„Chili“ war schon lange fällig. Aber es ist niederträchtig, die Attacke auf Heinzl als Begründung zu verwenden.
Die Einführung von „Chili“ war der schwerste Missgriff der an Missgriffen nicht armen Ära Wrabetz. Dass der ORF um viel Geld ein reines Boulevardformat ankaufte (und damit die bewährten „Seitenblicke“ sinnlos konkurrierte), das war nicht seinem Auftrag gemäß und geschäftlich falsch zugleich.
So wäre es zu jeder Zeit richtig gewesen, „Chili“ einzustellen und Heinzl dorthin zu entlassen, wo er hingehört: auf den Kommerzsendermarkt. Nur nicht gerade jetzt, und nicht mit dieser Begründung: Von einer „Privatfehde“, die „für beide Beteiligten Konsequenzen haben“ müsse, sprach der Finanzdirektor des ORF. Er meinte die verbalen und körperlichen Attacken des „Große Chance“-Jurors Sido auf „Chili“-Moderator Dominic Heinzl. Er impliziert damit, dass Heinzl an dem Schlag, der ihn traf, mit schuld gewesen sei, nach dem volkstümlichen Motto: Die Watschen wird er sich schon verdient haben, dieser Schnösel, wahrscheinlich hat er provoziert oder frech dreingeschaut...
Man kann Heinzl unsympathisch finden. Aber das berechtigt niemanden, auch keinen Ex-Gangsta-Rapper, seine tote Mutter zu beleidigen und ihn zu schlagen. Es ist traurig, dass viele Poster auf diversen Homepages, meist freilich anonym, diese Gewalt akzeptabel oder sogar begrüßenswert finden. Es ist noch trauriger – und feig dazu! –, dass sich offizielle Organe des ORF diesem „Urteil“ des Internet-Mobs anbiedern.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2012)