Das Attentat von Sarajewo

28. Juni 1914: Die zwei tödlichen Schüsse auf den österreichisch-ungarischen Thronfolger
Franz Ferdinand und seine Frau Sophie verändern die Welt.

Planung & Text:
Peter Huber und Maria Kronbichler
Technische Umsetzung:
styria digital one

„Oh nein, es ist nichts.“

Kurz vor 11 Uhr haucht Erzherzog Franz Ferdinand seine letzten Worte. Das Attentat auf den österreichisch-ungarischen Thronfolger am 28. Juni 1914 in Sarajewo markiert den Anfang vom Ende des alten Europa. Im darauf folgenden Ersten Weltkrieg sterben 9,5 Millionen Soldaten und - Schätzungen zufolge - etwa 13 Millionen Zivilisten.

Zum Zeitpunkt des Attentats herrschte ein brüchiger Frieden. „Seit ich im Foreign Office bin, habe ich keine so ruhigen Gewässer erlebt“, notierte der britische Politiker Arthur Nicolson noch im Mai 1914. Im letzten Frühling des alten Europa gab es Zeichen der Entspannung zwischen den verfeindeten Großmächten. Unvermeidlich war ein Krieg nach Ansicht vieler Historiker also keineswegs. Aber Europa war unbestreitbar ein Pulverfass. Die tödlichen Schüsse von Sarajewo waren der Funken, der es letztlich zur Explosion bringen sollte.

Pulverfass Europa

In den beiden Jahrzehnten vor dem Attentat von Sarajewo tritt an die Stelle der gegenseitigen Verflechtung der Großmächte eine Spaltung in zwei Blöcke. Frankreich, Russland und Großbritannien bilden seit 1907 die Triple-Entente. Ihnen gegenüber stehen die Mittelmächte Österreich-Ungarn und Deutschland. Die militärische und wirtschaftliche Expansion des Deutschen Reiches beunruhigt die Entente-Staaten zunehmend. Gleichzeitig fühlen sich die Deutschen immer stärker von Feinden eingekreist, je enger die drei Mächte zusammenrücken. Der Habsburger-Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn wiederum sieht sich zunehmend mit südosteuropäischen Unabhängigkeitsbestrebungen konfrontiert.

Die Spaltung Europas in zwei Lager hat den Krieg zwar nicht verursacht, wie der britische Historiker Christopher Clark in seinem Buch „Die Schlafwandler“ schreibt. Ohne sie hätte er aber „nie in dieser Form ausbrechen können“.

Protagonisten

Die Protagonisten von 1914 seien Schlafwandler gewesen, urteilt Clark -“wachsam, aber blind, von Albträumen geplagt, aber unfähig, die Realität der Gräuel zu erkennen, die sie in Kürze in die Welt setzten sollten.“ Ein Überblick über die Männer, die Europa auf den Weltkrieg zusteuerten.

  • Wilhelm II
    Deutsches Reich

    Wie George V ist auch Wilhelm II ein Enkel der früheren britischen Königin Victoria. Am 27. Jänner 1859 kommt er zur Welt, 29 Jahre später besteigt er den Thron des deutschen Reiches, nachdem sein krebskranker Vater nur 99 Tage geherrscht hat. Am Ende des verlorenen Krieges geht er ins Exil in die Niederlande, wo er am 4. Juni 1941 stirbt.

  • Nikolaus II
    Russland

    Der am 18. Mai 1868 geborene Nikolaus wird 1894 Zar von Russland. Er ist mit dem deutschen Kaiser und dem britischen König verwandtschaftlich verbunden: Seine Frau ist wie die beiden Monarchen ein Enkelkind Victorias. Nach der Februarrevolution 1917 wird er unter Hausarrest gestellt und am 16. Juli 1918 gemeinsam mit seiner Familie von bolschewistischen Truppen ermordet.

