Die Organisation Icomos, die über das Weltkulturerbe wacht, ist über das Vorgehen Salzburgs befremdet: Man werde in aktuelle Bauprojekte nicht eingebunden.
Salzburg. Dicke Luft zwischen den Hütern des Weltkulturerbes und der Stadt Salzburg: Icomos, jene Organisation, die über den sorgsamen Umgang mit dem Weltkulturerbe der Salzburger Altstadt wacht, fühlt sich von der Stadt bei aktuellen Bauprojekten zu wenig eingebunden. „Die Dinge laufen nicht so, wie sie laufen sollten“, sagte Landeskonservator Ronald Gobiet im Gespräch mit der „Presse“.
Auch Hans-Jörg Kaiser, Salzburg-Sprecher von Icomos, spricht von einer „befremdenden Vorgangsweise“. Das umstrittene Projekt von Luxuswohnungen und Geschäften am Rehrlplatz am Rande der Weltkulturerbezone ist nur ein Beispiel dafür, dass Icomos bei der Vorbereitung von Bauvorhaben von der Stadt gern außen vor gelassen wird. Auch bei einem Projekt in der Ernest-Thun-Straße, bei einem Hochhaus beim Bahnhof oder beim Neubau des Paracelsusbades gebe es von der Stadt nur Informationen auf Nachfrage, so Kaiser: „Wir kennen viele Projekte zuerst aus den Medien.“ Kaiser geht es um bessere Kommunikation und Einbindung durch die Stadt. Kaiser plant einen Bericht an die österreichische Weltkulturerbe-Kommission. Ändert sich nichts, könnte auch Paris informiert werden. „Es heißt ja nicht, dass Salzburg nicht angetastet werden darf.“ Aber die Stadt müsse ihren Planungsprozess überdenken, um qualitätsvolle Architektur zu gewährleisten. Dass man mit den Hütern des Weltkulturerbes nicht spaßen kann, hat Dresden erfahren: Der Stadt wurde wegen eines umstrittenen Baus 2009 der Status als Weltkulturerbe aberkannt.
Icomos kennt Pläne nicht
Für den meisten Ärger bei Icomos sorgt in Salzburg derzeit das Projekt „City Life“ am Rehrlplatz, das heute, Montag, im Stadtsenat beschlossen werden soll. Icomos hatte einige Änderungen – wie eine der Altstadt entsprechende Fassadengestaltung, geringere Bauhöhen – verlangt. Ob diese Änderungen erfolgten, wisse man nicht, weil man die überarbeiteten Pläne nicht einmal erhalten habe, kritisiert Kaiser.
Grundeigentümer Reinhard Mozigemba plant fünf Baukörper mit unterschiedlichen Höhen, großen Glasfronten, Terrassen und vielen Durchblicken ins Grün und zur Festung. Die Bürgerinitiative „Rettet Salzburg“ hat 21.000 Unterschriften gegen den „Betonklotz“ gesammelt und überlegt rechtliche Schritte gegen die Sachverständigenkommission für die Altstadt, deren Stellungnahme positiv war.
Die ÖVP kritisiert das Projekt vor allem auch deshalb, weil damit eine mögliche Ein- und Ausfahrt für den Kapuzinerbergtunnel verbaut wird. Für Erstaunen sorgt ein weiteres Detail: Die vorgesehene großzügige Platzgestaltung liegt nicht auf dem Grund des Bauträgers, sondern auf Flächen des benachbarten Unfallkrankenhauses. Doch die Verantwortlichen des Spitals wurden nie kontaktiert.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2012)