Furcht vor einer Farbe: Das Gelb in der Politik

„Mutig“ und „gefährlich“ nennt Mediävist Michel Pastoureau die Farbwahl der Gelbwesten („gilets jaunes“). Polizisten auf den Champs-?lysées werden hier von ihnen mit Farbe überschüttet.
„Mutig“ und „gefährlich“ nennt Mediävist Michel Pastoureau die Farbwahl der Gelbwesten („gilets jaunes“). Polizisten auf den Champs-?lysées werden hier von ihnen mit Farbe überschüttet.(c) APA/AFP/ALAIN JOCARD
  • Drucken

Dass sich politische Bewegungen Gelb als Farbe wählen, wie die französischen Gelbwesten, ist in Europas Geschichte eine Besonderheit. Lange Zeit war Gelb vor allem eines: die Farbe der Verräter - und Verratenen. Des Bösen.

Rot wählten sich die Kommunisten, Grün die Umweltschützer, Blau die Konservativen, Schwarz die Anarchisten, Weiß die Monarchisten. Wo blieb das Gelb? Gelb ist in Europa die meistgemiedene Grundfarbe politischer Bewegungen. Ja, es wird mit liberalen Parteien assoziiert, und der deutsche FDP-Politiker Hans-Dietrich Genscher wurde als „Mann mit dem gelben Pullunder“ berühmt. Aber dass sich politische Aktivisten gelb kleiden, wie die Gelbwesten in Frankreich, kannte man bisher vor allem aus asiatischen Ländern wie den Philippinen oder Thailand. In der europäischen Geschichte wurde es vermieden.

Nur Grau sei neben Gelb noch politisch unbesetzt, meint sogar der französische Mediävist Michel Pastoureau. Vor einem Monat ahnte er noch nicht, dass sein bald in Frankreich erscheinendes Buch über die Farbe Gelb so tagesaktuell sein würde. Für ihn ist die Farbwahl der Gelbwesten „mutig“ – und „gefährlich“. Die Frage ist, warum.

Signal für Ekel, Schande und Betrug

Über Farbsymbolik werden die ersten Aktivisten, die gegen die Politik des französischen Präsidenten, Emmanuel Macron, auf die Straße gingen, freilich nicht groß nachgedacht haben. Protestiert wurde zunächst gegen zu hohe Spritpreise, dazu passte die gelbe Warnweste: Für kollektiven Protest war sie prädestiniert, jeder Autofahrer hatte sie parat, sie sorgte für starke Bilder in den sozialen Netzwerken und visuelle Vereinheitlichung einer geistig extrem uneinheitlichen Protestbewegung.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron
Österreich

Frankreichs Schulden "als einmalige Ausnahme tolerieren"

Der französische Präsident Emmanuel Macron erhält Rückendeckung von EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger. 2019 dürfe es aber kein so hohes Defizit mehr geben. Heuer wird dieses bei 3,2 Prozent der Wirtschaftsleistung liegen.
OETTINGER Guenther Guenther CDU EU Kommissar fuer Energie Politiker fotografiert im J
Österreich

Oettinger: Höhere französische Schulden "einmalig" tolerieren

Der EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger vollzieht einen Meinungswechsel und will für Frankreich eine Ausnahme machen. Zuvor hatte er sich noch für ein Defizitverfahren ausgesprochen.
Weniger Steuern auf Überstunden und doch keine neue Ökosteuer – das besänftigt die Demonstranten, kostet aber Geld.
Österreich

Frankreich über der Defizitgrenze

Macrons Zugeständnisse an die Gelbwesten treiben Neuverschuldung auf 3,2 Prozent.
Die französische Gelbwesten-Wende machte ein beunruhigendes, bisher aber eher zugedecktes Faktum sichtbar.
Leitartikel

Wie die Halbkeynesianer in Italien und Frankreich Europa ruinieren

Dass die zweit- und drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone ihre Finanzen nicht in den Griff bekommen, wird uns noch Kopfzerbrechen bereiten.
Außenpolitik

"Gelbwesten" trotzen der Terrorangst

Trotz des Anschlags auf einen Weihnachtsmarkt in Straßburg wollen Frankreichs Regierungskritiker auch am Samstag wieder auf die Straße gehen. Die Behörden sind nervös.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.