  • George V
    Großbritannien

    Der Enkel von Königin Victoria wird am 3. Juni 1865 geboren. 1910 folgt er als George V seinem Vater Edward VII auf den Thron des Vereinigten Königreichs. Er vermeidet politische Stellungnahmen ohne Rücksprache mit seinen Ministern, die Außenpolitik liegt daher fest in den Händen von Außenminister Edward Grey. George stirbt am 20. Jänner 1936.

  • Edwartd Grey
    Großbritannien

    In der britischen Außenpolitik dominiert klar Außenminister Edward Grey. Der am 25. April 1862 geborene Adelige führt Großbritannien weg von der Politik der „splendid isolation“. Ab 1916 gehört er der Opposition an. Grey stirbt am 7. September 1933.

  • Franz Joseph
    Österreich-Ungarn

    Geboren am 18. August 1830, folgt Franz Joseph 1848 im Alter von 18 Jahren seinem Onkel Ferdinand I als Kaiser von Österreich nach. Er bleibt ganze 68 Jahre bis zu seinem Tod am 21. November 1916 auf dem Thron. Zwei Jahre danach bricht die Monarchie zusammen.

  • Raymond Poincaré
    Frankreich

    Der am 20. August 1860 geborene Poincare ist bereits ein Jahr lang Ministerpräsident Frankreichs, bevor er im Jänner 1913 gestützt auf ein Mitte-rechts-Bündnis zum Staatspräsidenten gewählt wird. Nach dem Krieg dient er noch mehrmals als Ministerpräsident. Am 15. Oktober 1934 stirbt er in Paris.

Schauplatz Serbien

Während sich die Machtverhältnisse zwischen den Großreichen Europas verschieben, brodelt es auch auf dem Balkan. 1903 dringen Militär s in den Belgrader Königspalast ein und ermorden den serbischen König Alexander und seine Frau Draga. Durch die Auslöschung der österreich-freundlichen Obrenovic-Dynastie schrumpft der Einfluss der Habsburger auf Serbien. Die Verschwörer setzen einen neuen König ein und ziehen fortan die Fäden der serbischen Politik. Unter den Attentätern: Der spätere Geheimdienstchef Dragutin Dimitrijevic, genannt Apis. Er wird elf Jahre nach dem Königsmord als Mitbegründer des nationalistischen serbischen Geheimbunds „Schwarze Hand“ zu den Drahtziehern des Attentats von Sarajewo gehören.


Dragutin Dimitrijevic alias Apis


König Alexander und seine Frau Draga

Annexionskrise

1908 verschlechtert sich das Verhältnis zwischen Österreich-Ungarn und Serbien weiter: Franz Joseph verkündet am 4. Oktober: „Ich habe Mich bestimmt gefunden, die Rechte Meiner Souveränität aus Bosnien und die Hercegovina zu erstrecken.“ Die Annexion des bereits seit 30 Jahren unter österreichischer Besatzung stehenden Gebietes sorgt bei den serbischen Nationalisten für Aufruhr. Sie sehen ihren Traum von einem großserbischen Reich unter Einschluss Bosniens und Herzegowinas (deren Bevölkerung zu 40 Prozent serbisch ist) weiter gefährdet. Die radikalisierten Gruppen reagieren mit einer Welle von Anschlagsversuchen auf Vertreter des verhassten Habsburger-Reiches.

Franz Ferdinand hat sich übrigens gegen die Annexion ausgesprochen: „Im allgemeinen bin ich überhaupt bei unseren desolaten inneren Verhältnissen gegen alle solche Kraftstückeln“, schrieb er im August 1908 an Außenminister Alois Lexa von Aehrenthal.


Österreichische Soldaten in Bosnien/Herzegowina 1908

Balkankriege

Die Balkankriege 1912 und 1913 lassen Österreichs Gewicht auf dem Balkan weiter schwinden, das Spannungsverhältnis zu Russland wächst. Serbien geht gestärkt aus den Kämpfen hervor, sein Staatsgebiet ist danach um 80 Prozent vergrößert.

