Forschung

Holger Friehmelt: Wie man über den Wolken Barrieren abbaut

(c) Manfred Terler/FH Joanneum
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Holger Friehmelts Forschung ist ganz und gar nicht abgehoben: Er befasst sich damit, wie man Flugreisen für Ältere, Kranke und Familien angenehmer machen kann.

Luftfahrtingenieur Holger Friehmelt zäumt das Pferd gern von hinten auf. So erklärt er zumindest das Prinzip, nach dem er forscht: „Ich beobachte etwa, dass ein Passagier in seinem Flugzeugsitz unbequem sitzt, und suche dann die Ursache“, erklärt er. Nicht die Faszination an der Technik und ihren Möglichkeiten steht für ihn im Vordergrund, sondern der Mensch, der sie nutzen soll: „Technik allein hat keine Daseinsberechtigung.“ Daher befasst er sich in seiner Forschung an der FH Joanneum in Graz mit Maßnahmen, die das Fliegen für ältere Menschen, Kranke oder Familien mit Kindern angenehmer machen sollen.

Mögliche Maßnahmen sind oft einfach, können Betroffenen das Reisen aber deutlich erleichtern. Das beginnt bei einer gut lesbaren Sitzplatzbeschriftung und reicht bis dahin, den Weg zur Toilette auch mit Brailleschrift blindentauglich zu markieren. Die Flugzeugtoilette selbst ist ebenfalls Forschungsgegenstand. Damit Menschen mit Gipsfuß, Rollstuhlfahrer sowie klein gewachsene oder übergewichtige Menschen sie besser nutzen können, arbeitet er einerseits eng mit Betroffenen zusammen. Nur wer eine Behinderung habe, könne beurteilen, ob eine Idee tatsächlich eine Verbesserung bringe, sagt er. Andererseits kooperiert er in allen Fragen eng mit Airlines und Flugzeugherstellern. Dabei geht es fast immer um den Platz, den zusätzlicher Komfort kostet. Doch umgekehrt würden Verbesserungen Flugreisen für Ältere auch attraktiver machen – und damit mehr Menschen zum Fliegen animieren. Die Maßnahmen müssen sich jedenfalls auch aus Sicht der Unternehmen auszahlen.

Die Faszination für Flugzeuge entdeckte Friehmelt früh. Die Eltern flogen mit dem Sechsjährigen in den Urlaub. „Damals durfte man noch ins Cockpit schauen“, erzählt er heute. Später studierte der geborene Kaiserslauterer Maschinenbau und Luft- und Raumfahrttechnik in Deutschland und den USA. Besonders stolz ist er, dass er als Chefingenieur dabei war, als die Amerikaner das erste Mal Ausländer bei Tests ihrer X-Flugzeuge – das sind zur Erforschung neuer Technologien eingesetzte Experimentalflugzeuge – zuließen. „Die X1 war das erste Flugzeug, das die Schallmauer durchbrach, erst bei der X31 durften Ausländer am Flugzeug forschen“, berichtet er. Friehmelt gelang im Flugversuch der erstmalige Nachweis einer fast 100 Jahre alten Wirbeltheorie, die aerodynamische Vorteile bringt.

Das gesamte Fluggerät verstehen

Nach mehreren beruflichen Stationen bei Firmen und Forschungseinrichtungen, u. a. als Leiter der Abteilung Flugzeuge des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), wechselte er im Vorjahr an die FH Joanneum, „wegen der einmaligen Ausstattung des Labors, und weil es hier ein Curriculum gibt, das das gesamte Fluggerät abbildet“. Es reiche eben nicht, nur einzelne Teile zu verstehen.
Anders als in seiner Arbeit zäumt Friehmelt in der Freizeit das Pferd stets von vorn auf: immer, bevor er auf dem Rücken seines Isländerrappen Bjalli für einige Zeit das Berufliche vergisst. (gral)


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