Die Mussolini-Befreiung und der geltungssüchtige Österreicher

Benito Mussolini und seine Befreier. Links neben ihm ist Otto Skorzeny zu sehen.
Benito Mussolini und seine Befreier. Links neben ihm ist Otto Skorzeny zu sehen.(c) Imago
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Es war einer der gelungensten Coups der NS-Propaganda: die tollkühne Befreiung Mussolinis durch eine Gruppe unerschrockener Fallschirmspringer unter der Führung des österreichischen SS-Hauptsturmführers Skorzeny. Das meiste davon ist Legende.

In seinen Ende der 1940er-Jahre veröffentlichten Memoiren "Geheimkommando Skorzeny" inszenierte sich der österreichische SS-Hauptsturmführer Otto Skorzeny als verwegener Held, der den in Ungnade gefallenen und auf Befehl von König Viktor Emanuel III. verhafteten italienischen Ex-Diktator Benito Mussolini aus dem Zimmer 201 des Hotels Campo Imperatore befreite, ins wartende Flugzeug verfrachtete und zu Adolf Hitler eskortierte. Es war ein militärisches Unternehmen, von dem sogar die Alliierten schwärmten.

Tatsächlich schlug am 12. September 1943 Skorzenys großer Tag, nachdem der seit Juli 1943 inhaftierte Mussolini, der immer wieder in neue Verstecke gebracht worden war, in einem Hotel in Gran Sasso lokalisiert wurde. Das von deutschen Fallschirmjägern durchgeführte "Unternehmen Eiche" lief an.

Skorzeny war weder an der direkten Planung der Mission beteiligt noch verfügte er über Befehlsgewalt - dennoch fiel ihm der Ruhm zu. Die NS-Führung, die angesichts eines immer aussichtsloseren Krieges dringend Helden brauchte, hatte ihre eigenen Pläne: Sie beförderte den Österreicher zum SS-Sturmbannführer und zeichnete ihn mit dem Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes aus.

Otto Skorzeny

1927 trat Skorzeny der akademischen Burschenschaft Markomannia zu Wien bei. Die Alliierten nannten ihn "Scarface" (dt. Narbengesicht), zurückzuführen auf die zahlreichen Schmisse aus studentischen Mensuren in seinem Gesicht. 1932 trat der arbeitslose Skorzeny der NSDAP bei und wurde zudem Mitglied der SA. 1940 trat er dann in die Leibstandarte SS Adolf Hitler ein.

Skorzeny profitierte von seiner Freundschaft mit Ernst Kaltenbrunner, dem Chef der Sicherheitspolizei und des SD, mit dem er seit 1929 bekannt war. Kaltenbrunner griff häufig bei der Neubesetzung von Positionen auf österreichische SS-Männer zurück. Skorzeny war maßgeblich an der Planung und Aufstellung eines neuen Sonderverbandes für Kommandounternehmen, zumal die NS-Führung fürchtete, Admiral Wilhelm Canaris, der eigentlich für die Abwehr zuständig war, könne seine Kommandoeinheiten gegen das Regime einsetzen.

Dabei war der Österreicher eigentlich nur ein Beobachter, der sich geschickt in die Rolle des Helden schrieb. Die Rollenverteilung war klar: Die hochspezialisierten Fallschirmjäger der Luftwaffe sollten die Mission ausführen, während Skorzeny und seine 17 SS-Männer bloß die Landezone sichern sollten. "Doch ungeplant landete ausgerechnet der Lastensegler mit Skorzeny an Bord als Erster auf dem Plateau des Gran Sasso", schrieb Thomas Riegler 2013 im "profil": "Skorzeny lief gegen alle Abmachungen einfach in Richtung Hotel. Beinahe hätte ihn eine Mauer auch schon wieder gestoppt: Nur unter Schwierigkeiten gelang es den wenig fitten SS-Leuten, das Hindernis zu überwinden."

Kampfhandlungen gab es ohnehin nicht, da die Wachmannschaft gerade schlief. Mussolini wurde also ohne Schwierigkeiten befreit. Skorzeny wich ihm ab diesem Moment keine Sekunde von der Seite. "Dokumentiert wurde das von einem Korrespondenten und einem Fotografen, die man auf Skorzenys Veranlassung mitgenommen hatte", schreibt Riegler. Skorzenys Geltungsdrang spielte also der NS-Propaganda perfekt in die Hände.

Skorzeny gefährdete die Mission

Skorzeny gefährdete mit seinem Drang zur Selbstdarstellung sogar den Erfolg des Unternehmens, als er sich in das kleine, bereits schwer beladene Flugzeug zwängte, das Mussolini von Gran Sasso in Richtung Berlin - wo die Befreiung mit Hitler propagandawirksam gefeiert werden sollte - bringen sollte. "Da kam Skorzeny heran und bestand darauf, ebenfalls mitzufliegen", hieß es 1950 in der "Zeit". Der Pilot widersprach. "Skorzeny aber drängte sich mit Gewalt herein: ein Bild, das nach dem Bericht der Augenzeugen eher komisch als heroisch war: der schwere Skorzeny, der dem korpulenten Mussolini in der viel zu engen 'Kabine' auf den Leib rückte." Wenn jemand bei der Befreiung Mussolins mehr leistete als andere, so sei es der Pilot gewesen, "aber Skorzeny war es nicht".

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Skorzeny zwar von den Alliierten als Kriegsverbrecher vor Gericht gestellt. Er wurde aber 1947 freigesprochen und den deutschen Behörden übergeben. Aus dem Gefängnis von Darmstadt gelang ihm dann im Juli 1948 mit Hilfe des Gefängniskommandanten die Flucht. Skorzeny lebte unbehelligt in Argentinien und Spanien. Er schrieb in aller Ruhe an seinen Memoiren und strickte erfolgreich an seiner Legende. Auch drei Biografen hinterfragten später seine schmeichelhaften Angaben zur Befreiung von Mussolini nicht.

Hitlergruß beim Begräbnis

Skorzeny verschwand aber nicht einfach in der Versenkung, sondern fungierte unter anderem als Berater des argentinischen Präsidenten Perón und des ägyptischen Staatschefs Nasser. Neuen Erkenntnissen zufolge soll er, der NS-Kriegsheld, auch als Killer für den israelischen Geheimdienst Mossad tätig gewesen sein.

1961 flog auf, dass Skorzeny jahrelang geheim als Generalvertreter des österreichischen Unternehmens Voest in Spanien und Lateinamerika tätig gewesen war. 1975 starb er in Madrid. Seine Urne wurde auf dem Döblinger Friedhof beigesetzt, bei der Beerdigung salutierten alte Kameraden mit dem Hitlergruß.

>>> Zum "Zeit"-Artikel

(phu)

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