Elisabeth Scharang: "Im Wald gibt es kein Gut und kein Schlecht"

(c) Clemens Fabry
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Elisabeth Scharang durchleuchtet kühl und kompetent österreichische Mythen und Geschichten von Jack Unterweger über Franz Fuchs bis zur Nazi-Zeit.

Wien. Als geharnischter Kommentator österreichischer Verhältnisse („Das Wunder Österreich“, „Bleibt Peymann oder kommt der Kommunismus wieder?“) ist der Schriftsteller Michael Scharang bekannt. Seine Tochter hat ihren eigenen Zugang zu heimischen Mythen und Geschichten gefunden. Filmregisseurin Elisabeth Scharang, geboren 1969 in Bruck/Mur, studierte Politikwissenschaft, Soziologie, Philosophie und begann beim ORF als Journalistin und Moderatorin von Radiosendungen wie „ZickZack“ und „Musicbox“. Seit 1991 dreht sie Reportagen und Dokumentationen. Seit 1997 ist Scharang freie Regisseurin. Sie moderiert die wöchentliche Live-Talk-Sendung „Jugendzimmer“ auf FM4, die sie auch redaktionell betreut – und leitet abwechselnd mit anderen auf ORF 2 den Club 2. Seit Mai 2011 kam die Moderation der Talkschiene „Nachtquartier“ auf Ö1 dazu.

2005 drehte Scharang „Mein Mörder“ über die Kinder-Euthanasie im Dritten Reich in Wien Am Spiegelgrund, das Drehbuch verfasste sie gemeinsam mit ihrem Vater. Bei der Berlinale hatte 2006 der Dokumentarfilm „Tintenfischalarm“ über Intersexualität Premiere. Vom jetzigen „Falter“-Chefredakteur und Enthüllungsjournalisten Florian Klenk und Friedrich Zawrel, Opfer und Überlebender der Praktiken Am Spiegelgrund, handelt die Dokumentation „Meine liebe Republik“ (2006). 2007 widmete sich Scharang in einem semidokumenarischen Streifen dem Briefbomben-Attentäter Franz Fuchs. Karl Markovics spielte die Hauptrolle. 2011 folgte „In einem anderen Leben“, nach dem Theaterstück „Jedem das Seine“ von Peter Turrini und Silke Hassler, das auch im Theater in der Josefstadt zu sehen war. „Jedem das Seine“ stand am Tor des KZ Buchenwald. Am Endes des II. Weltkrieges stranden 19 Juden nach einem der Todesmärsche in einem kleinen Dorf in Niederösterreich im Heustadel eines Bauern. Eines der KZ-Opfer, ein Opernsänger, schlägt vor, die Operette „Wiener Blut“ einzustudieren. Die Bäuerin verpflegt die Gefangenen, der kriegsversehrte Bauer ist dagegen. Es spielen Johannes Krisch, TV-Kommissarin Ursula Strauss, August Schmölzer. Krisch ist auch der Protagonist in Scharangs aktuell in den Kinos laufendem Film „Jack“ über Jack Unterweger, der mehrere Bücher („Kerker“) schrieb, für neun Morde verurteilt wurde und sich 1994 in seiner Zelle in Graz erhängte.

Unterweger gewann durch öffentliche Auftritte und seine Bücher viel Aufmerksamkeit. Die Frage, ob er zu Recht oder zu Unrecht verurteilt wurde (das Urteil erlangte wegen seines Suizids keine Rechtskraft), beschäftigte viele. Wie ist das für Scharang? „Ich weiß einfach nicht, ob er schuldig ist. Mich hat Jack Unterweger weniger als Person, sondern mehr als Projektionsfläche, als Medienphänomen interessiert“, erklärte die Regisseurin im „Presse“-Interview dieser Tage. Scharang ist Unterweger begegnet, sie fand ihn, „sehr bieder oben, sehr verwegen unten“, fand sie ihn. Auf die Frage, wieso der Wald eine so wichtige Rolle in ihrem Film spielt, erklärt Scharang: „Der Wald ist das, was bleibt. Es gibt dort kein Gut und kein Schlecht. Der Wald urteilt nicht.“ (bp)

Elisabeth Scharang wurde 1969 in Bruck an der Mur geboren. 1987 war sie zum ersten Mal im ORF-Radio zu hören, wenige Jahre später drehte sie ihren ersten Film. Auch heute noch widmet sie sich beiden Medien: Die Autodidaktin moderiert etwa das FM4-“Jugendzimmer“ und das Ö1-“Nachtquartier“. Ihr Film „Jack“ über den mutmaßlichen Mörder und „Häfenpoeten“ Jack Unterweger ist gerade im Kino zu sehen.


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