Abtreibung: Schutzzone nicht möglich

Das derzeit praktizierte Wegweisen militanter Abtreibungsgegner zeigt wenig Wirkung. Problem: Wie jetzt klar gesagt wird, ist die seit Jahren von der Stadt Wien geforderte Schutzzone verfassungswidrig.

Wien. So hat sich das Brigitte Moshammer-Peter nicht vorgestellt. Seit Tagen sorgt ihr sexualmedizinisches Zentrum „VenusMed“ in der Lugner-City unter dem griffig verkürzten Titel „Abtreibung im Einkaufszentrum“ für Protest und Gegenprotest (siehe Kasten).

Die Konsequenzen für die Patientinnen? Keine. „Bis jetzt“, sagt Moshammer-Peter, „ist noch niemand belästigt worden.“ Für Christof Hetzmannseder, den stellvertretenden Leiter der sicherheits- und verkehrspolizeilichen Abteilung der Wiener Polizei, nicht weiter verwunderlich: „Die Klinik ist von vielen Seiten betretbar, so eine räumliche Lösung ist oft der beste Schutz.“

Ein besserer jedenfalls als Paragrafen: Zwei Jahre nach Einführung des so genannten Wegweiserechts in Wien zeigen sich dessen Schönheitsfehler immer deutlicher. So ist die Intensität der Belästigung durch Abtreibungsgegner zwar zurückgegangen, nicht aber die Häufigkeit.

Die Regelung erlaubt den Polizisten nämlich Abtreibungsgegner, die Frauen vor Kliniken ansprechen oder beschimpfen, wegzuweisen, Strafe gibt's aber keine. Die Folge: „Die Leute kommen nach fünf Minuten wieder und wir können nicht alle zehn Minuten die Polizei rufen. Mittlerweile lassen wir es überhaupt“, sagt Christian Fiala, Leiter des Gynmed-Ambulatoriums in Rudolfsheim Fünfhaus. Hetzmannseder kommentiert die an zwei Händen abzählbare Anzahl der Einsätze ähnlich: „Wenn wir kommen, ist die Geschichte meist gegessen. Die Wegweisung ist sicher kein probates Mittel. “

Verfassungsrechtlich bedenklich

Ein neues wird es aber nicht geben: Die von Ex-Frauenstadträtin Sonja Wehsely vom Bund immer wieder eingeforderte, mit Geldstrafen bewehrte Schutzzone rund um Abtreibungskliniken ist verfassungsrechtlich nicht möglich. Das sagt zumindest ein bereits 1998 vom Bundeskanzleramt erstelltes Gutachten. Demnach ist eine Regelung, die Versammlungen in einem bestimmten Umkreis von Abtreibungskliniken schlechthin untersagen würde, eine „verfassungsrechtlich äußerst bedenkliche“ Einschränkung der Versammlungsfreiheit.

Im Büro der Wehsely-Nachfolgerin Sandra Frauenberger sagt man, Wehselys langjährige Forderungen seien eben bloß Wünsche gewesen. Und: „Wir haben in Wien getan, was wir tun konnten.“ Machen, was man kann – das gilt auch für die Ambulatorien: „Pro Woman“ am Fleischmarkt setzt laut Polizei auf Security, Fiala engagiert zweimal pro Woche Helfer, um seine Patientinnen zum Eingang zu geleiten.

Dass spezielle Abtreibungs-Ambulatorien aber sinnvoll sind, steht für Peter Husslein, Vorstand der Universitätsklinik für Frauenheilkunde am Wiener AKH, außer Streit: „Abtreibungen gehören nicht in ein großes Spital. Daher führen wir sie im AKH nicht durch, weil es nicht die Aufgabe eines hoch spezialisierten Zentralkrankenhauses sein kann, Banaleingriffe durchzuführen“. Zudem könne man eine Abtreibung in einem großen Betrieb nie so emotionell schonend durchführen wie in einem exakt darauf zugeschnittenen Ambulatorium.

40.000 Abtreibungen pro Jahr

Handlungsbedarf sieht Husslein im Bereich der Motivforschung: „40.000 Abtreibungen in Österreich pro Jahr zeigen: Es gibt irgendwo ein Defizit. Keine Frau hat Verkehr und denkt sich, nachher treibe ich sowieso ab“. Man müsse endlich, etwa in Form von Fragebögen, herausfinden, warum Frauen abtreiben – einen anonymen Datensatz gebe es bis dato nicht. Dieser sei auch nicht notwendig, findet die Wiener Frauengesundheitsbeauftragte Beate Wimmer-Puchinger: „Ein anonymisierter Fragebogen bringt den Betroffenen nichts.“ Und es gebe schon eine Studie des Ludwig-Boltzmann-Instituts zum Thema.

Die Expertin plädiert für den Ausbau von Sexualunterricht in Hauptschulen und der AHS. Den positiven Effekt könne man in Holland und Skandinavien beobachten: Dort, wo Sexualunterricht „wichtig wie Mathe“ sei, gäbe es weniger Abtreibungen. Auch die Gynäkologen würden Verantwortung tragen. Sie müssten Verhütung bei Routineuntersuchungen ansprechen und den Informationsstand der Patientinnen auffrischen. Vorträge in Schulen bietet der kirchennahe Verein „Aktion Leben“ an – nach Wunsch auch zum Thema Verhütung, so Sprecherin Helene Polaczek: „Es ist eine schwierige Position, Partner der Kirche aber nicht kirchlich zu sein; wir werden oft mit radikalen Organisationen verwechselt, mit denen wir nichts zu tun haben wollen.“

„Aus Medienrummel gelernt“

Aus der Lugner-Affäre habe man in punkto PR-Arbeit gelernt: „Wir werden in Zukunft eher auf unsere Beratungstätigkeit aufmerksam machen als uns am medialen Hickhack zu beteiligen“, so Polaczek. Angriffslustige Demonstranten vor Kliniken würden letztendlich keiner Frau in Not helfen.

Inline Flex[Faktbox] WAS BISHER GESCHAH("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2007)

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