Die Bundeshymne – eine Sache von 15 Minuten

Ministerrat 1947. Der Text von Paula Molden-Preradović war eine Notlösung, weil es schnell gehen musste.

Wien/Hws. Genau fünfzehn Minuten erübrigte der Ministerrat am 25.Februar 1947 für den Text der neuen Bundeshymne – man hatte wirklich Wichtigeres zu erledigen. In London tagten die alliierten Außenminister– vielleicht auch schon über einen Friedensvertrag für Österreich. Es gab die ständigen Reibereien mit der sowjetischen Besatzungsmacht usw.

Noch am 11.Februar (Tagesordnungspunkt 15) waren die Herren Minister mit den Hymnentexten äußerst unzufrieden gewesen und hatten versucht, das unangenehme Thema wegzuschieben. Bundeskanzler Figl: „Die neuen Entwürfe gefallen mir absolut nicht.“ – Innenminister Helmer: „Die beiden Texte sind unmöglich.“

Aber Unterrichtsminister Hurdes warnte: „Das Hinausschieben ist keine Lösung. Wenn wir eine Volksabstimmung machen, so sind achtzig Prozent des Volkes für die Haydn-Melodie. Auf die Mozart-Melodie ist, wie man allgemein versichert, ein Text nicht zu machen. Jetzt bin ich aber dafür, nachdem wir uns für Mozart entschieden haben, dass wir auch B sagen, wo wir schon das A gesagt haben!“

Figl: „Eine Abstimmung haben wir im Ministerrat noch nie gemacht. Ministerratsbeschlüsse sind nur gültig, wenn sie einstimmig sind. Nun stelle ich fest, dass fast alle dagegen sind. Wir werden also warten, dass in London den Piefkes die Haydn-Hymne als ein altes österreichisches Kulturgut untersagt werden möge, um dadurch vor aller Welt den österreichischen Anspruch auf diese Melodie zu dokumentieren.“ Doch Hurdes handelte rasch.

Am 25.Februar betreten die Wiener Sängerknaben um 9.20 Uhr den Ministerratssaal, begleitet vom Ministerialrat Wisoko-Meytsky aus dem Unterrichtsministerium und dem Leiter der Sängerknaben, Hofrat Monsignore Josef Schnitt. Jetzt kann es gar nicht schnell genug gehen.

Sängerknaben als Testpersonen

Zwei Texte liegen der hohen Runde vor: jeweils drei Strophen – von Frau Paula Molden-Preradović und von dem katholischen Schriftsteller Dr. Sigmund Guggenberger. Sie haben es ins Finale geschafft. Frau Preradović, die Ehefrau des späteren „Presse“-Chefredakteurs Ernst Molden, hat 47Punkte vorzuweisen, Guggenberger, der in dieser Zeit öffentlicher Rundfunk-Verwalter ist, steht bei 45 Punkten.

Aus dem Protokoll:

„Die Sängerknaben singen daraufhin die neue Hymne mit diesen Texten.

BM Dr. Hurdes: Der Text von Frau Preradović lässt sich leichter singen, sie hat noch einige Änderungen im Text vorgeschlagen. Es wäre vielleicht angezeigt, falls wir uns überhaupt über diese neue Hymne und ihren Text einigen sollten, Sachverständige einzusetzen, damit von diesen die Änderungen im Text von Preradović durchgeführt werden.“

Im Text hat Frau Preradović in den Strophen eins und drei schon einige Änderungen vorgenommen, worauf nach Vorlesung des neuen Textes durch den Klavierbegleiter der Sängerknaben die Strophen eins und drei nochmals wiederholt werden.

Die Sängerknaben mit Min. Rat Dr. Wisoko und Hofrat Schnitt, für ihren Vortrag bedankt, entfernen sich um ca. 9 Uhr 35.

BK Figl: Gehen wir gleich zum Thema der Bundeshymne über.

BM Dr. Hurdes schlägt vor:

1. Eine Einigung auf den Text der Frau Preradović.

2. Die Bildung eines Unterausschusses, bestehend aus dem Vizekanzler, den Bundesministern Dr. Hurdes, Maisel, Dr. Altmann mit der Dichterin Preradović.

3. Die endgültige Formulierung des Textes durch den Unterausschuss hat die Wirkung eines Ministerratsbeschlusses.

Der Bundeskanzler stellt sodann die Annahme des Antrages des BM Dr. Hurdes fest.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2011)

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