Kleine Nischen und große Würfe

(c) Stanislav Jenis
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Wie forschen Studenten? Und woran? Sie analysieren Proben, führen Interviews, bauen Satelliten und Rennautos oder recherchieren in historischen Schriften. Die Ergebnisse sind so vielfältig wie ihre Fächer. Und haben doch eines gemein: Sie sind spannend und neu.

Aesops Fabeln in Japan: scheinbare Kinderliteratur als humorige Gesellschaftskritik

Intellektuelle Rätsel. Die Blockdrucke des japanischen Künstlers Kawanabe Kyosai.
Intellektuelle Rätsel. Die Blockdrucke des japanischen Künstlers Kawanabe Kyosai.(c) Stanislav Jenis

Migration ist ein alter Hut in der Geschichte. Auch dass griechische Fabeln von japanischen Künstlern adapiert wurden und so westliche Elemente den östlichen Alltag mitgestaltet haben, raubt einem jetzt nicht den Atem. Nun: Forschung muss nicht immer auf dem Mond landen. Manchmal ist der Blick in die Tiefe genau das Faszinierende: zu erkennen, wie die Welt in einem winzigen Teil zusammenhängt. „Ich untersuche das Werk des japanischen Künstlers Kawanabe Kyosai, der von 1831–1889 gelebt hat“, erklärt Petra Palmeshofer, Dissertantin an der Uni Wien. „Welchen Einfluss die Fabeln Aesops auf ihn haben, wie er sie einsetzt, um Missstände aufzuzeigen.“ Die Fabeln, die erstmals 1593 vom Jesuitenorden und um 1860 als englisches Touristensouvenir nach Japan gebracht wurden, verwendete er als Grundlage für eigene Geschichten, etwa über technischen Neuerungen, Medien, die Einführung der westlichen Kleidung und Essensvorgaben. Er verpackte sie in scheinbare Kinderliteratur, um sie publizieren zu können, und erreichte so die Massen. Wie Palmeshofer auf die Idee kam? „Die Aesop-Bilder sind mir beim Doppelstudium Latein und Japanisch/Spanisch aufgefallen – und haben mich fasziniert und erheitert. Der Künstler war ein sehr humorvoller Mensch.“ Beruflich hat ihr die Arbeit viele Möglichkeiten eröffnet: „Mehrere Sprachen zu sprechen gibt auch die politische Freiheit, jederzeit in einem anderen Land leben zu können, sollte es notwendig sein.“ Kyosai fasziniert sie weiterhin: „Ich bin schon gespannt, was ich noch herausfinden werde.“

Hoch hinaus: österreichischer Minisatellit

Das Pegasus-Team der FH Wiener Neustadt.
Das Pegasus-Team der FH Wiener Neustadt.(c) FH Wiener Neustadt

Die Begeisterung für den Weltraum war es, die David Jelem nach seinem TU-Bachelor in Physik zum Masterstudium Aerospace Engineering an der FH Wiener Neustadt gebracht hat, und dort zu Pegasus. Pegasus, ein 10 x 10 x 20 Zentimeter kleiner (Doppel-)CubeSat, wird der dritte Satellit aus Österreich sein und gemeinsam mit 50 internationalen Geschwistern den nahen Weltraum erforschen. Das Konzept der relativ billigen und rasch gebauten CubeSats wurde in Standford ersonnen, damit auch Studenten an einer Weltraummission mitarbeiten können. Diese Gelegenheit nutzen bei Pegasus Studenten der FH Wiener Neustadt, der TU Wien, der Uni Wien sowie des ÖWF. Neben Messungen der Elektronendichte in der Thermosphäre wird der Satellit ein Ionentriebwerk zur Regelung seiner Ausrichtung testen. Damit beschäftigt sich auch David Jelem. Genauer gesagt, mit der Software, mit der der Satellit bei den Vorabtests im Labor ausgerichtet wird. Die von ihm und einem Kollegen entwickelten Algorithmen sind die Grundlage für den letztendlichen Steuerungscode des Satelliten. Die Orientierung im All erfolgt anhand der Sonne, die im Labor durch LED simuliert wird. Wie der Lichtsensor der Sonde auf diese Kunstsonne reagiert, hat Jelem bereits im Rahmen eines Pflichtpraktikums gemessen – und so Kontakt zum Projektteam geknüpft. In Zukunft wird der 24-Jährige, der Teilzeit bei der Forschungsagentur der FH arbeitet, vorerst dem Weltraum treu bleiben. Nach einer Masterarbeit über Ionentriebwerke soll ein Doktorat folgen, am liebsten bei der ESA.

