Streitbare Österreicherin: Vor 225 Jahren starb Marie Antoinette

Aufnahme aus dem Filmdrama "Marie Antoinette", USA 2006, mit Kirsten Dunst.
Aufnahme aus dem Filmdrama "Marie Antoinette", USA 2006, mit Kirsten Dunst.(c) Sony
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Verhasst und gedemütigt: Am 16. Oktober 1793 wird die entthronte französische Königin Marie Antoinette, jüngste Tochter von Maria Theresia, in Paris enthauptet. Ein Rückblick auf das turbulente Leben der nur 37 Jahre alt gewordenen "l'Autrichienne".

Hunger, Hochmut, Hass. So lauten drei Worte, die mit Marie Antoinette wohl auch 225 Jahre nach ihrem dramatischen Tod unter der Guillotine in Verbindung gebracht werden. Ein weiteres H kommt oftmals hinzu: Habsburg. Doch wer war die Frau, die im revolutionären Frankreich so verachtet wurde, wie kaum eine andere? Wer war das Mädchen, das mit 14 Jahren verheiratet wurde, um bald in Spottversen der Verschwendungssucht und Frivolität beschuldigt zu werden? Wer war die letzte Königin des Ancien Régime, von der die Nachwelt meist nur zu sagen weiß, dass sie gemeint haben soll: "Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen"? Eine Spurensuche.

Maria Antonia Josepha Johanna wurde am 2. November 1755 als jüngste Tochter der Habsburger Monarchin Maria Theresia geboren. Sie galt als lebenslustig, sprunghaft und weit weniger raffiniert als ihre Mutter. Letztere war dennoch gewillt, mit dem Mädchen Politik zu betreiben - Heiratspolitik. Als Gemahl auserkoren wurde der Thronfolger jenes Landes, in dem Österreich seit Jahrhunderten als Erzfeind verachtet wurde (und vice versa): Frankreich. Kaum verwunderlich, dass die Verhandlungen der Modalitäten hinsichtlich der Trauung zwischen dem französischen König Ludwig XV. und Maria Theresia mehr als zeit- und nervenintensiv ausfielen. Zuletzt aber stand fest: Der 15-jährige Ludwig August sollte erst Gatte, dann König werden.

Entblößt auf einer Insel, schikaniert durch Gedichte

Die Begegnung der beiden Brautleute soll sich äußert kühl zugetragen haben. Auf einer unbewohnten Insel im Rhein wurde ein Pavillon errichtet, dessen östliche Seite das Habsburger Reich, dessen westliche Seite Frankreich repräsentierte. Im Osten musste die Braut, fortan Marie Antoinette gerufen, all ihre Kleider ablegen und nackt die Grenze überqueren, wo sie weinend in die Arme ihrer neuen Hofdame, der Gräfin von Noailles, gefallen sein soll. Einige Tage später traf die 14-Jährige dann ihren Bräutigam, der dazu später in seinem Tagebuch lapidar festhalten sollte: "Treffen mit Madame la Dauphine."

Die Ehe der Jugendlichen verlief in der Folge wenig herzlich (für skeptische Zeitgenossen kaum verwunderlich, kamen beim Feuerwerk nach der Trauung doch 139 Menschen ums Leben; das konnte nur ein schlechtes Omen sein) - und für die österreichische Regentin Maria Theresia äußert unerfreulich. Denn auch sieben Jahre nach der Eheschließung war von einem Thronfolger nichts zu sehen. Die Gefahr der Annulierung des Bundes aufgrund fehlenden Ehevollzugs, schwebte wie ein Damoklesschwert über Versailles - und damit auch über Wien. Und auch politisch war der Einfluss von Marie Antoinette, der von ihrer Mutter in etlichen Briefen aufgetragen wurde, im Sinne ihres Heimatlandes auf die französischen Amtsgeschäfte einzuwirken, kaum vorhanden. Von ihr vorgeschlagene Kandidaten für Ministerposten wurden von ihrem Mann, ab 1774 Ludwig XVI., ignoriert.

»"Eine Österreicherin, der man alles zutraute und vieles unterschob, ein opulent herausgeputzter Sündenbock in einem seit langem heruntergewirtschafteten Reich."«

Karen Andresen über Marie Antoinette

Im Volk bestärkte die fehlende Nachkommenschaft das negative Bild der Österreicherin. Spottgedichte und Schmähschriften erfreuten sich indes großer Beliebtheit. Dass die Königin dem Kartenspiel mehr Beachtung schenkte als ihrem Gemahl, wurde dort ebenso verbreitet wie angebliche Affären (u.a. mit dem schwedischen Adeligen Axel von Fersen) der Regentin und die "Halsbandaffäre". Letztere drehte sich um den Hofjuwelier Charles Böhmer, der ein Collier aus 647 Diamanten anfertigte und hoffte, die teuren Kleidern und imposanten Frisuren zugetane Marie Antoinette würde es ihm abkaufen. Das tat sie nicht. Die Betrügerin Jeanne de La Motte hörte davon und setzte das Gerücht in Umlauf, die Königin habe das Collier doch im Geheimen über einen Kardinal erworben und ihn dafür nachts im Park getroffen. Tatsächlich entwendete La Motte das Geschmeide und verkaufte die Diamanten.