In Wien werden nun die Stimmen der „Falken“ immer lauter, die einen Präventivschlag gegen Serbien und auch Russland fordern. Generalstabschef Franz Conrad von Hötzendorf forderte im Laufe des Jahres 1913 Kaiser und Regierung ganze 25 Mal auf, Serbien anzugreifen. Zu den führenden „Tauben“ gehört dagegen Thronfolger Franz Ferdinand. Pazifist ist er freilich keiner – er fürchtet, dass ein Krieg gegen Russland revolutionäre Kräfte stärken könnte und für einen Schlag gegen Serbien die Fschdeutsche Unterstützung fehlt. "Das war der Grund dafür, dass er plötzlich pseudopazifistisch auftrat", sagt Franz-Ferdinand-Biografin Alma Hannig.

Franz Ferdinand

„Die Person des Thronfolgers ist den Völkern Österreichs ein unbeschriebenes Blatt“, schreibt das „Wiener Montags-Journal“ vier Wochen vor dem Tod Franz Ferdinands. Der am 18. Dezember 1863 geborene Erzherzog ist weder bei der Bevölkerung noch bei Hofe populär. Kaiser Franz Joseph hält nicht viel von seinem Neffen, der durch den Selbstmord von Kronprinz Rudolf jäh zum Thronfolger aufgestiegen ist. In seiner eigenen Militärkanzlei im Belvedere baut Franz Ferdinand eine Art Schattenregierung auf und geht innen- wie außenpolitisch auf Distanz zum Kaiser. Ein Dorn im Auge ist Franz Joseph auch die Ehe des Thronfolgers: Franz Ferdinand muss jahrelang um die Zustimmung des Kaisers zur Liebesheirat mit der tschechischen Adeligen Sophie Chotek kämpfen, die nach strengen Familienrecht der Habsburger nicht standesgemäß ist. Im April 1900 gibt Franz Joseph nach, zwingt Franz Ferdinand aber zum Thronverzicht für seine Nachfahren.

Franz Ferdinand gilt als schwieriger Charakter, herrisch und aufbrausend, aber auch als liebevoller Familienvater.

Im Juni 1914 reist er schließlich nach Bosnien-Herzegowina, um den alljährlichen Militärmanövern beizuwohnen. Oskar Potiorek, der Landeschef von Bosnien, will mit einem Besuch des Thronfolgers das Ansehen der Donaumonarchie stärken. Franz Ferdinand lässt sich auch von vagen Vorwarnungen aus seinem Umfeld nicht von seiner Reise abhalten. Sein Motto: "Unter einen Glassturz lasse ich mich nicht stellen. In Lebensgefahr sind wir immer. Man muss nur auf Gott vertrauen." K.u.k. Finanzminister Bilinski erhält indes von Jovan Jovanovic, dem serbischen Gesandten in Wien (der im Auftrag des serbischen Regierungschefs Nikola Pasic handelt), ebenfalls die Warnung, die Reise des Thronfolgers besser abzusagen, weil sonst "irgendein junger Serbe statt einer Platzpatrone eine scharfe Kugel nehmen und sie abschießen könnte". Bilinski nimmt diese aber nicht ernst und behält den Inhalt des Gesprächs für sich.

28. Juni 1914, nur wenige Sekunden vor dem Attentat: Das Auto mit dem Thronfolger biegt vom Kai nach rechts in die Franz-Joseph-Straße ein. Attentäter Gavrilo Princip schießt aus einer Position etwa drei Meter links vom Bildrand.

Der Tatort 100 Jahre später: An der Straßenecke, von der Princip seine tödlichen Schüsse abgab, befindet sich heute das "Museum von Sarajewo 1878-1918".