Vernetzung: Die Städte smarter machen

Plattform. Die FH Technikum Wien bündelt Wissen über Smart Cities.
Plattform. Die FH Technikum Wien bündelt Wissen über Smart Cities.(c) Stanislav Jenis

Smart Cities, dieses Schlagwort beschäftigt Darya Bululukova an der FH Technikum Wien. „Smart Cities sind komplett neue Stadtkonzepte, bei denen sich die Menschen wohlfühlen und die Technologie in unseren Alltag so unaufdringlich integriert ist, dass wir nicht mehr darüber nachdenken müssen“, erklärt Bululukova. Ihre Arbeit als Angestellte der FH Technikum Wien ist Teil des von der MA 23 geförderten Projekts EU-Ascin (European Academic Smart Cities Network). „Mit unseren Partnern versuchen wir, das Thema Smart Cities in den akademischen Bereich zu integrieren“, sagt Bululukova.
In ihren Recherchen hat sie festgestellt, dass die existierenden Studienprogramme sich nur mit einzelnen Bereichen wie urbaner Mobilität, Energietechnologien oder IKT beschäftigen. Ein übergreifendes Studienprogramm zum Thema fehlt aber. „In Zukunft werden Spezialisten gefragt sein, die das Zusammenspiel zwischen alternativen Energietechnologien, umweltfreundlicher Mobilität und IKT in einer Stadt verstehen können.“ Um diese Lücke zu schließen, soll unter anderem eine Webplattform die verschiedenen Partner miteinander vernetzen und Wissen bündeln. Derzeit arbeitet Bululukova, die bereits während ihres Bachelorstudiums Verkehr und Umwelt bei kleineren Projekten mitgearbeitet und den Studiengang auf Bildungsmessen und Open Days präsentiert hat, an dieser Website. Dabei recherchiert sie die Inhalte, bereitet sie auf, macht Lernkurse verfügbar und ist auch für Design und Programmierung zuständig. Im April hat sie das Projekt in Lissabon auf einer internationalen Konferenz vorgestellt, und ihr Paper wurde für die Veröffentlichung in einem wissenschaftlichen Journal im Smart-Cities-Bereich ausgewählt. Ende Oktober folgt ein Workshop in Amsterdam über ein Big Data Software Framework. Big Data – also die intelligente Zusammenführung vieler Einzeldaten aus verschiedensten Quellen – ist jener Bereich des weiten Feldes Smart Cities, auf den sich Bululukova in Zukunft spezialisieren will. Ab November hält sie an der FH einen eigenen Kurs zu Big Data für Smart Cities ab.

In ihrem weiterem Studiengang will sich Bululukova wieder mehr der Technik zuwenden und belegt nun an der FH Technikum Wien den Masterstudiengang Embedded Systems.

Start-up-Ideen: Zahlt sich Verschwiegenheit aus?

