Dirk Rupnow

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Zeithistoriker Dirk Rupnow will ein Geschichtsbild schaffen, das der Realität der österreichischen Gesellschaft entspricht. Denn die Geschichte der Migration ist bislang nicht dokumentiert

Zeithistoriker Dirk Rupnow wirkt ruhig, sein Fachbereich ist es nicht. „Wir sind da, wo es raucht und kracht, unangenehm und kontrovers wird“, sagt er. Rupnow hat Migrationsgeschichte als neuen Schwerpunkt an der Uni Innsbruck etabliert. Er will, dass sich Migranten auch in der österreichischen Geschichtsschreibung oder in Schulbüchern finden. Dort fehlen sie derzeit noch. „Sichtbarkeit in der Geschichte ist eine wichtige Grundlage für gesellschaftliche Akzeptanz“, sagt Rupnow, der für die Wahl zum „Österreicher des Jahres“ nominiert ist.
Gemeinsam mit seinem sechsköpfigen Team sammelt er in einem Projekt des Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF in mühsamer Kleinarbeit Dokumente zur Migration – Wissen, das er mit der österreichischen Geschichte verbinden will. „Wir brauchen einen anderen Zugang zur gegenwärtigen Realität der Gesellschaft. Die Vielfalt muss sich auch in der Geschichte abbilden“, so der Zeithistoriker.
Ein Projekt mit Schülern brachte Rupnow, der ursprünglich auf die Geschichte des Nationalsozialismus spezialisiert war, auf das in der Zeitgeschichte wenig beachtete Thema Migration. Und auch aktuell arbeitet er mit Jugendlichen aus drei Schulen. In einer Ausstellung in der Altstadt von Hall in Tirol will man die lokale Geschichte der Migration und damit ein wenig dokumentiertes Kapitel der Stadt einem breiten Publikum nahe bringen: nicht versteckt in einem Museum, sondern ab 26. September im öffentlichen Raum. Denn Hall war mit seinen großen Firmen früh ein Anziehungspunkt für Migranten aus der Türkei und Jugoslawien.

Geerdeten Blick bewahren

Verallgemeinerungen ärgern Rupnow. Allerdings will er nicht „Gralshüter der Wahrheit oder Oberlehrer der Nation“ sein. Wenn es aber gelänge, dass „Menschen manches anders und differenzierter sehen“, sei für ihn viel erreicht. Die Arbeit mit Schülern helfe dem Historiker, einen geerdeten Blick auf die Gesellschaft zu bewahren, den er so auf wissenschaftlichen Konferenzen nicht bekomme.
Seit 2010 leitet Rupnow das Institut für Zeitgeschichte der Uni Innsbruck. Der geborene Berliner kam ursprünglich im Herbst 1996 für ein Jahr zum Studium nach Wien – und blieb hängen. Zu lockend war das kulturelle Angebot: „Wenn ich nicht auf der Uni war, dann im Burgtheater oder in der Staatsoper.“ Auch die Literatur faszinierte ihn, der neben Geschichte und Germanistik auch Philosophie und Kunstgeschichte studierte.
Als Wissenschaftler ist er viel „auf Achse“ – das gehöre einfach dazu, sagt er. Unterwegs zu sein und über den Tellerrand hinauszublicken war Rupnow aber schon immer wichtig: Die Duke University in North Carolina (USA), das Simon-Dubnow-Institut für jüdische Geschichte und Kultur an der Uni Leipzig und das Center for Advanced Holocaust Studies des United States Holocaust Memorial Museum in Washington waren wichtige wissenschaftliche Stationen.
Insbesondere die Vereinigten Staaten faszinieren Rupnow bis heute: Er habe dort „viel intellektuelle Inspiration“ bekommen und Menschen erlebt, die „etwas weiterbringen wollen“. Ein Reiz, der bis heute geblieben ist. Und so freut er sich schon jetzt auf eine Gastprofessor, die er 2017 in Stanford antreten wird.


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