeinschaft der Mormonen, und wird heute als Prophet verehrt. Kritische Historiker bezeichnen ihn als größenwahnsinnigen Okkulisten.

Smiths Wahlkampf dauerte nicht lange. Fünf Monate, nachdem er seine Kandidatur bekannt gab, wurde er von aufgebrachten Bürgern am 27. Juni 1844 ermordet. Als erster und bisher einziger Präsidentschaftskandidat. Das kam jedoch nicht völlig überraschend. Auch die zahlreichen Anhänger, die im Frühling 1844 für Smith durch die Vereinigten Staaten reisten, trafen vielerorts auf Gewalt und verärgerte Menschenmassen. Denn die Mormonen wollten nicht nur die Nachricht über Smiths Kandidatur, sondern auch seine Prophezeiungen verbreiten. Die seltsamen Überzeugungen und Gebräuche der Mormonen, etwa die Polygamie, stießen schon damals auf Unwillen. Smith sollte nicht der letzte Mormone bleiben, der für das Präsidentschaftsamt kandidierte. Der Republikaner Mitt Romney, der in der Wahl 2012 gegen Barack Obama antrat - und unterlag, ist ebenfalls ein prominenter Vertreter der Kirche.

Mit einer Vision zur Mission

Begonnen hatte alles im Jahr 1820, als der 14-jährige Joseph Smith nahe der Kleinstadt Manchester im Bundesstaat New York zum Gebet in den Wald ging. Dem Landarbeitersohn erschien sowohl Gott der Vater als auch Jesus Christus, heißt es in der mormonischen Lehre. Es war seine ersten Vision. Im Jahr 1823 erschien ihm ein Engel namens Moroni. Er erzählte Smith von geheimen Goldplatten, die auf einem nahen Hügel vergraben seien.

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Ausgraben durfte Smith die Platten aber erst vier Jahre später. Er entdeckte ägyptische Schriftzeichen, die er mithilfe einem Seherstein enträtselte und ins Englische übersetzte. So entstand das „Buch Mormon“, die Heilige Schrift der Mormonen, das 1830 mit einer Auflage von 5000 Exemplaren erschien. Im gleichen Jahr gründete Joseph Smith die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage.

Immer weiter gen Westen

Schon zur Zeit ihrer Gründung stieß die Glaubensgemeinschaft auf viel Skepsis und Misstrauen. Deswegen zog Smith mit seinen Anhängern immer wieder weiter Richtung Westen. In Ohio wurde er 1832 geteert und gefedert. Trotzdem baute er dort – auf Kredit - noch den ersten Mormonentempel bevor er, auf der Flucht vor Gläubigern und Banken, mit seiner Anhängerschar weiter nach Missouri zog. Dort kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der ansässigen Bevölkerung. Schlägertrupps der Mormonen kämpften gegen eine staatliche Miliz. Smith wurde wegen Hochverrats inhaftiert, konnte jedoch fliehen. Es ging weiter nach Nauvoo, Illinois.

Es sollte Smiths letzte Station werden. Nicht nur unter der andersgläubigen Bevölkerung, auch unter seinen Anhängern sorgte seine Praxis der Polygamie, der Vielehe, für Unmut. Denn der Prophet dürfte auch den Frauen seiner Weggefährten nachgestellt haben. Mit Erfolg: Er soll geschätzt 40 Frauen geehelicht haben, wie die Mormonen erst 2014 selbst publik machten.

1844, im Jahr seiner Kandidatur, ließen Gegner Smiths in Nauvoo eine Zeitung drucken, in der sie offene Kritik an seinen Lehren äußerten. Smith schickte seine Truppen, um die Druckerpresse zu zerstören. Dieser Angriff auf die Pressefreiheit war für die Amerikaner zuviel. Smith wurde verhaftet. Bevor ihm der Prozess gemacht werden konnte, stürmten wütende Bürger das Gefängnis. Smith versuchte sich noch mit einer Pistole zu verteidigen, stürzte jedoch aus dem Fenster und wurde getötet.

Mormonen weltweit

Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage wurde im Jahr 1830 in den Vereinigten Staaten von Joseph Smith gegründet. Die weltweit mehr als 16 Millionen Mitglieder (über 6 Millionen davon in den USA) der christlichen Glaubensgemeinschaft sind besser bekannt als Mormonen. Dieser bezieht sich auf das „Buch Mormon“, das wie die Bibel eine der heiligen Schriften der Glaubensgemeinschaft ist. Die Schrift erzählt die Geschichte eines Volkes, das 600 Jahre vor Christus aus Jerusalem nach Amerika ausgewandert sein. Nach seiner Kreuzigung sei Jesus Christus selbst den Einwanderern erschienen, heißt es in dem Buch.

Die Mormonen sehen sich als die Fortsetzung der Urkirche, wie sie Jesus einst gründete. „Ich würde unsere Religion in drei einfachen Sätzen erklären“, sagt Signe Lassl, Sprecherin  der Gemeinschaft. Lassls erster Punkt ist der lebende Prophet, der gleichzeitig Präsident der Kirche ist. Wie Moses oder Abraham einst, haben die Mormonen einen lebenden Propheten. Derzeit ist das Russell M. Nelson. Mit seinen zwölf Aposteln reist er durch die Welt und predigt. Stirbt ein Prophet, folgt der nächste nach. Meistens  ist das der Ranghöchste Apostel. Präsident der Kirche kann nur ein Priestertumsträger werden. Weibliche Prophetinnen und Apostel sind eher die Ausnahme. Dabei nimmt die Familie bei den Mitgliedern der Kirche einen hohen Stellenwert ein. Jeden Montagabend kommen die Familien zu einem Familienabend zusammen. „Abschließend können alle Männer ehrenamtlich Priester werden“, erklärt Lassl. Wieder ist dies das alleinige Recht der männlichen Kirchenmitglieder. Neben ihren Brotberufen kümmern sie sich innerhalb ihrer Familien und spenden ihren Kindern etwa einen Krankensegen.

Kritisiert wurden die Mormonen lange für Polygamie und Rassismus. Alleine Smith hatte 40 Frauen. Vertreter der Gemeinschaft argumentieren, dass die Polygamie bereits seit 1890 nicht mehr gilt. Der Vorwurf des Rassismus gründet darauf, dass Schwarzen bis zum Jahr 1978 verboten war, Priester zu werden.

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