Tobias Judmaier Paul Streli und Sabine Schellander: "Iss mich!"

(c) Clemens Fabry
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Sie verwerten Obst und Gemüse, das sonst weggeworfen würde. Daraus kochen die »iss mich!«-Erfinder Gerichte, die sie Co2-frei per Fahrradboten und in wiederverwertbaren Gläsern zustellen. In ihrer Küche arbeiten Frauen in Not.

Auf den ersten Blick ist es ein Liefer- und Cateringservice mit einem eingängigen Namen – „iss mich!“ –, bei dem man sich sein Mittagessen bequem online bestellen und liefern lassen kann.
Auf den zweiten Blick kann „iss mich!“ viel mehr und basiert auf einem durchdachten und nachhaltigen Prinzip: In der „iss mich!“-Küche im neunten Wiener Bezirk werden Produkte verarbeitet, die zwar qualitativ hochwertig sind, es aber meist aus ästhetischen Gründen nicht in den Handel schaffen und im Müll landen würden. „Das kann eine Kartoffel sein, die von der Erntemaschine einen Kratzer hat, oder eine Karotte mit Verzweigungen“, sagt Tobias Judmaier (39), der „iss mich!“ gegründet hat und es mit Sabine Schellander (36) und Paul Streli (33) betreibt.
Hier setzen die drei an: Sie verwenden aussortiertes Gemüse und Obst – derzeit vorrangig aus dem niederösterreichischen Marchfeld –, das nicht für den Handel geeignet ist. „Es ist doch absurd“, sagt Sabine Schellander, „dass man sich auf Biogemüse spezialisiert, das dann zum Teil als Fischfutter endet oder weggeworfen wird.“
Dieses Engagement wider die Wegwerfkultur ist aber nicht der einzige Grund, warum die „iss mich!“-Betreiber bei der Wahl der Österreicher des Jahres in der Kategorie „Humanitäres Engagement“ nominiert sind.
Denn zudem beschäftigt „iss mich!“ Frauen in Not, die in die Frauenhäuser der Caritas geflüchtet sind und als Helferinnen in der Küche Geld verdienen können. Derzeit sind es zwei Frauen. Wächst das Projekt so wie erhofft, könnten bald mehr Frauen engagiert werden.
Während Schellander für Marketing, das Netzwerken und „vieles mehr, nur nicht das Kochen“ verantwortlich ist, bereitet Judmaier – unterstützt von Streli – jede Woche sechs verschiedene Gerichte (Suppen, Currys, Eintöpfe etc.) zu. Bestellen muss man jeweils am Freitag der Vorwoche, damit „wir genau wissen, welche Mengen wir benötigen. So vermeiden wir eine Überproduktion, die dann vielleicht erst recht im Müll landen würde.“ Auch bei der Verpackung setzt man auf Nachhaltigkeit: Die Gerichte werden in wiederverwertbare Weckgläser abgefüllt. Ausgeliefert werden sie per Fahrradboten – somit fällt kein CO2 an. Die drei verstehen sich auch als „Nahversorger, die viel Wert auf Regionalität und Saisonalität legen“.

Großteils bio. Die meisten Speisen sind vegetarisch oder vegan. Für die Fleischgerichte beziehen die drei hochwertiges Fleisch von einem Biofleischhauer in Ebreichsdorf. Für das Lieferservice werden großteils Bioprodukte verwendet, bei den Caterings, die „iss mich!“ als zweite Schiene ausrichtet, sind es ausschließlich Biolebensmittel. Die Gerichte gibt es auch zum Abholen im Lokal „Zum schwarzen Schaf“ im Neunten, weiters soll es sie demnächst in ausgewählten Geschäften geben.
Seit Mai dieses Jahres verfolgen die „iss mich!“-Erfinder ihr nachhaltiges Geschäftsmodell. Mit der Verschwendung von Lebensmitteln beschäftigen sie sich aber schon länger. Etwa mit dem Kunstprojekt Waste Cooking, bei dem Judmaier Mülltonnen von Supermärkten nach Lebensmitteln durchsucht, die er dann im öffentlichen Raum verkocht.
„Wir wollten dieses Problem aber nicht nur künstlerisch sichtbar machen“, sagt Judmaier. „Mit ,iss mich!‘ heben wir die Thematik auch auf eine andere, wichtige Ebene: weg vom Aktionismus hin zu hochwertigen Produkten, die jeder konsumieren kann.“ Bewusstseinsbildung, abgefüllt in 300 und 500 Milliliter also.


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