Willi Resetarits: Eine Stimme für das Wien an den Rändern

Willi Resetarits
Willi Resetarits(c) Katharina Roßboth
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Der ehemalige Ostbahn-Kurti hält die Traditionen des Blues, des Wienerlieds und des kroatischen Volkslieds hoch. Und erneuert sie

Wien ist – noch vor Chicago – die größte Stadt der Burgenland-Kroaten, erklärte Willi Resetarits bei der heurigen Festwochen-Eröffnung auf dem Rathausplatz. Dann stimmte er „Lipo Ti Je ?ûti“ an, ein wunderschönes kroatisches Volkslied, die Klage einer Mutter, deren Sohn im Krieg ist. Dieses Lied, erzählte er mit der ihm eigenen Mischung aus Rührung und Schmäh, habe er schon pränatal gesungen, zweistimmig mit seiner Mutter. 1995 hat er es mit ihr erstmals vor großem Publikum vorgetragen: beim Fest der Freiheit auf dem Wiener Heldenplatz. „Auf diesen Auftritt hin“, sagt er heute nachdenklich, „hat meine Mutter sogar eine Briefbombe geschickt bekommen. Auch so können Lieder wirken . . .“

Willi Resetarits, 1948 in Stinatz geborener Burgenland-Kroate, ist eine große Wiener Stimme. Wirklich populär wurde er – nach seinen Jahren bei der Polit-Rockband Schmetterlinge, die immerhin die groß angelegte „Proletenpassion“ aufführten und 1977 am Songcontest teilnahmen (mit „Boom-Boom-Boomerang“, vorletzter Platz) – dabei als Kunstfigur: als Ostbahn-Kurti, der den Rock'n'Roll und die amerikanische Working-Class-Lyrik à la Bruce Springsteen nach Wien verpflanzte, nach Kagran oder in die Simmeringer Haide, mit dem Doppler statt dem Sixpack Bier. Die genialen Übersetzungen besorgte zwar Günter Brödl, doch Resetarits lebte diese Figur so authentisch, dass Tausende von „Chefheads“ seiner „Chefpartie“ nicht nur zum „Heimspiel“ auf dem Ostbahn-XI-Platz, sondern zu allen Konzerten folgten. Als Dr. Kurt Ostbahn (den Doktortitel, sagte er, habe er vom Bürgermeister von Podersdorf in Önologie bekommen) spendete er auch auf Radio Wien „Trost und Rat“, und zwar so charismatisch, dass manche ihn schon als den nächsten Heinz Conrads sehen wollten. Doch hätte sich der je so für Flüchtlinge engagiert wie Resetarits? Dieser hat immerhin das Integrationshaus und die Organisationen Asyl in Not und SOS Mitmensch mitbegründet.

Neueren Wienerliedern widmet sich Resetarits seit Langem. Er kann Gedichte von H. C. Artmann so innig singen, dass man zumindest kurz die kanonischen Versionen von Helmut Qualtinger vergisst. Seine Stimme hat einige berührende Texte von Ernst Molden noch berührender gemacht. Mit Molden teilt er die Freude an realen, mit Erinnerung aufgeladenen Orten, vom Hameau über die Döblinger Hammerschmidtgasse bis zum (ehemaligen) Schnellbahnhof Strandbäder. Seine Heimat Wien, sagte er einmal, liege an den Rändern, außerhalb des Gürtels. In diesem Sinn hat er auch Artmanns „da r ochtadreiska“ gesungen – und er kann sehr wienerisch, also mit leiser Selbstironie über die Abschaffung des J-Wagens raunzen.

Er lernte noch Trude Mally kennen


Doch Resetarits ist, als „Getriebener meiner musikalischen Vorlieben“, auch zu den Quellen gegangen, hat sich etwa „mit großer Freude“ noch mit der Wiener Volkssängerin und Dudlerin Trude Mally getroffen. Genauso stolz ist er darauf, „dass ich das Raschhofer Terzett aus dem Innviertel zu meinen Freunden zählen darf“.

Kroatisches und Deutsches, Blues, Jazz und Wienerlied: Mit – bei dichtem Schneefall in einer Selbstversorgerhütte am Stubner Kogel gegründeten – Stubnblues hat Resetarits in den letzten Jahren eine Band gefunden, die Musiktraditionen vereint, ohne sie in postmoderner Beliebigkeit zu vermantschen. Sieht er sich denn selbst als Pfleger von Kulturerbe? Klingt das nicht sehr konservativ? „Da fällt mir eine unscheinbare Bemerkung ein, die ich einmal vom Erich Clapton gehört hab: ,I do what I do.‘ Das ist es. Da merkt man gar nicht mehr, ob man innovativ oder konservativ ist. Weil man bei sich selber ist.“


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