Doch auch am Königshof selbst zog Marie Antoinette, die beim Pharospiel Unsummen verspielte, während die Bürger hungern mussten, Missgunst auf sich. Die Tanten ihres Mannes nannten sie abfällig "l'Autrichienne" ("die Österreicherin"), was schlampig ausgesprochen wie "l'autre chienne" ("die andere Hündin") klang.

Karen Andresen nahm den Unmut, der Marie Antoinette Zeit ihres Lebens entgegenschlug 2010 im deutschen Magazin "Spiegel" zum Anlass, um die glücklose Herrscherin mit den Worten zu charakterisieren: "Eine Österreicherin, der man alles zutraute und vieles unterschob, ein opulent herausgeputzter Sündenbock in einem seit langem heruntergewirtschafteten Reich." Denn tatsächlich: Frankreichs Staatskassen waren nicht allein wegen Marie Antoinettes Gewohnheiten derart marode, sondern aufgrund einer langen Tradition der Verschwendung, die in Versailles gepflegt wurde.

Im Schinderkarren zur Guillotine 

Zurück zum desolaten Eheleben des Herrscherpaares: Nach acht Jahren - und einer Stippvisite von Marie Antoinettes Bruder Josef II. in Paris, der sie dazu drängte, sich endlich der Frage der Nachkommenschaft anzunehmen - wurde Marie Thérèse Charlotte geboren. 1781 folgte ihr Bruder Louis Joseph Xavier François, 1785 Louis Charles und 1786 Marie Sophie Hélène Béatrice.

Die Kinderschar sollte den Ruf Marie Antoinettes aber nicht mehr retten: Kuckuckskinder wurden sie geschimpft, der Mutter lesbische Neigungen und Missbrauch des eigenen Sohnes unterstellt. Auch der wankelmütige König - der mal als Sympathisant der Revolutionäre, mal der Gegenbewegung auftrat - verlor mehr und mehr an Zuspruch. Seit dem Sturm auf die Bastille 1789 musste er sich fortan den Tuilerienpalast mit der Nationalversammlung teilen. Den Bürgern genügte das nicht: Sie forderten das Ende der Monarchie ein, die Reformen behindere. Auch, dass Marie Antoinette ihr Leben mittlerweile vereinfacht hatte, sich in Leinen hüllte, den Kindern widmete, Theater und Opern nicht mehr besuchte, beschwichtigte nicht. Die Einsicht war zu spät gekommen.

Die Exekution von Marie Antoinette, 1793
Die Exekution von Marie Antoinette, 1793 (c) imago/Leemage

Dem König wurde der Prozess gemacht. Am Morgen des 21. Jänner 1793 wurde er, von den Aufständischen nur noch Bürger Capet genannt (eine Referenz an den Ahnherren des französischen Herrschergeschlechts, Hugo Capet), zum "Place de la Révolution" (heute "Place de la Concorde") gebracht, wo das johlende, tanzende Volk wartete. Ein Fallbeil zertrennte seinen Nacken. Marie Antoinette sollte neun Monate später ein ähnliches Schicksal zuteil werden: Gefesselt wurde die 37-Jährige in den Schinderkarren gesperrt und zur Guillotine gefahren, wo ihr am 16. Oktober 1793 der Kopf abgeschlagen wurde. Ihr Körper wurde in einem Massengrab verscharrt, Jahrzehnte später exhumiert und an der Seite ihres Gatten beigesetzt.

Zweig: "Eine eigentlich gewöhnliche Frau"

Übrigens: Der eingangs zitierte Satz mit dem Kuchen, wurde schon Jahre bevor Marie Antoinette am französischen Thron Platz nahm von Jean-Jacques Rousseau zitiert. Im sechsten Buch seiner 1782 veröffentlichten Autobiografie heißt es: "Endlich erinnerte ich mich des Notbehelfs einer großen Prinzessin, der man sagte, die Bauern hätten kein Brot, und die antwortete: ‚Dann sollen sie Brioche essen!‘"

Wer war nun Marie Antoinette wirklich? Eine finale Antwort ist nach wie vor ausständig. Möglicherweise aber liegt der Autor Stefan Zweig mit seiner Einschätzung aus dem Jahr 1932 gar nicht so falsch. Damals hielt er fest: "Marie Antoinette war weder die große Heilige des Royalismus noch die Dirne der Revolution, sondern ein mittlerer Charakter, eine eigentlich gewöhnliche Frau, nicht sonderlich klug, nicht sonderlich töricht, die Durchschnittsfrau von gestern, heute und morgen."

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