Achtung, Interview!  Chiara de Eccher befragt zukünftige Gründer.
Achtung, Interview! Chiara de Eccher befragt zukünftige Gründer. (c) Stanislav Jenis

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold – oder doch nicht? Chiara de Eccher geht dieser uralten Frage im neuen Kontext von Geschäftsideen nach. „Start-ups und das Thema Offenlegung von Ideen wird gerade bei nicht patentierbaren Ideen wie Online-Plattformen oder Apps derzeit viel diskutiert“, so die Studentin des englischsprachigen Masters in Strategy, Innovation, and Management Control an der Wirtschaftsuniversität Wien. „Wir wollen herausfinden, weshalb und in welchen Zusammenhängen Unternehmensgründer über ihre Start-up-Ideen reden oder eben nicht.“ Warum entscheiden sich in der gleichen Situation manche Unternehmensgründer dafür zu reden, während andere es vorziehen zu schweigen? Was sind die Gründe für eine Offenlegung oder die Zurückhaltung von Informationen über die Geschäftsidee? Um das herauszufinden, darf man selbst natürlich nicht schweigsam sein – sondern muss an der Quelle nachfragen und zahlreiche (zukünftige) Gründer zum Thema interviewen. „Es macht mir großen Spaß, Einblick in das Thema und auch Feedback zu bekommen“, sagt de Eccher. Nach einem standardisierten Verfahren werden nicht nur die Fragen gestellt, sondern natürlich auch ausgewertet. Ziel ist die Erstellung eines aus den Interviews abgeleiteten theoretischen Frameworks. Dieses fließt in eine umfangreiche Studie zum Thema ein – sie startete 2014 und soll bis 2018 gehen – die Martin Finkenzeller am Institut für Entrepreneurship & Innovation im Rahmen seiner Dissertation erstellt. Beteiligt sind dabei noch weitere Studenten. De Eccher: „Wir vermuten, dass viele Unternehmensgründungen nicht zustande kommen oder scheitern, weil die Ideen nicht mit anderen ausgetauscht und diskutiert werden – und es also sein könnte, dass sie häufig an vermeidbaren Fehlern scheitern.“ Hier eine Informationslage zu schaffen, die vielleicht zukünftigen Gründern den entscheidenden Tipp zur richtigen Strategie geben kann, „spornt einen natürlich schon an“, so Eccher. Man darf also gespannt sein, ob angehende Unternehmer in Zukunft ganz selbstverständlich über ihre Ideen sprechen werden.

Bolidenbau: Sponsoren suchen, tüfteln, forschen, fahren

Stark im Team. Alles selbst gemacht – mit  verteilten Aufgaben.
Stark im Team. Alles selbst gemacht – mit verteilten Aufgaben.(c) Beigestellt

Diese Saison war seit der Gründung von Joanneum Racing Graz 2003 die erfolgreichste“, erzählt Mario Szabo-Kass, Organisationsleiter und Student der Fahrzeugtechnik an der FH Joanneum. „Bei vier Bewerben haben wir von 600 erreichbaren Punkten für Engineering-Design 598 erhalten und in Italien einen Gesamtsieg eingeholt.“ Klingt toll, passiert aber nicht so en passant: Das Ziel des internationalen Konstruktionswettbewerbs Formula Student ist es schließlich, ein einsitziges Rennfahrzeug nach vorgegebenen Regeln zu bauen und an internationalen Bewerben teilzunehmen.

Möglich gemacht haben das ein engagiertes Team mit rund 30 Mitgliedern – und neue Erkenntnisse aus der Forschung, die konsequent umgesetzt wurden. „Untersuchungen, Entwicklungsarbeiten, Auslegung und Tests von zahlreichen Komponenten des Verbrennungsmotors, des gesamten Fahrwerks, der Karosserie und des Aerodynamik-Pakets“, zählt der Masterstudent auf.

