Der Mafiaparagraf, der gegen Tierschützer angewandt wurde, soll erwartungsgemäß nur mehr für Gruppen gelten, die Gewinne machen wollen.
Wien/Red. Die Auswirkungen des Wiener Neustädter Tierschützerprozesses nehmen endlich konkrete Formen an: Nach der – gescheiterten – Mafia-Anklage gegen 13 Tierschützer bestätigt nun ÖVP-Justizministerin Beatrix Karl, dass der Tatbestand der „Kriminellen Organisation“ (§ 278a Strafgesetzbuch) künftig nur noch dann gelten soll, wenn es sich um eine gewinnorientierte Gruppe handelt.
Bestimmte, bisher noch gültige Tatbestandsmerkmale werden gestrichen. Derzeit erfasst das Gesetz Verbindungen, die zur Verfolgung ihrer Ziele auch strafrechtlich relevante Maßnahmen in Kauf nehmen oder zumindest im Verdacht stehen, dies zu tun – und die zudem „erheblichen Einfluss auf Politik oder Wirtschaft“ anstreben. Letzteres, nämlich die Einflussnahme auf Politik oder Wirtschaft, soll künftig nicht mehr Teil des „Mafiaparagrafen“ sein. Eine Reform in diese Richtung wird seit Langem von Rechtsexperten, von Teilen der Politik (vor allem SPÖ, Grüne) und von NGOs gefordert. Ein Neuentwurf des § 278a wird nun zur Begutachtung ausgeschickt, dann dem Justizausschuss zugeleitet.
In einer ersten Reaktion begrüßt der Generalsekretär von Amnesty International Österreich, Heinz Patzelt, im „Presse“-Gespräch die Entwicklung: Im Hinblick auf den Tierschützerprozess (er endete mit erstinstanzlichen Freisprüchen) sagt Patzelt: „Dass man nach einer Problemanwendung dieses Paragrafen evaluiert und nun auf die Bereicherung abstellt, geht sehr ordentlich in die richtige Richtung.“
Kritik am Verfassungsschutz
Indessen kehrt in Sachen Tierschützer keine Ruhe ein: Wie berichtet könnte Staatsanwalt Wolfgang Handler den rechtskräftig freigesprochenen Obmann des Vereins gegen Tierfabriken (VGT), Martin Balluch, erneut vor Gericht bringen. Noch läuft gegen Balluch ein Verfahren wegen des Verdachts der Anstiftung zum Amtsmissbrauch. Auch einer UVS-Richterin droht in dem Zusammenhang ein Prozess. Balluch soll die Richterin zur Aufhebung von Strafbescheiden gegen Tierschützer gedrängt haben. Er bestreitet dies und erklärt, dass er erstmals Kontakt mit der Frau aufnahm, nachdem diese schon eine erste Entscheidung gefällt hatte.
Noch eine Front tut sich auf: Der Verein gegen Tierfabriken brachte nun gegen den Leiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, Peter Gridling, und gegen den Leiter des Verfassungsschutzes auf Ebene des Landes Wien, Erich Zwettler, Strafanzeige wegen Amtsmissbrauchs, übler Nachrede und Verleumdung ein. Grund: Im neuen Verfassungsschutzbericht gibt es ein eigenes Kapitel über „militante Tierrechtsgruppen“. Diese würden Proteste gegen den Pelzhandel und die Jagd erheben oder Kampagnen gegen Kastenstände in der Schweinezucht führen.
Es werde auch „für Dritte“ deutlich, dass damit der VGT gemeint sei, heißt es in der Anzeige. Tatsächlich hat der VGT zuletzt unter anderem ebendiese Kampagnen geführt und groß publiziert. Somit entstehe – laut Anzeige – bei Lesern des Verfassungsschutzberichts der Eindruck, der VGT stelle eine „Gefährdung für die Bevölkerung“ dar.
Wie die Staatsanwaltschaft Wien mit der Anzeige umgeht, bleibt abzuwarten. Erwähnenswert ist, dass der nunmehrige Verfassungsschützer Zwettler einst Chef der polizeilichen Sonderkommission war, die gegen die Tierschützer ermittelte.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2012)