Haus der Geschichte: "Konfliktlinien" sollen offengelegt werden

HAUS DER GESCHICHTE: RENOVIERTE MUSEUMSRAeUMLICHKEITEN ZUGANGBEREICH
HAUS DER GESCHICHTE: RENOVIERTE MUSEUMSRAeUMLICHKEITEN ZUGANGBEREICHAPA/HANS PUNZ
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Bei einem Lokalaugenschein im neuen Haus der Geschichte in Wien stand Direktorin Monika Sommer hinter dem Ausstellungskonzept, nachdem es Abgänge im Beirat gegeben hatte.

Die Sanierung der Räumlichkeiten der Neuen Burg in Wien sind abgeschlossen - damit ist der Weg frei für die museale Einrichtung des Hauses der Geschichte Österreich (HDGÖ), das am 10. November eröffnet werden soll.

Die Direktorin der historischen Sammlung, Monika Sommer, gab am Mittwoch bei einem Lokalaugenschein Einblick in den Stand der Dinge. Man befinde sich im Zeitplan, die Bauarbeiten seien rechtzeitig abgeschlossen worden. Aktuell beginne man damit, die Ausstellung zum Republiksjubiläum aufzubauen.

Korkenmodell der Unterzeichnung des Staatsvertrages im Haus der Geschichte
Korkenmodell der Unterzeichnung des Staatsvertrages im Haus der GeschichteAPA/HANS PUNZ

"Aufbruch ins Ungewisse": Kritik an Narrativ

Sommer äußerte im Zuge der Führung auch ihre Freude, "ein Museum im 21. Jahrhundert völlig neu aufbauen zu können. Wir sind im museologischen Zugang up to date", erklärte die Direktorin, die zudem die "Aura des Objekts" lobte. Da das HDGÖ zunächst über keine bestehende Sammlung verfügte, musste Sommer Objekte ankaufen oder war auf Schenkungen angewiesen. Viele österreichische und auch internationale Museen seien nun Leihgeber, auch Privatpersonen würden Stücke für die Ausstellung verleihen.

Zu der Kritik, die Ausstellung verfüge über kein schlüssiges Narrativ - zwei Mitglieder des wissenschaftlichen Beirates hatten sich unter anderem deshalb zurückgezogen -, sagte Sommer, man werde die österreichische Geschichte seit 1918 in sieben thematischen Blöcken erzählen, was sich nicht "in eine einzige Geschichte pressen" lasse. Die Ausstellung werde "Aufbruch ins Ungewisse" heißen.

"Parteipolitische" Gedanken als Blockade

Weil besonders die Zwischenkriegszeit von den politischen Lagern unterschiedlich interpretiert werde, werde das Haus "ganz offen mit offenen Konflikten" umgehen. "Die Jahre 1933/34 bis 1938 gelten ja in den Geschichtswissenschaften als 'Diktatur ohne Namen', da konnte sich auch unser wissenschaftlicher Beirat nicht verständigen, mit welchem Begriff wir in der Ausstellung arbeiten sollen", erzählte Sommer. Sie habe dann "entschieden, dass wir als Diskussionsvorschlag den Begriff 'Dollfuß/Schuschnigg-Diktatur' verwenden". Es solle eine Installation in der Ausstellung geben, die vermitteln werde, warum diese Begriffe nach wie vor umstritten seien.

Laut Regierungsprogramm soll das HDGÖ "evaluiert" werden - hinsichtlich des Ortes, des Konzeptes und der Finanzierung. Sommer versicherte allerdings, dass Kulturminister Gernot Blümel (ÖVP) "hinter dieser Ausstellung steht". Man wisse, dass das HDGÖ so lange in der Neuen Burg bleiben könne, "bis es eine andere kulturpolitische Entscheidung gibt", sagte die Direktorin, die kritisierte, dass das Projekt "jahrzehntelang" von "parteipolitischen" Gedanken blockiert worden sei. Sie wolle nun die "Konfliktlinien offenlegen" und den Besuchern zumuten, "sich selber ein Bild zu machen".

Haus der Geschichte bezieht Räume und wagt "Aufbruch ins Ungewisse"

"Aufbruch ins Ungewisse - Österreich seit 1918" lautet der Titel der Eröffnungsausstellung des "Haus der Geschichte Österreich", das am 10. November um 11 Uhr eröffnet wird. Seit heute sind die sanierten Räumlichkeiten in der Neuen Burg am Heldenplatz bezugsfertig, ein "Meilenstein" für Direktorin Monika Sommer. Noch ehe die Vitrinen angeliefert werden, absolvierte die APA einen Lokalaugenschein.

