Martha Jungwirth: „Da gibt es kein Rezept, das ist ein Abenteuer!“

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Ob Haushaltsgeräte oder Landschaften in Bali – Martha Jungwirth geht von dem aus, was sie sieht, und verwandelt es ganz und gar, bis zur Unkenntlichkeit. „Bei mir geht es nicht um Philosophie, bei mir geht es um Malerei!“

Am Anfang des internationalen Erfolgs von Martha Jungwirth stand ein Geschirrspüler. Das heißt: Das Innere eines Geschirrspülers, wie die 1940 in Wien geborene Künstlerin es wahrnahm und auf die Leinwand übertrug: als eine Art Gerippe. Auf die Idee dazu war sie in New York gekommen, vor den Architekturzeichnungen Mies van der Rohes, deren Strenge sie so faszinierten.
Die „Indesit“-Serie wurde einem Wiener Publikum im Museum des 20. Jahrhunderts unter dem Titel „Hausfrauen-Maschinen“ vorgestellt – was manche an einen feministischen Ansatz denken ließ, dabei hat Martha Jungwirth vor allem „die Konstruktion des Geräts interessiert, sein Innenleben, das mich an einen geöffneten Corpus erinnert hat“, wie sie erzählt. Mit dieser Serie wurde Jungwirth 1977 zur 6. Documenta nach Kassel eingeladen.

Dramatische Notationen

Martha Jungwirth ging schon damals immer von dem aus, was sie sehen konnte – ob das Gegenstände wie etwa ein Geschirrspüler waren oder Menschen oder Landschaften – zahlreiche Studienreisen führten sie in alle Ecken der Welt.
1968 wurde sie von Otto Breicha zur Ausstellung „Wirklichkeiten“ in der Wiener Secession eingeladen, gemeinsam mit fünf männlichen Kollegen: Wolfgang Herzig, Kurt Kocherscheidt, Peter Pongratz, Franz Ringel und Robert Zepperl-Sperl. Viel hatte Jungwirth mit den anderen Künstlern nicht gemein, und auch der Titel der Schau mag in die Irre geführt haben: Jungwirth bildet nämlich die Realität nicht ab, sie nimmt sie als Inspiration – und verwandelt sie in Farbe und Form, in einem lustvollen und intensiven Schaffensprozess. „Der Gegenstand fasziniert mich, er ist mein Ausgangspunkt – und dann drehe ich alles durch meinen Fleischwolf“, erklärt Jungwirth. So balancierte sie in einer Zeit, in der über den Gegensatz von Abstraktion und Gegenständlichkeit viel debattiert und fast so viel geschrieben wurde, konsequent an der Grenze zwischen beidem. Diese Grenze – sie war und ist ein eher einsamer Ort, aber der Kunstbetrieb als Betriebsamkeit hat Martha Jungwirth nie besonders interessiert.

Als „poetische wie dramatische Notationen von Erfahrungen, Stimmungen und Erinnerungen“, beschreibt Hans-Peter Wipplinger ihr Werk. Er ist Kurator der Kunsthalle Krems, wo noch bis 2. November eine Retrospektive mit Werken Martha Jungwirths aus fünf Jahrzehnten läuft, von den frühen Bleistiftzeichnungen und Aquarellen angefangen über die Serie „Aus meiner schwarzen Küche“ bis hinauf zu späten Landschaftsimpressionen etwa aus Kambodscha. Sie war im Zuge der Vorbereitung zu dieser Retrospektive gezwungen, sich mit den eigenen Anfängen zu beschäftigen, was sie eigentlich gar nicht so gerne macht: Sie blicke lieber nach vorne, sie wolle sich von der Vergangenheit nicht binden lassen.

Die Forderung der leeren Fläche

Was Martha Jungwirth wichtig ist, ist das nächste Werk, die leere Fläche, die darauf wartet, bearbeitet zu werden – und zwar „so gut wie gestern – oder, wenn es geht, noch besser“. Was die Künstlerin unter Druck setzt. Den Schaffensprozess selbst beschreibt Jungwirth als lustvoll und impulsiv. Er bleibe dem Werk immer ablesbar. Es soll „offen sein“, erklärt sie.

Ob das etwas mit Umberto Ecos Theorie von der Moderne, vom „offenen Kunstwerk“, das die Mitarbeit des Betrachters verlangt, zu tun habe? Nicht die Spur, betont Martha Jungwirth: „Mir geht es nicht um Philosophie, nur um die Malerei. Und es gibt kein Rezept – nur ein Abenteuer.“


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