Die Dürre in den USA führte zu einem rasanten Anstieg der Getreidepreise. Das befeuert die Kritik an Biosprit, wie dem in Deutschland umstrittenen E10. Umweltminister Berlakovich will E10 trotzdem noch heuer einführen.
Wien. Die Dürre in den USA hält nicht nur die Feuerwehrleute zwischen Kalifornien und Nebraska auf Trab. Auch die Farmer kämpfen mit drastischen Ernteausfällen. Um 17 Prozent geringer als erwartet soll etwa die Maisernte laut Zahlen des US-Landwirtschaftsministeriums heuer ausfallen. Die Auswirkungen werden weltweit zu spüren sein. So stiegen die Weltmarktpreise für Mais seit Juni bereits um 45 Prozent, Weizen wurde sogar um 50 Prozent teurer (siehe Grafik).
Neu entfacht wurde dadurch auch die „Teller oder Tank“-Debatte über Biosprit. Mit dem deutschen Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) fordert nun erstmals ein Regierungspolitiker den Stopp des umstrittenen Treibstoffs E10 (Benzin mit zehn Prozent Ethanolanteil). Der Getreidesprit könne zu „stärkerem Hunger in der Welt beitragen“. Seine Worte haben auch in Österreich für politische Wellen gesorgt: Grüne, FPÖ, BZÖ, Teile der SPÖ, Autofahrerklubs, die Arbeiterkammer, Kirchen und NGOs – sie alle stoßen ins gleiche Horn: Angesichts der hohen Preise und einer drohenden Hungerkrise sei es unverantwortlich, Getreide zu Sprit zu verarbeiten.
Ins Schussfeld der Kritik gerät dadurch zunehmend Umwelt- und Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP), der an seinem Plan, noch diesen Herbst den Ethanolanteil bei Benzin von fünf auf zehn Prozent anzuheben, trotzdem festhalten möchte. Die Einführung von E10 in Österreich wäre also auf jeden Fall eine Debatte wert. Die heimischen Probleme liegen dabei jedoch weniger in der „Teller oder Tank“-Frage, die für die spezifisch österreichische Situation nur in geringem Maß zutrifft, sondern eher bei fehlenden Informationen und den Kosten für benötigte Subventionen.
Weltweit treibt Biosprit die Preise
Denn während die weltweite Produktion von Agrartreibstoffen laut einer Studie der Weltbank durchaus zu einem Anstieg der Getreidepreise führen kann, ist die Rolle Österreichs bescheiden. Relevant sind Länder wie die USA, die durch ihre hohen Exportüberschüsse bisher den Weltmarktpreis für Getreide stark nach unten gedrückt haben. Seitdem die Amerikaner überschüssigen Mais und Weizen jedoch in ihren Autos verbrennen, müssen ärmere Länder mit höheren Preisen kämpfen.
Dies führte 2007 zur sogenannten Tortilla-Krise: Da in den USA kaum billiger Mais für den Export übrig war, konnten sich viele Mexikaner die Fladenbrote nicht mehr leisten.
Die Einführung von E10 in Österreich hat mit dem globalen Hunger aber herzlich wenig zu tun. Zwei Drittel der 500.000 Tonnen Getreide pro Jahr, die für eine Vollversorgung des Landes mit E10 notwendig sind, kommen schon heute aus Österreich und werden von der Agrana im Ethanolwerk im niederösterreichischen Pischelsdorf verarbeitet. Das restliche Drittel importiert die Agrana aus dem benachbarten Ausland. Im Gegenzug muss Österreich weniger Sojakraftfutter aus Brasilien importieren, da dies bei der Ethanolproduktion als „Abfall“ anfällt.
Alles in Ordnung also? Warum legen sich dann drei Ministerien (Verkehr, Gesundheit und Wirtschaft), die die Berlakovich-Novelle zur Kraftstoffverordnung mittragen müssten, quer? Und warum wurde die Einführung von E10 in Deutschland zum Fiasko?
Die wahren Probleme mit E10 sind bekannt. Erstens: Nicht alle Autos vertragen den hohen Alkoholanteil im Sprit. Vor allem bei älteren Modellen können schlimmstenfalls sogar Motorschäden auftreten. Für die Beantwortung der Frage, welche Modelle E10 vertragen, fühlte sich aber etwa in Deutschland niemand zuständig. Viele Autofahrer sind daher verunsichert und tanken lieber herkömmliches Benzin. E10 hat deshalb immer noch einen Marktanteil von unter 20 Prozent. Österreich will diesem Schicksal mit einer möglichst umfassenden Informationskampagne entgegenwirken, heißt es aus dem Landwirtschaftsministerium. Wie die genau aussehen soll, weiß aber noch niemand.
Höhere Kosten als bei Mineralöl
Das zweite Problem: Der Agrartreibstoff ist teuer. Um E10 an den Kunden zu bringen, muss der Sprit gleich dreifach gefördert werden: bei der Herstellung, der Produktion und schlussendlich beim Verkauf. Konkurrenzfähig wird E10 nämlich erst durch eine Befreiung von der Mineralölsteuer. Ansonsten wäre ein Liter E10 nach früheren Berechnungen rund drei Cent teurer als ein Liter Superbenzin – bei zwei Prozent weniger Leistung. Die Kosten dafür werden auf bis zu 160 Mio. Euro pro Jahr geschätzt.
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Viele dieser notwendigen Regelungen stehen aber noch nicht fest, weshalb laut Fachverband der Mineralölindustrie (der Tankstellenbetreiber vertritt) eine Einführung von E10 noch in diesem Herbst „unmöglich“ ist. Da die EU die Einführung erst bis 2020 verlangt, solle sie auf Mitte des Jahrzehnts verschoben werden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2012)