Franz Ferdinands letzte Stunden

Sarajewo, 28. Juni 1914, es ist ein heißer Sommertag. Bevor Franz Ferdinand mit seiner Frau Sophie nach Sarajewo aufbricht, feiert das Paar um 9 Uhr im "Hotel Bosna" im Kurort Ilidza die Heilige Messe. Franz Ferdinand schickt ein kurzes Telegramm an seine drei Kinder (im Alter zwischen 10 und 13 Jahren):

Kurz nach 10 Uhr treffen die beiden dann am Bahnhof in Sarajewo ein.

Ab 10.15 Uhr fährt der Autokonvoi des Thronfolgers durch Sarajewo. Entlang der Strecke lauern mehrere Attentäter. Zehn Minuten später nutzt Nedeljko Cabrinovic die Chance und wirft seinen Sprengkörper. Fahrer Leopold Lojka bemerkt das heranfliegende Objekt und beschleunigt sein Fahrzeug. Die Bombe explodiert vor dem nachfolgenden Wagen, in dem Oberstleutnant Merizzi und Graf Boos-Waldeck verletzt werden. Cabrinovic schluckt Zyanid und springt in den Miljacka-Fluss. Das Gift wirkt nicht richtig und Cabrinovic erbricht, zudem ist der Fluss an dieser Stelle zu wenig tief. Cabrinovic wird daraufhin verhaftet. Der spätere Thronfolger-Mörder Gavrilo Princip taucht in der Menge unter und spielt mit Selbstmordgedanken, um einer Verhaftung zuvorzukommen. Der Konvoi fährt weiter zum Rathaus. Zwei weitere an der Strecke positionierte Attentäter lassen das Auto ungehindert passieren.

Um 10.30 Uhr wird Franz Ferdinand von Fehim Effendi Curcic, Bürgermeister von Sarajwo, empfangen. Der Thronfolger verliert die Beherrschung: "Herr Bürgermeister, da kommt man nach Sarajewo, um der Stadt einen Besuch zu machen, und man wirft auf einen mit Bomben. Das ist empörend!" Danach quält sich der nervöse Bürgermeister durch seine vorbereitete Rede (mit Wendungen wie "hochbeglückt sind unsere Herzen über den gnädigen Besuch"). Franz Ferdinand hat sich wieder gefasst, er dankt Curcic für die "bereiteten jubelnden Ovationen, um so mehr, als ich darin auch den Ausdruck der Freude über das Misslingen des Attentats erblicke".

Nicht einmal zehn Minuten später setzt sich der Autokonvoi wieder in Bewegung. „Mir scheint, wir werden heut' noch ein paar Kugerln bekommen“, sagt Franz Ferdinand auf dem Weg zum Auto. Der Thronfolger will den verletzten Merizzi im Spital besuchen. Sophie will ihren Mann nicht allein fahren lassen. "Nein, Franz, ich fahr mit dir", sagt sie. Harrach stellt sich auf der linken Seite (der Flußseite) auf das Trittbrett, um Franz Ferdinand besser schützen zu können - die falsche Seite, wie sich schon bald herausstellen soll. Nun kommt es zum fatalen Fehler: Der Fahrer wird nicht über die geplante Routenänderung informiert. Auf Höhe der Lateinerbrücke biegt das erste Auto des Konvois daher nach rechts in die Franz-Joseph-Straße ein. Der Wagen mit dem Thronfolger folgt, ehe Potiorek dem Fahrer zuruft: "Sie fahren ja falsch. Wir sollen über den Appelkai!" Der Motor wird ausgekuppelt, das Auto rollt langsam zurück. Der große Moment von Gavrilo Princip ist gekommen: Mit seinen Schüssen schreibt er Weltgeschichte.