Eines der Probleme des neuen Zeitgeschichtsmuseums (das seine Abkürzung von HGÖ auf hdgö geändert hat) wird die Besucherführung sein, das wird rasch klar. Die Situation erinnert ein wenig an die ebenfalls etwas versteckt gelegene Kunsthalle Wien im Museumsquartier. Vom Haupteingang der Österreichischen Nationalbibliothek, wo auch das Ticketing stattfinden wird, geht es rechts die prunkvollen Stiegen hoch, wo man im Vorbereich des Altans auch einen kleinen Sonderausstellungsbereich bespielen kann. Der Außenbereich, der sogenannte "Führerbalkon", wird nicht zugänglich sein. Mit dem Ephesos-Museum teilt man sich das Foyer, biegt der Besucher, umringt von antiken Statuen und Mauerteilen, rechtzeitig ab, gelangt er in den Vorraum des hdgö. Eine Tür noch und man ist in der drei große Säle umfassenden Zimmerflucht, in der anhand von sieben Themen 100 Jahre österreichische Geschichte abgehandelt werden.

Gestartet wird mit dem Gründungsdatum der Ersten Republik, dem 12. November 1918, und seiner Vorgeschichte. "Hoch die Republik" soll einen differenzierten Blick auf die Umbrüche und Aufbrüche dieser turbulenten Jahre werfen. Im Saal daneben beginnt die 60 Meter lange Installation "Macht Bilder!" als "chronologischer Handlauf" durch die Ereignisse und Entwicklungen, die in weitere Kapitel gegliedert sind und dabei erstaunlich viele Fragezeichen beinhalten: "Wunder Wirtschaft?", "Diktatur, NS-Terror, Erinnerung", "Das ist Österreich!?" über Entstehung und Wandel des Österreich-Bewusstseins, "Grenzen verändern?" über Grenzziehungen, sowie "Gleiche Rechte?!", wo gesellschaftliche Auseinandersetzungen von Minder- und Mehrheiten thematisiert werden.

Das - vom Künstlerduo Ruth Anderwald und Leonhard Grond in Fotos und Videos begleitete - Projekt liege im Zeitplan, betonte Sommer im Gespräch mit der APA. In den kommenden Wochen werden die Vitrinen aufgebaut, die Medienstationen installiert und die Objekte angeliefert. Einige von ihnen wurden heute als kleiner Vorgeschmack aus den Depots geholt: Ein RAVAG-Mikrofon etwa, das "vermutlich" von Bundeskanzler Kurt Schuschnigg bei seiner bewegenden Abschiedsrede ("Wir weichen der Gewalt") benutzt wurde, ein Judenstern, ein von einem beim Staatsakt zur Unterzeichnung des Staatsvertrags anwesenden Aufseher gefertigtes Modell der Szene, das er aus den Korken des beim Empfang gereichten Sekts geschnitzt hatte, oder ein "Draken"-Abfangjäger-Modellbausatz. Man sei multimedial unterwegs und setze auch auf innovative Vermittlungsangebote und eine Webplattform, betonte Sommer. Gleichzeitig wolle man aber auf die Aura des Einzelobjekts keinesfalls verzichten.

Insgesamt verfügt das HGÖ über 1.800 Quadratmeter, ist jedoch organisatorisch der Nationalbibliothek eingegliedert und fungiert räumlich als Untermieter des KHM Museumsverbands. Ob man über die Laufzeit der Republiksausstellung (bis 17. Mai 2020) hinaus im Haus verbleiben kann, hängt von der von Kulturminister Gernot Blümel (ÖVP) angekündigten Evaluierung ab. Sommer sieht ihr gelassen entgegen und ist sich sicher, dass es der Diskussion nur guttun werde, wenn man anhand der realisierten Ausstellung bald konkret wisse, worüber man rede. Nicht mehr mitreden wollen indes die Rektorin der Akademie der bildenden Künste, Eva Blimlinger, und der Leiter des Dokumentationsarchivs des Widerstandes (DÖW), Gerhard Baumgartner, die im Juni den wissenschaftlichen Beirat unter Protest verließen. Das HGÖ sei als erstes Museum, in dem ein derartiger Beirat eingerichtet worden sei, Neuland, daher gebe es Auffassungsunterschiede über das Pouvoir dieses Beirats, der vom Gesetzgeber als beratendes Organ eingerichtet worden sei, sagte Sommer. Nachdem beide zurückgetretenen Beiratsmitglieder von Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner bestellt worden waren, obliege ihre Nachbesetzung nun seinem Nachfolger Heinz Faßmann (ÖVP).

(APA/Red.)

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