Im Kampf gegen die sunnitische ISIL-Miliz werden die mechanisierten Kräfte der Regierungsarmee arg dezimiert. Besonders auffällig: Mindestens 28 von 140 schweren "Abrams"-Kampfpanzern gingen schon verloren.
Während die irakische Armee bei Tikrit nördlich von Bagdad zu einer Entscheidungsschlacht gegen die brutale sunnitische ISIL-Miliz angetreten ist (diese rief am Sonntag sogar offiziell ein Kalifat, also einen islamischen Staat, in Syrien und dem Nordirak aus), werden aus gut informierten Quellen unangenehme Neuigkeiten gemeldet: Demnach sollen die fanatischen, steinzeitreligiösen Milizen in den vergangenen Wochen und Monaten der irakischen Armee ungewöhnlich große Verluste an Panzern und gepanzerten Kampffahrzeugen beigebracht haben - unter anderem bei einem Modell, das (jedenfalls von US-Amerikanern, man kann darüber diskutieren) häufig als der so ziemlich beste Panzer der Welt genannt wird: dem M1 "Abrams" aus US-Produktion.
140 dieser rund 60 Tonnen schweren Kampfpanzer mit 120-Millimeter-Kanone und zwei bis drei MGs hatten die USA der neu formierten irakischen Armee in den vergangenen Jahren überlassen. Nun sollen laut Berichten aus US-Militärkreisen heuer aber bereits 28 davon großteils irreperabel beschädigt oder zerstört worden sein. Und: In mindestens fünf Fällen wurde - das ist bemerkenswert und besorgniserregend - die enorme, materialtechnisch komplexe Panzerung der Abrams durchschlagen. Da die Zahlen zudem nicht mehr ganz aktuell sind, ist sogar anzunehmen, dass ISIL mittlerweile mindestens 40 der 140 Abrams auf Regierungsseite vorübergehend oder ganz ausgeschaltet hat.
Die Panzerverluste gingen demnach vor allem auf Minen, andere große Sprengfallen und diverse tragbare Panzerabwehrwaffen (etwa RPG-Modelle) zurück - Panzerabwehrraketen sollen auch für alle fünf Durchschüsse verantwortlich gewesen sein. Einige dieser Panzerverluste wurden von ISIS zudem filmisch dokumentiert und die Bilder Medien übermittelt: Darauf ist in mindestens einem Fall zu sehen, wie die Kämpfer moderne weitreichende Lenkwaffen vom russischen Typ "Kornet" (NATO-Bezeichnung: AT-14 "Spriggan") oder Panzerfäuste des jugoslawisch/serbischen Typs M79 "Osa" ("Wespe") benutzen; die Osa tauchte bisher oft im syrischen Bürgerkrieg auf, im Irak aber nur sehr selten.
Einige Videos, zuletzt vom 6. Juni, sollen auch Kämpfer zeigen, die auf Abrams-Panzer klettern, die Turmluke öffnen und Sprengladungen hineinwerfen, worauf es zu einem "brew up" (siehe Titelbild zur Geschichte) kommt: Dabei entzündet sich Munition im Inneren, aus dem Turm sowie dem Kanonenrohr schießen enorme Flammenzungen hervor, man spricht zynisch auch davon, der Panzer "koche über", oder vom "Champagnereffekt".
Flucht der Crew oder taktische Fehler
Die Besatzung kommt in diesen Fällen in der Regel ums Leben - wobei bei den Videos unklar ist, ob die Crew überhaupt noch an Bord war. In beiden Fällen bedeutet das nichts Gutes: War sie nicht an Bord, wurde der Panzer offenbar zurückgelassen, möglicherweise kampflos; vielleicht war er aber auch schon bewegungsunfähig. War die Crew an Bord, so müsste die fahrende Festung in einem laufenden Gefecht von den Milizionären unmittelbar und körperlich attackiert worden sein, was auf schwere taktische Fehler der Iraker hinweist - vor allem, dass kein infanteristischer Begleitschutz vorhanden war.
Bekannt ist, dass die irakischen M1 indes nicht den neuesten Bauartserien zugehören, sie verfügen etwa nicht über Zusatzpanzerungselemente aus abgereichertem Uran. Im übrigen wird von Wartungsmängeln berichtet, die auch dazu führen, dass bloß beschädigte irakische Panzer meist nicht mehr repariert werden können.
Fanatiker zeigen ihre Beute
Auch eine unbekannte Zahl anderer Panzer wurde zuletzt zerstört, etwa T-72 und (uralte) T-55 aus russischer, polnischer und ungarischer Quelle, von denen der Irak zuletzt insgesamt etwa 220 Stück im Arsenal hatte, zudem fielen zahlreiche der zuvor etwa 360 russischen BMP-1-Schützenpanzer aus oder wurden erbeutet. Zuletzt stellte die auch medial offensiv arbeitende ISIL-Miliz Bilder vor, auf denen zu sehen ist, wie erbeutete irakische T-55 und BMP-1 auf Lkw ins syrische Kriegsgebiet verfrachtet werden.
Der seit 1980 vor allem in den USA in Dienst gestellte Abrams (mehr als 9000 wurden seither von General Dynamics bzw. früher Chrysler gebaut) kam erstmals beim Golfkrieg 1990/91 zum Einsatz; dabei zerstörten die US-Truppen damit hunderte irakische Panzer (etwa T-72), verloren aber im Gefecht nur 23 Abrams - ein einziger US-Panzermann kam ums Leben, und im direkten Panzer-Panzer-Kampf ging maximal ein (!) Abrams verloren, wobei auch das gelegentlich bestritten wird. Von den 23 Panzern wurden überdies die meisten wieder repariert.
Kaum Ausfälle unter der Besatzung
Im Irak-Krieg von 2003 stiegen die Verluste auf mehr als 100 Stück, von denen erneut die meisten repariert werden konnten. Auch gab es angeblich keinerlei Ausfälle unter der Besatzung. Als gefährlichste Bedrohung erwiesen sich in diesem Krieg sowie später in den Jahren des Bürgerkriegs, als weitere Abrams getroffen wurden, Minen und gezielte Angriffe mit Panzerfäusten auf die Ketten, die Rückseite und von erhöhten Positionen (etwa Häusern) herab auf die Oberseite.
Am 29. Oktober 2003 gab es den ersten schweren Abrams-Verlust, als einer auf eine Mine lief, die zusätzlich mit Sprengstoff und Geschützgranaten verbunden war - bei der gewaltigen Explosion starben zwei Panzermänner, einer überlebte schwer verletzt. Später wurden die Abrams im Irak mit speziellen Schutzpaketen rund um die Fahrgestelle versehen, die ihre Überlebensfähigkeit gegenüber Sprengfallen und im urbanen Raum erhöhten.
Panzergeneral als Namensgeber
Benannt ist der Abrams übrigens nach General Creighton Abrams (1914-74). Er focht 1944/45 in Frankreich, Deutschland und der Tschechoslowakei als Offizier der 4. US-Panzerdivision, war 1968-72 Chef der US-Truppen in Vietnam und zuletzt Stabschef der US Army.