Der Serbe Gavrilo Princip gibt aus kurzer Entfernung zwei Schüsse auf das Auto des Thronfolgers Franz Ferdinand ab. Eine Kugel durchschlägt die Autotür und trifft seine Frau Sophie in den Unterleib, die zweite trifft den Thronfolger im Hals. Der mitfahrende Graf Franz Harrach, der sich vergeblich schützend vor Franz Ferdinand wirft, schildert später in einem vierseitigen Brief seiner Frau jene Ereignisse, die die Welt verändern sollten: "Sie (Sophie, Anm.) sagte zu ihm, als sie beide die Schüsse trafen: 'Um Gotteswillen, was ist dir geschehen?', sank auf ihre Knie, mit dem Gesicht auf seinen Knien, und es war vorbei. Aus seinem Munde spritzte sofort ein dünner Blutstrahl auf meine Backe, er wurde steif mit aufgerissenen Augen und sagte, die Hände auf ihren Schultern: 'Sopherl, Sopherl, stirb mir nicht, bleib mir für meine Kinder.' " Auf Harrachs Nachfrage, ob der Thronfolger Schmerzen habe, sagt der Sterbende seine letzten Worte: "Oh nein, es ist nichts". Kurz darauf ist er tot.

Der Tod von Franz Ferdinand löst in Österreich-Ungarn keine allgemeine Trauer aus. Selbst Kaiser Franz Joseph, seit 66 Jahren auf dem Thron, reagiert kaltherzig, als er in Bad Ischl die Todesnachricht erhält. "Der Allmächtige lässt sich nicht herausfordern", soll er gemurmelt haben. Nie hatte er Franz Ferdinand verziehen, eine unpassende Frau geheiratet zu haben. Er verwehrt ihm die Beerdigung in der Kapuzinergruft neben den anderen Habsburgern und ist sogar über die Sperrung des Burgtheaters aus Pietätsgründen verärgert. In konservativen Wiener Kreisen werden der Thronfolger und seine Vertrauten überhaupt abfällig als "Belvedere-Bagage" bezeichnet. "In der Stadt herrscht keine Trauerstimmung, im Prater (...) überall Musik!", notiert der Abgeordnete Josef Redlich. Der Dramatiker Arthur Schnitzler schreibt später in sein Tagebuch, wie schnell die erste Erschütterung der Morde nachgelassen habe, gelindert von der Erinnerung an die "ungeheure Unbeliebtheit" der Erzherzogs.

» Diashow: Presseberichte zum Attentat

Das Auto: Der Doppel-Phaeton

Wer sitzt zum Zeitpunkt des Attentats im Auto?

  • Leopold Lojka, Chauffeur
  • Franz Graf Harrach (Besitzer des Autos)
  • Oskar Potiorek, Landeschef von Bosnien
  • Franz Ferdinand, Thronfolger
  • Sophie, Frau des Thronfolgers

Vorne sitzt Lojka (rechts). Franz Ferdinand (links) und seine Gemahlin (rechts) nehmen auf den Sitzen im Fond Platz, vor ihnen sitzen auf Klappsitzen Potiorek (rechts) und Harrach (links). Harrach positioniert sich auf der linken, der Uferpromenade zugewandten Seite, um den Thronfolger besser schützen zu können. Ein Fehler: Princip kommt ausgerechnet von der "ungedeckten" rechten Seite.

Franz Graf Harrach stellt dem Thronfolger für seine Fahrt durch Bosnien sein Privatauto zur Verfügung: einen sechssitzigen Doppel-Phaeton der Marke Gräf & Stift mit der Wiener Nummerntafel "A-III-118". Ein aus heutiger Sicht interessantes Detail: Im Doppel-Phaeton gibt es fünf Fußpedale. Rechts das Gaspedal, dann zwei Bremspedale für Kardan- und Hinterradbremse, das Kupplungspedal sowie links das Pedal für die Überlandklappe am Auspuff, das sogenannte "Kracherl". Bei einem Tachometerstand von 8500 Kilometern ereignet sich das Attentat. Das Auto, in dem das Paar stirbt, wird seinen Besitzer nicht rückerstattet. Auch die Forderung eines Harrach-Enkels, das Auto zurückzugeben, scheitert vor wenigen Jahren vor Gericht. Heute ist es im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien zu sehen.

