Ute Bock - 24 Stunden sind für einen Tag zu kurz

Bock
Bock(c) Michaela Bruckberger
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Warum Ute Bock immer noch nicht im Orient war und manchmal doch zufrieden ist – obwohl täglich mehr um einen Schlafplatz bitten. Porträt einer Unermüdlichen.

Eine Katze, fünf Stunden Schlaf täglich, 100Wohnungen, 400 Bedürftige. Wer Ute Bock, Kandidatin für die „Presse“-Leser-Wahl der „Österreicher des Jahres“ in Zahlen fasst, hat eigentlich schon alles gesagt – und doch das meiste übersehen.

Denn obwohl die Hilfe für bedürftige Österreicher und Asylwerber, die die 68-Jährige von der Wiener Leopoldstadt aus koordiniert, acht Jahre nach Vereinsgründung beachtliche Eckdaten vorweist, lässt sich die Menschenfreundlichkeit des Imperiums Bock numerisch kaum fassen. So dicht und fein zugleich sind die Fäden, die die ehemalige Erzieherin in 41Jahren Engagement quer durch das Sozialsystem gespannt hat, dass es ihr heute manchmal selbst ein wenig unheimlich wird. Aber das würde Frau Bock selbst nie so sagen – sie beklagt bestenfalls, dass sie nicht mehr jeden unterbringen kann, der an die Tür Karmelitergasse2 klopft. „Ständig werden Leute zu mir geschickt, manchmal bleibt einfach ein Auto stehen und lädt wen ab“ sagt sie. „Bis vor einem Jahr musste ich niemanden abweisen, das geht jetzt nicht mehr.“ Es ist einer der wenigen Sätze von Ute Bock, der auf einer allgemeineren Ebene von „der Arbeit“ oder „den Problemen“ erzählt – wenn man sie nicht aufhält, wird sie zur lebendigen Nachrichtenagentur für schwere Einzelschicksale – und berichtet. Schier unaufhörlich, in tiefstem Wienerisch und sehr direkt. Von jenem Tschetschenen etwa, der „viel zu früh“ aus der Psychiatrie entlassen wurde, tagelang in Bocks Büro übernachtete und, so Bock, „komplett spinnt“. Er sitzt mittlerweile in Haft – „oder wieder in der Psychiatrie“. Oder von der armenischen Studentin, die zusammenbrach, als sie nach fünf Jahren in Österreich von ihrer Abschiebung erfuhr. Wenn Bock erzählt und sich die mehr als holprigen Lebenswege ihrer Klienten zu einem menschlichen Chaos verdichten, dringt die Erzieherin in ihr an die Oberfläche.

Streng sein, Halt geben

Die Erzieherin, die nun Ordnung schafft im Leben derer, die es an den Rand verschlagen hat. Streng sein, Grenzen aufzeigen, trotzdem Halt anbieten. So könnte man Ute Bocks soziale Werkzeuge beschreiben – oder ihr Talent. Bock formuliert das anders: „Ich hatte mein Leben lang mit Narren zu tun und habe nie aufgehört, Erzieherin zu sein; ich kann das halt.“

Ordnung im Leben. Die beginnt für rund 1000Obdachlose schon beim Vorhandensein einer Postanschrift in Ute Bocks Haus. Viel wichtiger ist jedoch regelmäßige Ernährung. 4000Euro Essensgeld verteilt Bocks Verein pro Woche, Einzelpersonen erhalten 20Euro, Familien 60Euro. Für eine ganze Woche. Woher das Geld kommt? „Von Spenden“, so Bock, „manche geben fünf Euro im Monat, einer kam mit 30.000Euro im Kuvert“. Für jene Minderheit ihrer Schützlinge, die vom Staat die Grundversorgung erhalten, erhält Bock Mietgeld. Bock hat rund 50Mitarbeiter, die meisten ehrenamtlich, fünf sind bezahlte Teilzeitkräfte, die mit Sprachenkenntnissen und juristischer Expertise die Beratungsstelle unterstützen oder Deutschkurse organisieren.

Wie Ute Bock den Überblick über all das behält – vor allem finanziell? Die Antwort ist ihre Hand, die in Richtung Decke zeigt. „Da ist einer, der aufpasst, dass ich nicht zu viel ausgebe.“ Wer jetzt? Gott? „Na ein Buchhalter, der mir nur Einzelsummen aufs Konto überweist, damit wir nicht außer Kontrolle geraten.“ Aufhören will Bock nicht. Eigentlich nie. „Früher wollte ich in den Orient reisen, aber das interessiert mich alles nicht mehr; mich wird einmal der Schlag treffen, hier im Büro.“


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