Die Regierung will den Hebel beim niedrigen tatsächlichen Pensionsantrittsalter ansetzen. Verschärfungen bei Hackler- und Invaliditätspensionen sind erst 2014 vorgesehen.
Wien. Während in der EU manche Länder das gesetzliche Pensionsalter erhöhen (müssen) oder darüber diskutieren, ist dieses Thema in Österreich bei den Regierungsparteien praktisch tabu. Nicht nur Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) hat einer Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters etwa auf 67 Jahre mehrfach eine Absage erteilt. Zuletzt musste vor dem Sommer der steirische ÖVP-Landeschef Hermann Schützenhöfer sogar parteiintern von Seniorenbundobmann Andreas Khol Schelte einstecken, weil er laut über eine Anhebung auf 67 Jahre nachgedacht hat.
Die Bundesregierung hat sich stattdessen darauf verständigt, den Hebel beim tatsächlichen Pensionsantrittsalter anzusetzen. Es sollen Kosten bis zu einer Milliarde pro Jahr im Pensionssystem gespart werden, indem die Österreicher im Schnitt länger im Beruf bleiben. Mit durchschnittlich rund 58 Jahren gehen ASVG-Versicherte in Österreich rekordverdächtig früh in den Ruhestand.
Ziel von SPÖ und ÖVP ist, das durchschnittliche Pensionsantrittsalter bis 2020 um rund drei bis vier Jahre auf rund 62 Jahre hinaufzuschrauben. Der Haken dabei: Es ist fraglich, ob dies tatsächlich gelingt. Außerdem kosten manche Maßnahmen – etwa zur Eindämmung der Invaliditätspensionen – in der Startphase sogar mehr Geld, statt eine Dämpfung der Kosten zu bringen. Noch vor wenigen Jahren wurde der umgekehrte Weg beschritten: Sonderrechte wie die Hacklerfrühpensionen wurden 2008 sogar ausgeweitet. Experten haben die völlige Abschaffung der Hacklerregelung besonders auch für den öffentlichen Dienst verlangt.
Fragezeichen um Kosten und Strafen
Die Bundesregierung nimmt mit dem heuer im Frühjahr geschnürten Konsolidierungspaket erst verspätet Eingriffe vor. Ab dem Jahr 2014 treten Verschärfungen in Kraft: Das Antrittsalter für die Hacklerfrühpension wird ab dann mit einem Schlag um zwei Jahre erhöht, für Männer sowie weibliche und männliche Beamte von 60 auf 62 Jahre, für weibliche ASVG-Versicherte auf 57 Jahre.
Eine weitere Änderung ist als Gesetz erst in Vorbereitung, um ebenfalls ab 2014 die Zahl der krankheitsbedingten Frühpensionen (Invaliditätspension) zu senken und damit das Pensionsantrittsalter im Schnitt ebenfalls zu heben. Der Kernpunkt: Bei möglichst vielen Betroffenen soll durch verpflichtende medizinische Rehabilitation oder Umschulungen eine Invaliditätspension vermieden werden. Es gibt mehrere Haken: Vorbeugemaßnahmen und Schulungen kosten zuerst mehr Geld; vor allem die Sozialpartner sind uneins, ob es auch saftige Strafzahlungen für Unternehmen, die ältere Beschäftigte hinausschmeißen, geben soll.
Pensionskonto ab 2014
Weitgehend untergegangen ist, dass die Bundesregierung schon die Weichen für die Umstellung auf ein Pensionskonto (auf diesem werden die individuell eingezahlten Beiträge verbucht) ab 2014 gestellt hat. Betroffen sind Jahrgänge, die ab 1.Jänner 1955 oder später geboren wurden. Ein Hauptunterschied zu dem zuletzt von Experten geforderten Pensionskonto: Letztere schlagen vor, dass jeder seinen Pensionsantritt frei wählen kann. Wer früher geht, hat aber drastisch höhere Abschläge. Die Pension richtet sich nur nach den eingezahlten Beiträgen. Das Pensionskonto-Modell der Regierung sieht ab 2014 – abgefangen mit Bundesmitteln – maximale Pensionsverluste oder -gewinne zwischen 1,5 und 3,5 Prozent der Pension bei Pensionsantritt zum Regelalter (60 Jahre für Frauen im ASVG, 65 Jahre für Männer) vor. Geht jemand früher, sind die Verluste höher.
Trotz Reformen, die in Angriff genommen werden, bleiben in Österreich manche Sonderrechte tabu. Das gilt für das im ASVG niedrigere Frauenpensionsalter von 60 Jahren, das erst in Etappen von 2024 bis 2033 auf 65 Jahre gehoben wird. Die ÖVP ist mit dem Wunsch nach einem Vorziehen an SPÖ-Frauen und Gewerkschafterinnen gescheitert, die zuerst Benachteiligungen von Frauen im Beruf beseitigt sehen wollen.
Sonderrechte mit längeren Übergangsfristen gibt es auch für Beamte in Wien. Die SPÖ-dominierte Stadtregierung stemmt sich gegen eine raschere Angleichung.
Aber auch außerhalb der gesetzlichen Pensionsversicherung gibt es Probleme, wie gerade jetzt der Rechnungshof in einem Bericht aufzeigt: So gab es bei der von der Architektenkammer eingerichteten Pensionsvorsorge per Ende 2008 immerhin eine Finanzierungslücke von 424,5 Millionen Euro.
Auf einen Blick
Bei rund 58 Jahren liegt in Österreich im Schnitt im Fall einer gesetzlichen Pensionsversicherung das tatsächliche Pensionsantrittsalter (bei Bundesbeamten bei rund 60,6 Jahren). Vor allem viele krankheitsbedingte Invaliditätspensionen, aber auch Sonderrechte für Frühpensionen (etwa die Hacklerreglung), drücken den Schnitt. Das gesetzliche Pensionsalter liegt für Männer im ASVG sowie für Beamte und Beamtinnen im Bundesdienst bei 65 Jahren, für Frauen im ASVG liegt es noch bis 2024 bei 60 Jahren.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2012)