Ein Foto und seine Legende!

Das obige Foto zeigt die hektische Verhaftung eines Mannes nur kurz nach dem Attentat. Das Bild ist heute eine der Ikonen des 20. Jahrhunderts, das sinnbildlich für die Ereignisse vor 100 Jahren steht. Zu sehen sind darauf mit Säbeln bewaffnete Uniformierte, aufgebrachte bosnische Zivilisten sowie ein junger Mann, der abgeführt wird. Bis heute glauben die meisten, dass es sich bei diesem Mann um Gavrilo Princip, den Mörder der Thronfolgers, handelt. Das ist aber nur eine weitverbreitete Legende.

» Artikel: Der Mörder, der keiner war

Die Fakten: Erstmals wird das Foto von der angeblichen Verhaftung Princips am 5. Juli 1914, eine volle Woche nach dem Attentat, gedruckt. Ein Hinweis auf den Fotografen fehlt. Das Foto verbreitet sich rasend um die Welt. Dass es sich bei dem Verhafteten nur um einen der zahlreichen Verdächtigen handelt, die am 28. Juni festgenommen werden, gerät da rasch in Vergessenheit. Der Name des jungen Mannes ist Ferdo Behr - mit dem Attentat hatte er nichts zu tun. Im kollektiven Gedächtnis bleibt der Mann auf dem Bild aber bis heute Gavrilo Princip.

Die Attentäter (Foto aus dem Jahr 1912)

Nedeljko Cabrinovic, ein 19-jähriger bosnischer Druckergeselle, (links im Bild) ist jener Mann , der den ersten Anschlag verübt (nachdem drei weitere Attentäter das Thronfolger-Auto passieren lassen). Er schlägt das Zündhütchen seiner Bombe an einem Laternenpfahl ab und wirft den Sprengkörper in Richtung des Autos, in dem Franz Ferdinand und seine Frau sitzen. Die Bombe explodiert aber vor dem nachfolgenden Auto im Konvoi. Sofort schluckt er eine Zyanidkapsel und springt in den Miljacka-Fluss. Das Gift wirkt nicht ausreichend und Cabrinovic muss sich erbrechen, auch der Fluss ist an der Stelle zu wenig tief. Er wird von der Menge fast gelyncht, ehe er verhaftet wird. Weil er zum Tatzeitpunkt minderjährig ist, wird er beim Prozess gegen die Attentäter (drei der 25 Angeklagten werden hingerichtet, alle Angeklagten bestreiten jede Verbindung mit dem offiziellen Serbien) wegen Hochverrats und Meuchelmords nicht zum Tode, sondern zu 20 Jahren schwerem Kerker verurteilt. Er stibt am 23. Jänner 1916 an Tuberkulose.

Milan Ciganovic (Mitte) ist ein serbischer Geheimdienstler, der im selben Haus wie Thronfolger-Mörder Gavrilo Princip wohnt. Ciganovic ist ein bekannter Volksheld und, was Prinicip nicht weiß - führendes Mitglied der "Schwarzen Hand". Er gibt Princip, Cabrinovic und einem dritten Attentäter, dem 18-jährigen Schulabbrecher Trifun Grabez, Schießunterricht. Princip erweist sich als bester Schütze. Von Ciganovic erhält das Trio auch die Tatwaffen (vier Pistolen und sechs Bomben aus Beständen der serbischen Armee).

