Glaubt der ORF an gerechte Watschen?

„Chili“ war schon lange fällig. Aber es ist niederträchtig, die Attacke auf Heinzl als Begründung zu verwenden.

Die Einführung von „Chili“ war der schwerste Missgriff der an Missgriffen nicht armen Ära Wrabetz. Dass der ORF um viel Geld ein reines Boulevardformat ankaufte (und damit die bewährten „Seitenblicke“ sinnlos konkurrierte), das war nicht seinem Auftrag gemäß und geschäftlich falsch zugleich.

So wäre es zu jeder Zeit richtig gewesen, „Chili“ einzustellen und Heinzl dorthin zu entlassen, wo er hingehört: auf den Kommerzsendermarkt. Nur nicht gerade jetzt, und nicht mit dieser Begründung: Von einer „Privatfehde“, die „für beide Beteiligten Konsequenzen haben“ müsse, sprach der Finanzdirektor des ORF. Er meinte die verbalen und körperlichen Attacken des „Große Chance“-Jurors Sido auf „Chili“-Moderator Dominic Heinzl. Er impliziert damit, dass Heinzl an dem Schlag, der ihn traf, mit schuld gewesen sei, nach dem volkstümlichen Motto: Die Watschen wird er sich schon verdient haben, dieser Schnösel, wahrscheinlich hat er provoziert oder frech dreingeschaut...

Man kann Heinzl unsympathisch finden. Aber das berechtigt niemanden, auch keinen Ex-Gangsta-Rapper, seine tote Mutter zu beleidigen und ihn zu schlagen. Es ist traurig, dass viele Poster auf diversen Homepages, meist freilich anonym, diese Gewalt akzeptabel oder sogar begrüßenswert finden. Es ist noch trauriger – und feig dazu! –, dass sich offizielle Organe des ORF diesem „Urteil“ des Internet-Mobs anbiedern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Sido kehrt Grossen Chance
Medien

Sido kehrt in die ORF-Show "Die große Chance" zurück

Der ORF gibt dem Rapper "eine zweite Chance" als Juror in der Castingshow. Am "Nein zur Gewalt" halte man fest, doch man glaube auch an Aussöhnung.
Medien

ORF wirft Heinzl hinaus, auch ATV will ihn nicht

Die „Privatfehde“ mit Rapper Sido müsse auch für Society-Reporter Dominic Heinzl Konsequenzen haben, findet ORF-Finanzdirektor Richard Grasl. Heinzl darf noch bis Jahresende den Vorabend von ORF eins bespielen.
Heinzl nach Sido-Attacke: "Bei all dem Hass wird mir richtig kalt"
Medien

Heinzl nach Sido-Attacke: "Bei all dem Hass wird mir richtig kalt"

Nach Sidos Faustschlag gegen ihn beschwert sich der Moderator über die Reaktionen im Internet. Er sei "geschockt" über manche Einträge. Sein Sturz nach dem Treffer sei nicht gestellt gewesen.
Roubinek
Medien

"Die Große Chance": Roubinek ersetzt Sido

Roubinek ist durch die Sendung "Wir sind Kaiser" bekannt, wo er den Obersthofmeister "Seyffenstein" spielte. 827.000 sahen den Auftritt des neuen Jurors.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.