Wo die Armen dick sind - D©sir©e & Co

Kurt Vonneguts sarkastischer Rückblick auf sein Leben, Evelyne Polt-Heinzls feministischer Führer durch die Literatur.

Allmählich sterben sie aus, die "angry old men". Michael Gut tenbrunner ist schon tot, Dario Fo und Harold Pinter hat man mit dem Nobelpreis entschärft. Wie gut, dass es Kurt Vonnegut noch gibt. Er ist einer, der sie noch beherrscht, die Kunst des Rundumschlags. In sei-nen nun erschienenen Betrachtungen, "Mann ohne Land", geht's vielfach in Michael-Moore-Manier gegen George W.s USA. "Verhüten oder Auswandern" empfiehlt er etwa seinen Landsleuten in Anbetracht einer Weltmacht, "in der sogar die Armen übergewichtig sind, wo tödliche Injektionen und das Führen von Kriegen Formen der Unterhaltung sind".

Komplizierte Sachverhalte kompliziert darzustellen ist eine einfache Übung. "Einfache Wahrheiten" einfach zu formulieren ist jedoch eine Kunst, die nur Satirikern wie Vonnegut gelingt. "Das Immunsystem unseres Planeten versucht, die Menschen abzustoßen. Und genauso, wie es das macht, macht man so was", meint der 84-Jährige, um an anderer Stelle Menschen wie den Arzt Ignaz Semmelweis als Beispiel dafür vorzustellen, wie die Organabstoßung zu verhindern wäre: Semmelweis hat seine Kollegen nur gebeten, "sie sollten sich doch bitte die Hände waschen", bevor sie werdende Mütter angreifen. Ergebnis: Semmelweis wurde in eine Irrenanstalt eingeliefert, wo er kurz darauf starb.

Vonnegut ist ein anarchistischer Moralist. Nichts ist vor seinem Hohn und Spott sicher, um danach sofort anzumerken, wie es auch anders ginge. Was also seine Polemiken auszeichnet und vielleicht von Noam Chomsky unterscheidet, ist: Er nimmt sich selbst nur tierisch ernst, nicht menschlich.

Kurt Vonnegut
Mann ohne Land
Aus dem Amerikanischen von Harry Rowohlt. 172 S., geb., € 17,40 (Pendo Verlag, München)

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Polt-Heinzls feministischer Führer durch die Literatur.

B rauchen wir einen Literaturka non? Ja, aber jeder seinen eige nen. Jeder sollte sich seinen Weg durch das Dickicht der Literaturgeschichte bahnen. Dabei können Pfadfinder allerdings hilfreich sein. Einen solchen legt nun Evelyne Polt-Heinzl unter dem Titel "Zeitlos" vor.

Im Unterholz der deutschsprachigen Literatur finden sich einige zarte Gewächse, die es gegen die dominierende Flora kaum ans Licht schaffen. Die Gärtnerin und Germanistin Polt-Heinzl hat sich auf die Suche nach einigen dieser weniger grell leuchtenden Blüten der Literatur gemacht und stellt neun Autorinnen vor, die es zu entdecken gälte: Bertha von Suttner, Auguste Groner, Sir Galahad (das ist Bertha Diener), Martina Wied, Alma Johanna Koenig, Joe Lederer, Hertha Pauli, Annemarie Selinko und Gisela Elsner.

Ein Auflage von 4,5 Millionen hat etwa Selinkos Roman "D©sir©e" von 1951 erreicht. Das Buch war seinerzeit in 25 Ländern auf den Bestsellerlisten. Heute wird es bestenfalls als "Unterhaltungsliteratur für Frauen" apostrophiert, "und das ist immer ein Zeichen dafür, dass die Literaturwissenschaft nicht genauer hinsieht", so Polt-Heinzl.

Evelyne Polt-Heinzl
Zeitlos
Neun Porträts. 208 S., brosch., € 17,90 (Milena Verlag, Wien)

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