Vier Jahrzehnte gehörte Bosnien zu Österreich

Reverenz an eine gewaltige kulturelle Aufbauleistung der Monarchie.

Nur vierzig Jahre lang wehte Habsburgs Fahne über Bosnien und der Herzegowina – von 1878 bis 1918. Ein spätes Kronland der Monarchie, stets ein Sorgenkind der Machthaber, letztlich mit der Hauptstadt Sarajevo ein steter Unruheherd. 1914 schließlich sollte der Name dieser Stadt um die Welt gehen.

Zwei Autoren, ein Wirtschaftswissenschaftler und ein Berufsoffizier, haben sich der Mühe unterzogen, die vielfältigen Verbindungen zu dem Kronland auf dem Balkan darzustellen – soziologisch, kulturell, technisch, militärisch. Sie schildern die unschätzbaren Verdienste, die sich Österreich um die Entwicklung dieses Gebiets erworben hat. Eines Landstrichs (26.000 Quadratkilometer groß, 1,1 Millionen Einwohner), der unter osmanischer Herrschaft nicht gerade pfleglich behandelt oder gefördert wurde. Und daher per se absolut nicht ins Gefüge der Donaumonarchie passte.

Wie kam Wien überhaupt auf die Idee? In der Rivalität der europäischen Mächte um koloniale Expansion in Übersee war Österreich-Ungarn als Kontinentalmacht nicht sehr erfolgreich gewesen. Deshalb ergriff man 1878 am Berliner Kongress die Möglichkeit, sich Bosnien und die Herzegowina als Kolonie vor der Haustür zulasten des Osmanischen Reiches einzuverleiben. Viel an Kolonialwaren gab es freilich nicht zu holen: Zwetschen und Slivovic, spottete man.

Der Einmarsch der k.u.k. Truppen in Bosnien und der Herzegowina gestaltete sich aber viel mühsamer, als sich das Wien vorgestellt hatte. Man träumte, von der Bevölkerung als Befreier vom osmanischen Joch bejubelt zu werden. Das Gegenteil war der Fall. Es kam zu heftigen Gefechten. Einer der einheimischen Aufrührer hieß Hadschi Loja, ein wilder Mohammedaner, der in einem Gefecht von den Österreichern gefangen genommen werden konnte und auf dem Weg in den Kerker als Trophäe durch Wien geführt wurde. Er hinkte wegen einer Schussverletzung. Der Wiener Dialekt machte daraus das Wort „Hatscherter“.

Ohne Infrastruktur

Dies alles war ein Vorgeschmack darauf, dass es nicht einfach werden würde, das Land zu befrieden und die Sicherheit der Bevölkerung gegenüber marodierenden Banden und Aufständischen zu gewährleisten. Aus diesem Grund widmet sich das Buch mehr als bisher erschienene Habsburg-Nostalgien ausführlich den militärhistorischen Fakten, aber es erschöpft sich nicht nur darin. Es zeigt auf, wie Österreich-Ungarn als Entwickler und Investor der Infrastruktur in dem neuen Kronland tätig wurde. Gewaltig waren die Fortschritte im Eisenbahn-, Brücken- und Straßenbau, beim Postwesen und einem flächendeckenden Bildungswesen. Der Aufschwung der vom ottomanischen Reich so stark vernachlässigten Provinz war tatsächlich atemberaubend. Schließlich war es auch der orientalische Reiz des Landes – verbunden mit landschaftlicher Schönheit und vielen Heilquellen – der dazu beitrug, den Fremdenverkehr für mitteleuropäische Reisende attraktiv zu machen.

Viele Bosnier verbinden auch heute noch eine positiv tradierte Erinnerung an die wenigen Jahre österreichisch-ungarischer Herrschaft in ihrem Land. Der Bosnienkrieg der Neunzigerjahre im Zuge des Zerfalls des kommunistischen Jugoslawien zeigte umgekehrt, dass auch die heutigen Österreicher von diesen gemeinsamen vierzig Jahren geprägt sind. Immer noch.

Helmut Friedrichsmeier, Michael Pesendorfe:
„Bosnien. Von der Save bis zur Drina – auf Altösterreichs Spuren“,
Kral-Verlag Berndorf,
311 Seiten, 26,90 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2019)

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