Der Tod des letzten Vorstadtdesperados

Johann Breitwieser (auch „Braitwieser“), genannt der „Robin Hood von Wien“, fast auf den Tag genau ein Jahr vor seinem Tod.
Johann Breitwieser (auch „Braitwieser“), genannt der „Robin Hood von Wien“, fast auf den Tag genau ein Jahr vor seinem Tod. Landespolizeidirektion Wien (Archiv)
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Am 1. April 1919 setzten Polizisten dem Leben des Wiener Einbrecherkönigs Johann Breitwieser ein Ende. Für weite Teile der kriegsgebeutelten Bevölkerung war er ein „sozialer Rebell und Wohltäter“. Zum Begräbnis kamen 20.000 Menschen.

Als die „Neue Freie Presse“ am 2. April 1919 von der Verhaftung und im Abendblatt von dem Tod des Ein- und Ausbrecherkönigs Johann „Schani“ Breitwieser schreibt, liest sich das, als wäre von einer Wild-West-Legende wie Billy the Kid die Rede. „Mehr als ein Vierteljahr hat man den Verbrecher gesucht. Er war so gefürchtet, daß die Nennung seines Namens ein Schrecknis wurde und Panik hervorrief“, steht geschrieben. „Wenn in der letzten Zeit ein Kasseneinbruch verübt wurde, glaubte man an seine Täterschaft, und oft wollte man ihn gesehen haben. Tausend Kronen Belohnung waren auf seine Ergreifung ausgesetzt, als er nach Weihnachten auf verwegenste Art aus der landesgerichtlichen Haft entsprang.“

Johann Breitwieser war nicht irgendein Verbrecher der Wiener Unterwelt, das belegen auch die vermutlich 20.000 Besucher bei seinem Begräbnis. Teilweise bis heute wird er als moderner Robin Hood, als letzter Outlaw Wiens, hochstilisiert. Der „rasende Reporter“ Egon Erwin Kisch huldigte dem Vorstadtdesperado nach seinem Tod mit der Bezeichnung „Mann der Tat, des Mutes, des Ernstes und der Intelligenz“, der bloß das falsche Gewerbe gewählt habe. Der Literat Alfred Polgar verfasste schon zu Lebzeiten ein hymnisches Essay mit dem Titel „Ein Heldenleben“, in dem er ihn als „echtesten Sohn einer großen Zeit“ bezeichnete.

Vorstadt, gefürchteter Ort. Breitwieser stammte aus der Vorstadt – für das bürgerliche Wien um 1900 ein Ort potenzieller Rebellionen, des Siechtums, der Prostitution, Kriminalität sowie der ethnisch-kulturellen Unordnung, wie Historiker Wolfgang Maderthaner in seinem Buch „Die Anarchie der Vorstadt. Das andere Wien um 1900“ schreibt. Die urbane Peripherie wurde „zum Territorium des Niederen, des Abstoßenden, des Abschaums und der Unkultur und damit zum ,Anderen‘ der bürgerlichen Gesellschaft“ erklärt.

Es ist Hermann Kraszna, dem Journalisten und Herausgeber der Justiz- und Kriminalzeitung „Tribunal“, zu verdanken, dass man heute relativ viel über das Leben des Verbrechers weiß. Sechs Jahre nach dem Tod des „Eisenschlitzers“ verfasste Kraszna eine Biografie mit dem Titel „Johann Breitwieser. Ein Lebensbild“. Nachkommen der Unterweltlegende haben über die Webseite Breitwieserschani.at dieses vergriffene Buch verfügbar gemacht.

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