Der ORF gibt dem Rapper "eine zweite Chance" als Juror in der Castingshow. Am "Nein zur Gewalt" halte man fest, doch man glaube auch an Aussöhnung.
Die Konsequenzen aus der "Watschenaffäre" mit dem scheidenden ORF-Societyreporter Dominic Heinzl sind für den deutschen Rapper Sido offenbar zeitlich begrenzt: Sido kehrt in die ORF-Show "Die große Chance" zurück. Das teilte Fernsehdirektorin Kathrin Zechner am Mittwoch in einer Aussendung mit: "Wir geben Sido nach intensiven Gesprächen und reiflicher Überlegung eine zweite Chance - es ist seine große, aber auch letzte." Der ORF hatte sich von dem beliebten Juror getrennt, nachdem dieser bei einer Auseinandersetzung nach der Sendung Chili-Moderator Heinzl geschlagen hat. Sido warf Heinzl "Schauspielerei" vor und Heinzl fühlte sich öffentlich gemobbt.
Dass Sido nun wieder Juror werde, sei keine Rücknahme dieser Entscheidung, so Zechner. "Der Stopp war nötig, weil auf beiden Seiten überzogen wurde. Das klare Nein zu Gewalt steht", so die Fernsehdirektorin. Man habe mit beiden Gespräche geführt. Das klare Nein zu Gewalt stehe. "Genauso unumstößlich ist aber mein Glaube an Aussöhnung."
"Versöhnung am Ende eines Streits"
"Sowohl Dominic Heinzl als auch Sido haben zuerst im Netz, dann in Gesprächen und zuletzt in Dreiergesprächen mit mir gezeigt, dass sie sich bewusst sind, öffentliche Personen zu sein. Deshalb: zurück zum Start." Mit der Entscheidung wolle man "ein Beispiel geben, dass am Ende eines Streits idealerweise Aussprache und Versöhnung steht."
Wie rauschte da nicht der Blätterwald, als es am 19. Oktober 2012 im ORF zur "Watschenaffäre" kam. Was war passiert? Nach der Aufzeichnung der "großen Chance" kam es hinter den Kulissen zu Handgreiflichkeiten. Der Rapper Sido, Juror in der Show, schlug Societyreporter Dominic Heinzl. Der ORF beendete daraufhin die Zusammenarbeit mit Sido. Zumindest kurzfristig. Text: her; im Bild: "Große Chance"-Juroren Sido, Karina Sarkissova, Peter Rapp, Zabine (c) ORF (Ali Schafler)
Denn mit 31. Oktober gab der ORF bekannt, er werde Sido noch eine Chance geben und ihn wieder in die Show aufnehmen. Das klare Nein zu Gewalt stehe aber, ließ der ORF wissen. Nun ist aber alles anders.
"Genauso unumstößlich ist aber mein Glaube an Aussöhnung", meinte Fernsehdirektorin Kathin Zechner zwölf Tage nach dem Zwischenfall. Weniger versöhnlich ging die Geschichte für Heinzl aus. (c) ORF (Thomas Ramstorfer)
Mit Jahresende läuft Heinzls Vertrag mit dem ORF aus, ersatzlos. Die Art, wie er nach Sidos Faustschlag umfiel, sorgte für viel Spott und Häme - im Internet, im Boulevard und selbst im ORF. Immerhin: Über "Die große Chance" wird er weiterhin berichten.
Der ORF dürfte sich über den Verbleib von Sido als Juror in "Die große Chance" freuen. Denn so umstritten er ist, sorgt er doch in regelmäßigen Abständen für kleine Skandale - und damit für gute Einschaltquoten.
Dass Sido einst im "Ösi-Fernsehen" landen würde, dürfte er zu Beginn seiner Karriere wohl nicht gedacht haben. 2003 tauchte der Musiker, der mit bürgerlichem Namen Paul Hartmut Würdig heißt, im deutschen Unterhaltungsgeschäft auf: "Arschficksong" und " WeihnachtsSong" landeten wegen frauenverachtender Inhalte bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Die Platte "Maske" - damals trat er noch mit einer silbernen Maske auf- wurde sogar indiziert. (c) AP (MARTIN MEISSNER)
Sido - das Kürzel steht für für "Superintelligentes Drogenopfer" - spielte gekonnt mit dem Bad-Boy-Image. Das funktionierte eine Zeit lang. Die Alben "Maske", "Ich" und "Ich und Meine Maske" verkauften sich tausendfach. Zuletzt erschien "Aggro Berlin", das ist drei Jahre her. Inzwischen konnte sich Sido ohnehin ein zweites Standbein aufbauen: Das Fernsehen. (c) EPA (URS JAUDAS)
Der deutsche Privatsender ProSieben zeigte 2009 die Show "Sido geht wählen" - eine Art Politsendung für Laien. Darin ließ er sich die Parteiprogramme erklären und die Gründe, wieso man wählen sollte. Erfolgreicher war der Berliner allerdings im Fernsehen jenseits der Grenze. (c) HANS KLAUS TECHT (HANS KLAUS TECHT)
2010 entdeckte das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Österreich den Skandalrapper: Er war Juror im mäßig erfolgreichen "Starmania"-Nachfolger "Helden von morgen". Mit seiner großen Klappe - aber auch seiner direkten, emotionalen und fairen Art - wurde der Deutsche schnell zum Publikumsliebling. (c) ORF (ALI SCHAFLER)
