Märtyrer oder Hochverräter?

Das Foto von der Hinrichtung wurde als Ansichtskarte verbreitet und machte Cesare Battisti zur Ikone des Widerstands.
Das Foto von der Hinrichtung wurde als Ansichtskarte verbreitet und machte Cesare Battisti zur Ikone des Widerstands.Corbis via Getty Images
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Wie überwindet man stereotype nationale Geschichtsbilder? Am Beispiel des Trentino und seiner „Märtyrer“ zeigen Historiker nördlich und südlich der Alpen in einer gemeinsamen Studie, wie man ein immer noch brisantes Thema im gemeinsamen Europa abhandelt.

Doppelte Staatsbürgerschaft für Südtiroler? Die Idee der österreichischen Regierung stimmt nachdenklich: Geht es nur um die Stimmen rechtskonservativer Wähler oder ist der Nationalitätenkonflikt in dieser Region doch noch nicht vollständig behoben? Da kommt ein spannendes Wissenschaftsprojekt zum richtigen Zeitpunkt. Vorgelegt haben es zwei italienische und ein in Deutschland und Österreich lehrender Historiker.

Angesichts eines immer noch brisanten Themas erscheint die grenzüberschreitende Perspektive besonders wichtig. Ein „europäischer Erinnerungsdialog“ möchte das Gemeinschaftswerk sein, dessen Ziel es ist, stereotype, asymmetrische und unreflektierte nationale Geschichtsbilder zu überwinden. Deutschland und Frankreich haben das mit gemeinsamen Schulgeschichtsbüchern bereits vorexerziert. Auch hier war der Blick über den Rhein lange Zeit divergierend, er wurde durch ein binationales Narrativ ersetzt.

Die „Welschtiroler“.
Als Thema wählten die drei Autoren der vorliegenden Studie die sogenannten „Märtyrer des Trentino“. Von 1815 bis 1918 waren die Bewohner des Trentino, die „Welschtiroler“, wie man sie nannte, in der Habsburgermonarchie.

Cesare Battisti (1875-1916), politisch aktiver Geograf, Publizist und Verleger aus Trient, vertrat als sozialistischer Abgeordneter im Wiener Parlament die rund 300.000 italienischstämmigen Menschen, die ihre kleine Provinz hartnäckig „Trentino“ nannten. Das waren nur zwei Prozent der Bevölkerung der Monarchie. Die meisten in der Provinz waren keine Kaiserfresser, sondern konservative Katholiken, sie wollten nicht um jeden Preis von Italien „befreit“ werden. So war ihr Nationalbewusstsein hin- und hergerissen zwischen Autonomiestreben, ihrer Zuneigung für Österreich und ihrer Liebe zu Italien.

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