Robert Sommer

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Mitbegründer des "Augustin": 17 Jahre nach Gründung ist der „Augustin“ von Wiens Straßen nicht wegzudenken. Aber das Leben der Verkäufer auf den Straßen wird härter.

Der „Augustin“, so scherzt Robert Sommer, sei ein Projekt der Superlative. Schließlich nennt sich der „Augustin“ selbst am Cover „Erste österreichische Boulevardzeitung“. „Wir waren vor dem Aufnahmestopp die niederschwelligste Einrichtung der Welt“, sagt Sommer, der den „Augustin“ 1995 mitbegründet hat. Und dann gäbe es da noch das „Augustin“-Musikprojekt Stimmgewitter, die, nach eigenem Bekunden, älteste Punkband der Welt. Das Stimmgewitter gibt es zwar erst seit zehn Jahren, aber Bescheidenheit wäre beim „Augustin“ nicht angebracht.

Schließlich ist die Straßenzeitung 17 Jahre nach ihrer Gründung eine Wiener Instanz und von Wiens Fußgängerzonen, aus den U-Bahn-Stationen oder den Schanigärten nicht wegzudenken. 500 Verkäufern bietet der Verkauf des „Augustin“ heute einen Zuverdienst – oder die einzige Einnahmequelle. Die Hälfte des Preises von 2,50 Euro bleibt dem Kolporteur, die andere geht an den Herausgeberverein Sand & Zeit – ein Spiel mit dem Begriff der „Sandlerzeitung“.

Aber mittlerweile verkaufen nicht nur Obdachlose den „Augustin“. „Wir sind offen für jede Fraktion der Armut. Für Flüchtlinge, Haftentlassene, für Menschen mit Süchten oder mit psychiatrischen Diagnosen“, sagt Sommer. Jeder dritte Verkäufer ist heute ein Obdachloser mit österreichischem Pass (der Frauenanteil bewegt sich im unteren zweistelligen Bereich, steigt aber), ebenfalls ein Drittel kommt aus Osteuropa, ein Drittel sind Asylwerber, die kaum andere Möglichkeiten haben, Geld zu verdienen.

Und der Bedarf an Projekten wie diesem ist offenbar groß. Zuletzt musste der Verein einen Aufnahmestopp verhängen, so groß war der Andrang (potenzieller) Verkäufer. Zuvor konnte jeder kommen. „Missbrauch gibt es nicht, da sich jeder Verkäufer als jemand outet, der am Rand ist. Das will ja niemand“, so Sommer. Allerdings, seit Betteln verboten ist, verwenden auch Menschen, die nicht als Verkäufer registriert sind, den „Augustin“ als Schutzschild beim Betteln.

In den 17 Jahren, die es den „Augustin“ schon gibt, ist auch die Konkurrenz an Straßenzeitungen gewachsen – dazu kommt die allgemeine Krise der Zeitungen: So ist die Auflage des „Augustin“ gesunken. Lag sie 2007 noch bei 35.000 Stück, waren es zuletzt nur 25.0000 bis 30.000. Vor wenigen Monaten hat das für eine veritable Krise gesorgt. 100.000 Euro pro Jahr hätten gefehlt, also wurde eine „LiebhaberInnen-Kampagne“ gestartet. 333 Leser wurden gesucht, die bereit waren, monatlich 25 Euro zu spenden.

Leben der Straßenverkäufer wird härter

Der Erfolg der Kampagne hat selbst das Team überrascht. 333 Liebhaber waren rasch gefunden, in Summe hätten sich 500 gemeldet, die Übrigen stehen nun auf einer Warteliste. „Das zeigt, viele sind doch der Meinung, dass es wichtig ist, dass es den ,Augustin‘ gibt“, sagt Sommer. Und den „Augustin“ gibt es heute nicht nur als Zeitung: Von jener Hälfte des Verkaufspreises, die an den Verein fließt, werden etwa das „Sturmgewitter“, die Theatergruppe „11%K.Theater“, eine Schreib- und eine Radiowerkstatt oder das Fußballteam Schwarz-Weiß-Augustin finanziert. Oder eine Rechtsberatung, die einmal pro Woche angeboten wird. Fünf der 13 angestellten Mitarbeiter des Vereins sind Sozialarbeiter, die mit den Kolporteuren auf der Straße oder im Büro Kontakt halten.

Denn auch das Leben der Kolporteure wird härter. Bedürftige auf den Straßen zu sehen ist offenbar unerwünscht – Stichwort Bettelverbot. Immer wieder, so erzählt Redakteurin Lisa Bolyos, würden Verkäufer von häufigeren Kontrollen und Anzeigen berichten. „Davon sind speziell Roma betroffen.“ Auch würden die Verkäufer vermehrt nach §78 StVO (Behinderung des Fußgängerverkehrs durch unbegründetes Stehenbleiben oder u.a. den Verkauf von Zeitungen) angezeigt. „Speziell in Einkaufsstraßen sind „Augustin“-Verkäufer offenbar oft unerwünscht und werden immer wieder angezeigt und mit Verwaltungsstrafen belangt“, so Bolyos.

Zur Person

Mitbegründer Robert Sommer und das Team der Wiener Straßenzeitung „Augustin“ sind bei der Austria'12-Wahl der Österreicher des Jahres in der Kategorie „Humanitäres Engagement“ nominiert. 500 Obdachlose oder Menschen in prekären Lebensverhältnissen leben in Wien (auch) vom Verkauf des „Augustin“. Neben der Straßenzeitung betreibt das 13-köpfige Team auch Musik-, Theater- oder Sportprojekte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2012)


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