Die mutmaßliche Waffe, mit der Gavrilo Princip den Thronfolger und dessen Frau erschossen haben sollDie mutmaßliche Waffe, mit der Gavrilo Princip den Thronfolger und dessen Frau erschossen haben soll

Gavrilo Princip (rechts), ist ein bosnischer 19-jähriger Gymnasiast, der die tödlichen Schüsse auf das Thronfolgerpaar abgibt. Er ist, wie auch Cabrinovic und Grabez, Mitglied der proserbischen Jugendorganisation Mlada Bosna, die das Ziel hat, Bosnien-Herzegowina von der österreichisch-ungarischen Besatzung zu befreien. Bereits im Alter von 18 Jahren will er sich im Oktober 1912 der serbischen Geheimorganisation "Schwarze Hand" anschließen, wird jedoch mit der Begründung abgelehnt, physisch zu schwach zu sein. Im Frühjahr 1914 überredet er seine Freunde Cabrinovic und Grabez zum Attentat und bittet Ciganovic um Hilfe. Die Dinge nehmen unaufhaltsam ihren Lauf, bis Princip am 28. Juni Geschichte schreibt. Auch er schluckt nach der Tat Zyanid, erbricht aber nur und versucht sich, mit der Tatwaffe zu erschießen. Diese wird ihm jedoch von der wütenden Masse aus der Hand gerissen. Kurz darauf wird auch er verhaftet. Beim Prozess im Oktober entgeht er wie Cabrinovic aufgrund seines Alters (er wird im Juli 20) um wenige Tage der Todesstrafe. Er bereut seine Tat nicht. Doch auch er überlebt seine Strafe von 20 Jahren schwerem Kerker nicht. Er stirbt nach Isolationshaft in einer engen, feuchten, dunklen Zelle am 28. April 1918 an Knochentuberkulose. Nach seinem Tod wird er als Volksheld gefeiert.

Die blutdurchtränkte Generalsuniform des österreichischen Thronfolgers.Die blutdurchtränkte Generalsuniform des österreichischen Thronfolgers.

Nach dem Thronfolger-Mord liegt der Fokus auf den Attentätern und dem politischen Hintergrund des Anschlags. Der Krieg gegen Serbien soll kommen. Nach Fehlern im eigenen Lager, vor allem von Oskar Potiorek, dem Landeschef Bosniens, wird nicht gefragt. Nur rund 120 Polizisten waren entlang der Fahrtroute postiert. Nach dem ersten Anschlag hätte man die Sicherheitmaßnahmen erhöhen können: Soldaten zurückbeordern, die Straßen räumen, das Verdeck des Autos schließen, die Standarte (die jedem zeigte, in welchem Wagen der Thronfolger fuhr) an Franz Ferdinands Wagen abnehmen, Berittene zur Bewachung rund um das Auto postieren. Doch nichts geschieht, im Gegenteil: Hofkammerbüchsenspanner Gustav Schneiberg, der bei der Hinfahrt als eine Art Personenschutz im Wagen saß, fehlt bei der Weiterfahrt. Potiorek ist vor allem darüber besorgt, welchen Eindruck Soldaten mit verschmutzten Uniformen machen könnten und lehnt daher eine Räumung der Straßen ab. Eine überhastete, versteckte Abreise wäre aus Sicht der Habsburger zudem zutiefst demütigend gewesen. Daher wird bloß die Fahrtroute verändert - doch ausgerechnet diese Maßnahme erleichtert letztlich das Attentat.

Kriegserklärung

Deutschland stellt Österreich-Ungarn einen „Blankoscheck“ aus. Am 23. Juli übermittelt Wien Serbien ein Ultimatum mit Forderungen, die kaum erfüllbar sind. Nach einer ausweichenden Antwort erklärt Österreich-Ungarn Serbien am 28. Juli den Krieg. Russland springt Belgrad bei, was das Deutsche Reich zu Kriegserklärungen an Russland und dessen Verbündeten Frankreich nutzt. Großbritannien tritt nach dem Überfall Deutschlands auf das neutrale Belgien in den Krieg ein. Die „Urkatastrophe“ des 20. Jahrhunderts, wie der Historiker George F. Kennan formuliert hat, beginnt.

» Zum Ultimatum im Wortlaut
» Kriegsmanifest von Franz Joseph im Wortlaut