Konkret geforscht wird am Motorenprüfstand, im Windkanal und auf Teststrecken. „Dazu kommt die computergenerierte Simulation von Bauteilen und Gesamtfahrzeug“, erklärt Szabo-Kass. Dabei werden die Beanspruchung durch Kräfte und das aerodynamische Verhalten untersucht. Damit das überhaupt möglich ist, muss ein Teil des Teams schon Vorarbeit geleistet haben: durch die Gewinnung von Sponsoren, die das Projekt
finanziell, mit Dienstleistungen oder Materialien unterstützen. „Das ist fast mehr Aufwand als die Forschung und Entwicklung“, so der Teamleiter. Auch in anderen Bereichen ist das Projekt sehr praxisbezogen: „Man lernt, in einem Team zu arbeiten, selbstständig Aufgaben durchzuführen und Termine einzuhalten.“

Szabo-Kass selbst hat sich „schon immer“ für das Projekt interessiert und wurde vom Team als Organisationsleiter gewählt. Nun ist er für das Management des Projektes, die Koordination der Meilensteine, die Organisation von Veranstaltungen, Ausstellungen, Bewerben und den Kontakt zur Öffentlichkeit zuständig. Bis Ende des Jahres – dann erhält eine neue Gruppe die Möglichkeit, die bisherigen Ergbnisse zu toppen. Seine Erfahrungen sind durchwegs positiv: „Wenn man offen ist, Teammitglied zu werden, Verantwortung zu übernehmen und eine Zeit lang Freizeit und Privatleben zurücksteckt, kann man nur gewinnen.“

Laborarbeit: Im Team das Rätsel der Katalysatoren lösen

(c) TU Wien, Privat

Eisenoxid, landläufig auch als Rost bezeichnet, klingt nicht unbedingt nach einem spannenden oder prestigeträchtigen Forschungsgegenstand. Dennoch ist Matthias Poglitsch begeistert, wenn er von seiner Tätigkeit in der Gruppe für Oberflächenphysik der TU Wien spricht. Er beschäftigt sich im Rahmen seiner Bachelorarbeit – gemeinsam mit einem Doktoranden – mit einer speziellen Form von Eisenoxid, nämlich Magnetit in kristalliner Form, und dessen Nutzung als Katalysator. Dazu werden gezielt Fremdatome aufgebracht und deren Anordnung mit dem Rastertunnelmikroskop überprüft. Das Erforschen von Oberflächeneigenschaften – im Schnittpunkt zwischen Physik und Chemie – ist ein komplexes Feld. Poglitsch umschreibt seine Aufgabe dabei in einfachen Worten: „Ich bringe die Kristalle mit verschiedenen Stoffen in Berührung und schaue, was hängen bleibt.“

Das Interesse an Oberflächenphysik hat sich erst im Zug der Bachelorarbeit entwickelt. Die Motivation, das Thema zu wählen, waren die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten für Katalysatoren. „Ich wollte keine Arbeit für die Schublade verfassen, sondern schon für den Bachelor etwas Sinnvolles machen“, so Poglitsch. Eine nicht unwesentliche Rolle spielte der Ruf der Gruppenleiterin Ulrike Diebold, die 2013 mit dem renommierten Wittgenstein-Preis ausgezeichnet wurde. Last but not least stimmt auch die Chemie mit dem Leiter der (Unter-)Gruppe, Gareth Parkinson, den Poglitsch bereits von Lehrveranstaltungen kennt. Überhaupt schwärmt der Student von der familiären Atmosphäre in der Gruppe bis hinauf zur Leiterin, die – auch geprägt durch Forschungsaufenthalte in den USA – einen amikalen Umgangston eingeführt habe. „Wir haben sogar ein eigenes Fußballteam.“ Die Bachelorarbeit hat auch sein Bild von wissenschaftlicher Tätigkeit geändert: „Man arbeitet nicht einsam in dunklen Kellern, sondern im Team in modernen Labors.“

Ob Poglitsch letztendlich in die Forschung gehen wird, ist aufgrund seiner vielseitigen Interessen dennoch offen. Neben seinem Physikstudium besucht er Vorlesungen an der WU und will zusätzlich ein Medizinstudium beginnen.

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