Martina Fasslabend: Kinder- und Jugendschutz als Lebenswerk

Martina Fasslabend
Martina Fasslabend(c) Michele Pauty
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Humanitäres Engagement: Die Pädagogin und Juristin Martina Fasslabend ist die Präsidentin der Kinderschutzorganisation „Die Möwe“. Mit großem persönlichen Einsatz setzt sie sich seit fast 20 Jahren für die Rechte von Schutzbefohlenen ein.

Wien. Wenn es in Österreich um den Kampf gegen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen geht, führt kein Weg an Martina Fasslabend und ihrer Organisation „Die Möwe“ vorbei. Seit ihrem Einstieg in den damals sechs Jahre alten Verein 1995 engagiert sich die Frau des früheren Verteidigungsministers Werner Fasslabend mit großem persönlichen Einsatz – langjährige Weggefährten sprechen von „Selbstausbeutung“ – für den Kinderschutz.

Seit 1995 wurde „Die Möwe“, die anfangs nur über eine Beratungsstelle in Wien Meidling verfügte, sukzessive ausgebaut – mittlerweile gibt es Kinderschutzzentren in Wien, St. Pölten, Neunkirchen, Mistelbach und Mödling, 2006 wurde zudem die österreichweit erste Helpline für Missbrauchsopfer eingerichtet.

Fasslabends neuestes Projekt ist der Österreichische Kinderschutzpreis Myki, den sie 2011 ins Leben rief und der seither jährlich in mehreren Kategorien an Privatpersonen, öffentliche Einrichtungen und Unternehmen verliehen wird, die sich um den Kinderschutz und die Förderung von Kinderrechten verdient gemacht haben. 2012 wurde beispielsweise die Ö3-Wundertüte ausgezeichnet, mit der alte Handys einsammelt und zu Spenden für in Not geratene Familien verwandelt werden.

Leiden ein Leben lang

„Sexueller Missbrauch und schwere körperliche Misshandlung zählen zu den gravierendsten und nachhaltigsten Lebensbeeinträchtigungen eines Menschen“, sagt Fasslabend. „Den meisten gelingt es nicht aus eigener Kraft, derartige Erlebnisse zu verarbeiten, sie leiden ein Leben lang darunter. Eine geglückte Kindheit ist somit eine wesentliche Voraussetzung für ein gesundes, erfolgreiches Leben.“

Als die 56-jährige Pädagogin, die auch Jus studiert hat, als Präsidentin bei der „Möwe“ begann, waren ihre eigenen Kinder noch im Kindergartenalter. „Ich konnte persönlich erleben, wie schutz-, fürsorge-, vertrauens- und liebesbedürftig Kinder sind“, so Fasslabend. „Ich habe es daher als meine persönliche Verpflichtung betrachtet, extrem benachteiligten Kindern eine neue Chance und einen Zugang zu einem positiven Leben zu ermöglichen.“

Zu den wichtigsten Forderungen der „Möwe“ gehört unter anderem die verpflichtende psychotherapeutische Betreuung für Eltern, die durch Gewalt bei der Erziehung ihrer Kinder auffällig geworden sind. Erwachsene, die Gewalt als „Erziehungsmethode“ erlebt und sie somit als normal empfunden hätten, würden diese mit hoher Wahrscheinlichkeit an ihre Kinder weitergeben, erklärt Fasslabend.

Solche Erziehungsmuster könnten oftmals nur mittels professioneller Unterstützung überwunden werden. Ambulante Betreuung greife zu kurz, weil die Problemlage nicht in der Tiefe behandelt werde. Gefährdete Eltern bräuchten außerdem tägliche, intensive Unterstützung bei ihren Betreuungsaufgaben. „Die Möwe“ bietet daher auch kostenlose Workshops zu diesem Thema für Kinder, Eltern und Pädagogen an.

Reform des Mutter-Kind-Passes

Weitere Forderungen sind eine Reform des Mutter-Kind-Passes unter Einbeziehung psycho-emotionaler Faktoren. Zudem spricht sich Fasslabend für qualitätsgesicherte Elternbildungsprogramme und die Implementierung einer Schulung in Sachen Kinderschutz bei der Ausbildung von Lehrern aus. In Schulen müssten zudem mehr Psychologen und Sozialarbeiter als Ansprechpersonen zur Verfügung stehen. Nicht zuletzt brauche es mehr ambulante Versorgungsmöglichkeiten für Kinder mit psychischen Problemen. Und: Die klinisch-psychologische Behandlung sowie die Psychotherapie von Kindern und Jugendlichen sollte flächendeckend als Kassenleistung angeboten werden.

Zuletzt beklagte Fasslabend eine „Vernachlässigung der nächsten Generation“. Was für Kinder in Österreich getan wird, beruhe häufig auf Einzelkämpfertum und Privatinitiativen, nicht auf gesamtgesellschaftlicher Anstrengung. Sie kritisiert, dass die individuelle Förderung der Kinder sowie ihr Stellenwert in der Gesellschaft zu kurz kommen und psychische Erkrankungen in der medizinischen Versorgung zu wenig berücksichtigt werden.

Zur Person

Martina Fasslabend wurde 1957 in Hainburg geboren. Nach dem Gymnasium in Bruck an der Leitha besuchte sie die Pädagogische Akademie in Wien (Englisch und Sport) und studierte Jus. Seit 1995 ist sie die Präsidentin der Kinderschutzorganisation „Die Möwe“. 2011 rief sie den Österreichischen Kinderschutzpreis Myki ins Leben, der jährlich in mehreren Kategorien verliehen wird. Fasslabend ist mit dem früheren Verteidigungsminister Werner Fasslabend verheiratet und hat zwei Kinder.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2013)


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