Wenig gut funktioniert hat die Castingshow "Blockstars – Sido macht Band": In dieser hätte er junge Talenten aus schwierigen Verhältnissen zu Rappern aufbauen sollen. Funktioniert hat das leidlich und als Zuschauer wurde man das Gefühl nicht los, dass Sido den schwierigen sozialen Hintergrund seiner Schützlinge unterschätzt hatte. (c) APA/ANDREAS PESSENLEHNER (ANDREAS PESSENLEHNER)
Die Talentshow "Die große Chance" hingegen war von Beginn an eine perfekte Spielweise für den Rapper. Insbesondere zeigte sich das beim verbalen Schlagabtausch zwischen Sido und dem "Krone"-Journalisten Michael Jeannée. Berliner Schnauze traf Wiener Boulevardadel - und die Massen lachten. (c) ORF (Ali Schafler)
An der Präsenz auf dem Bildschirm scheint Sido Gefallen gefunden zu haben: Er spielte in der Komödie "Männersache" mit und brachte - ähnlich wie Kurzzeit-Erzfeind Bushido - seine Biografie auf die Leinwand. "Blutzbrüdaz" hieß der Streifen, in dem er neben Rapper B-Tight die Hauptrolle übernahm. (c) EPA (ENNIO LEANZA)
Die öffentlich breit zelebrierte Fehde zu Rapper-Kollege Bushido löste sich 2011 in Harmonie auf: sie nahmen ein Album mit dem Titel "23" auf. (c) EPA (MICHAEL KAPPELER)
Aufgewachsen ist Sido übrigens im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg. Privat gab es für den Rapper, der mittlerweile auch in Wien einen Wohnsitz hat, im Mai einen Wechsel: Er und seine Verlobte, die Sängerin Doreen Steinert, trennten sich. Wenig später wurde seine Beziehung zur Moderatorin Charlotte Engelhardt öffentlich. (c) EPA (JEAN-CHRISTOPHE BOTT)
Mit der Justiz kam Sido auch schon in Konflikt: 2009 stand er vor Gericht, weil ihm eine gehbehinderte Frau vorwarf, sie mit Steinen beworfen zu haben. Das Verfahren wurde nach einer Zahlung eingestellt. (c) AP (Michael Sohn)
Für einen Skandal sorgte er auch im November 2011, als er auf einer Gala in Wien scherzte: "Ihr Österreicher habt uns da mal einen rübergeschickt, der uns Ordnung beigebracht hat." Aber über den Humor der Deutschen lässt sich bekanntlich streiten. (c) ORF (Ali Schafler)
Prügel-Rapper, Maskenträger und ORF-Darling
Zechner kritisierte auch die öffentliche Darstellung von Sido und Heinzl und betonte vielmehr deren mildtätige Charaktere. Sowohl Sido als auch Heinzl würden abseits der Kameras in Sozialprojekten tätig sein und sich in den Dienst hilfsbedürftiger Menschen stellen. "Schon allein diese Tatsache zeigt, dass den beiden die mediale Verknappung als Kontrahenten nicht gerecht wird."
Trotzdem kommt das Aus für Heinzl
Beide Beteiligten werden bereits im dritten Halbfinale von "Die große Chance" am Freitag, dem 2. November, in ihren gewohnten Rollen tätig sein, kündigte man im ORF an: Sido als Juror, Heinzl berichterstattend für das Societymagazin "Chili" - das allerdings mit Ende des Jahres ersatzlos gestrichen wird ("Die Presse" berichtete).
Dass Heinzls Vertrag nicht verlängert wurde, stand laut ORF-Kommunikationschef Martin Biedermann "in keinen Zusammenhang mit dem Sido-Konflikt. Da ändert auch dessen Rückkehr nichts." Die Entscheidung sei aus programmstrategischen und budgetären Überlegungen gefallen, die nun nicht zurückgenommen würden.
Schlechte Qutoen für Seyffenstein
Sido-Ersatz Rudi Roubinek in seiner Rolle als Obersthofmeister Seyffenstein ist somit Geschichte. In der medialen Berichterstattung hatte die Besetzung der Figur aus dem Kabarettformat "Wir sind Kaiser" großteils zu heftigen Verrissen geführt. Auch die Zuseher blieben mit 707.000 hinter denen der Vorwoche mit Sido zurück.
Die „Privatfehde“ mit Rapper Sido müsse auch für Society-Reporter Dominic Heinzl Konsequenzen haben, findet ORF-Finanzdirektor Richard Grasl. Heinzl darf noch bis Jahresende den Vorabend von ORF eins bespielen.
Nach Sidos Faustschlag gegen ihn beschwert sich der Moderator über die Reaktionen im Internet. Er sei "geschockt" über manche Einträge. Sein Sturz nach dem Treffer sei nicht gestellt gewesen.
Roubinek ist durch die Sendung "Wir sind Kaiser" bekannt, wo er den Obersthofmeister "Seyffenstein" spielte. 827.000 sahen den Auftritt des neuen Jurors.
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